Parr: Strukturelle Maßnahmen statt weitere Einmalzahlungen gegen Armut
Um Armut einzudämmen, braucht es strukturelle Maßnahmen und keine weiteren Einmalzahlungen: Das hat die Generalsekretärin der Caritas Österreich, Anna Parr, bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit Arbeiterkammer und Volkshilfe am Mittwoch in Wien betont. Unter anderem forderte Parr erneut eine grundlegende Reform der Sozialhilfe und die Anpassung der Notstandshilfe. Mehr als die Hälfte der arbeitslosen Menschen ist von Armut betroffen. "Unser Appell 'zurück zum Verhandlungstisch' ist alternativlos." Dass es bei manchen Themen möglich sei, bei der Bundesregierung Gehör zu finden, zeige etwa die Unterstützung für Heizkosten. Vorige Woche sei ein Paket über 500 Millionen Euro angekündigt worden. "Da sind wir sehr dankbar", unterstrich sie.
Schon früh habe man seitens der Caritas das Problem steigender Armut erkannt und Angebote und Unterstützungsmaßnahmen ausgebaut. "Unsere Seismografen haben ein enormes Beben aufgezeichnet", so Parr. Daraufhin wurden Beratungsstellen ausgeweitet und die Verteilung von Lebensmitteln ausgedehnt. Immer mehr Menschen, die nie gedacht hätten, je auf Unterstützung angewiesen zu sein, würden um Hilfe bitten. Neue Zahlen zeigen, dass Armut in Österreich stärker verbreitet ist als bisher bekannt.
Das gesamte untere Einkommensdrittel ist derzeit von Armut betroffen oder armutsgefährdet, erklärte Parr. "Es geht für diese Menschen wirklich ums Eingemachte: heizen oder essen." Die Pakete der Regierung haben zwar geholfen, aber seien sicher nicht ausreichend gewesen, da die Teuerungsraten die Zahlungen auffressen würden. "Es braucht weitere Handlungen, die über Einmalzahlungen hinaus gehen. Wir brauchen strukturelle Maßnahmen, um die Menschen aus der Armutsspirale herauszuholen."
Volkshilfe-Wien-Geschäftsführerin Tanja Wehsely will mit der Volkshilfe-Kindergrundsicherung Österreich zum ersten Land ohne Kinderarmut machen. Kinder sind in mehrerlei Hinsicht der Armut betroffen. "Es ist eine Gemeinheit, dass Kinder aufgrund ihrer Herkunft, aufgrund dessen, dass sie in eine armutsbetroffene Familie hineingeboren werden, benachteiligt sind", beklagte sie die aktuelle Situation. Neben der Kindergrundsicherung, die die finanzielle Grundausstattung bringen soll, um nicht nur über die Runden zu kommen, forderte Wehsely den "Ausbau der Elementarpädagogik". Diese Kinderbildung soll ausnahmslos für alle kostenlos sein. Zudem soll es einen Rechtsanspruch dafür geben.
Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer Wien, erzählte, Wohnen, Energie, Schulkosten, selbst die Nachmittagsbetreuung sei für viele Menschen in Österreich nicht mehr leistbar. "Ein Sozialstaat, der Armut wirklich verhindert, ist möglich", betonte Anderl. Dafür brauche es eine einzige Sache: "den politischen Willen. Die Regierung muss unter Beweis stellen, dass sie Armut in unserem Land nicht hinnimmt". Auch Menschen mit gutem Einkommen müssen mittlerweile aufpassen, wie sie sich das Geld einteilen, schilderte sie. Armut bekämpfen kann man nur, wenn man weiß, wer betroffen ist. Derzeit kann sich jeder fünfte Mensch in Österreich die notwendigen Kosten im Haushalt nicht mehr leisten. Das ergab eine Erhebung durch die Statistik Austria. Armut sei transparenter als der Reichtum, dieser könne sich "vermehren und verstecken". Anderl bekräftigte: "Dabei bräuchten wir diesen Reichtum ganz dringend", um gegen die Armut anzugehen.
Vor einem Jahr sei der Start als Sozialpartner gelungen. Doch, "es ist sehr schade, dass die Gespräche, die ohne uns stattgefunden haben, nicht zu positiven Ergebnissen geführt haben", so Anderls Fazit. Zudem kritisierte auch sie ein Zuviel an Einmalzahlungen. Es brauche dauerhafte Unterstützung, obgleich die Regierung viel Geld in die Hand genommen habe. Es gehe darum, "solidarisch gemeinsam durch die Krise zu kommen". Dafür forderte Anderl eine Vermögens- und Erbschaftssteuer ab einer Million Euro aufwärts.
Quelle: kathpress