Glettler: Reinhold Stecher war volksnaher "Jahrhundert Bischof"
Reinhold Stecher (1921-2013) hat besonders als Bischof der Diözese Innsbruck zwischen 1981 und 1997 großen Einfluss auf die Gestaltung nicht nur des kirchlichen, sondern auch des gesamtgesellschaftlichen Klimas in Tirol und darüber hinaus genommen. Aus Anlass seines 100. Geburtstags (22. Dezember 1921) gedachten Diözese und Universität Innsbruck Stechers am Donnerstag und Freitag (15./16. Dezember) mit einem Symposium. Grußworte für die Veranstaltung, die wegen Corona um ein Jahr verspätet stattfand, verfasste Stechers Nachfolger Hermann Glettler; u.a. der ehemalige Generalvikar Klaus Egger, Sozialethiker Wolfgang Palaver und der Wiener Theologe Paul Zulehner sorgten für Würdigungen.
Stecher sei ein volksnaher "Jahrhundert Bischof" gewesen, so der zum Zeitpunkt des Symposiums in Rom beim Ad-limina-Besuch weilende Bischof Glettler. Der vor fast zehn Jahren verstorbene, unvergessene "Wegbegleiter und Wegweiser für unzählige Menschen" habe mit seinen Texten, Predigten, Vorträgen, Grußworten und tagespolitischen Wortmeldungen "nachhaltig die Lebens- und Glaubenskultur in unserem Land geprägt - auch wenn er einmal humorvoll meinte, dass er nicht zu allen Themen seinen "exzellenten Senf" beitragen müsse", so Glettler. Stecher habe als glänzender Formulierer "die Kunst bildhafter Rede beherrscht und zur unüberbietbaren Perfektion gebracht". Er habe Sprache mit pädagogischem Instinkt immer anschaulich eingesetzt, "vor Banalisierungen und ausufernden Wiederholungen bewahrt".
Glettler würdigte auch das soziale Engagement des ehemaligen "Caritas-Bischofs", z.B. für eine humane Asyl- und Flüchtlingspolitik; Stecher sei anlässlich des "Lichtermeeres" 1993 auch Unterzeichner der diesbezüglichen Petition von "SOS-Mitmensch" gewesen. Ein besonderes Anliegen Stechers sei auch der christlich-jüdische Dialog gewesen, dem Kult vom angeblichen Ritualmord am Anderl von Rinn habe er "mit größter Entschlossenheit" ein Ende gesetzt. Und als Liebhaber der Tiroler Bergwelt mit einem "unverkrampft kontemplativen Blick" sei Stecher "ein Mahner geworden, damit wir unseren Planeten nicht in die finale Erschöpfung treiben".
"Ein Bischof, der Franziskus vorwegnahm"
Reinhold Stecher war ein "Tiroler Herz-Jesu-Bischof, der Franziskus vorwegnahm" - auch wenn er kurz vor dessen Wahl verstarb, sagte Zulehner in seiner ausführlichen "pastoraltheologischen Würdigung". Er sprach von einer Vorwegnahme in zweierlei Hinsicht: Synodalität und Barmherzigkeit.
Der Bischof habe sich darüber geärgert, dass Rom den synodalen Stil der postkonziliaren Diözesansynode 1971 "re-klerikalisierte" und in Innsbruck der Diözese statt einer kirchenrechtlich eingeengten Synode ein "Diözesanforum" abgehalten. "Ich lass mir die Fenster, die Johannes XXIII. aufgemacht hat, von niemandem mehr zumachen", sei Stechers Kommentar dazu gewesen.
Missfallen habe Stecher auch eine Römische Instructio von 1997 "über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester", die z.B. gegen Laienpredigt einschritt. Stechers öffentlich geäußerte Vorbehalte dagegen hätten über Österreich hinaus für Aufsehen gesorgt und den Begründer der Politischen Theologie, Johann B. Metz, zur Äußerung veranlasst: "Gott sei Dank endlich ein Bischof mit Zivilcourage!", wie Zulehner erinnerte. Als Bischof habe Stecher einen kollegialen Führungsstil gepflegt und dafür gesorgt, dass Frauen in der Diözese in gewichtige Positionen gelangten. Besorgt habe ihn die "bedrohliche Entfremdung gerade der Engagierten von der Kirche und ihrer Leitung", ebenso, dass der Priestermangel zu "einer weitgehend sakramentenfreien Gemeinde- und Krankenseelsorge" führen könnte.
Die zweite "Voraus-Verwandtschaft Stechers mit Papst Franziskus" war nach den Worten des Wiener Theologen dessen "unbeugsames Eintreten für eine Kirche des Erbarmens", die ihn 1997 zur Mahnung veranlasst habe: "So wie das derzeit ist, hat Rom das Image der Barmherzigkeit verloren und sich das der repräsentativen und harten Herrschaft zugelegt. Mit diesem Image wird die Kirche im dritten Jahrtausend keinen Stich machen..." Konkret habe sich Stecher für eine Laisierungspraxis eingesetzt, mit der diesbezügliche Gesuche nicht erst jahrelang unerledigt bleiben.
Die das Symposium veranstaltende Katholisch-Theologische und die Philosophisch-Historische Fakultät der Universität Innsbruck wollten das Leben, Denken und Wirken von Reinhold Stecher aus verschiedenen Perspektiven in den Blick nehmen und "dabei auch kritische Anfragen formulieren", wie es hieß. Jenseits von Jubiläumsrhetorik solle damit ein facettenreiches Mosaik einer prägenden Gestalt der jüngeren Zeit- und Kirchengeschichte Tirols entstehen. (Info zum Programm: www.dibk.at/Meldungen/Ein-Jahrhundert-Reinhold-Stecher)
Quelle: kathpress