NGOs fordern Teuerungsausgleich zur Lösung der "Unterbringungskrise"
Österreichs große Hilfsorganisationen haben am Dienstag die Regierung zu raschem Handeln in der derzeitigen "Unterbringungskrise" aufgefordert. Obwohl die Asylanträge derzeit wieder rückläufig seien, bleibe die Lage in den Flüchtlingsquartieren "völlig untragbar", da sich die Politik nicht um die Lösung von schon vorher absehbaren Problemen gekümmert haben, sagten Spitzenvertreter von Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz und Hilfswerk bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wien. Zur Abwendung der Notsituation sei ein Teuerungsausgleich für Quartiergeber dringend notwendig, die Schaffung neuer Unterkunftsplätze sowie auch Maßnahmen zur schnelleren Arbeitsintegration.
Mehr als 5.000 Menschen seien derzeit in Österreich in Bundesversorgung und hätten somit schon von den Bundesländern übernommen werden sollen. "Bislang erfüllen aber nur Wien und das Burgenland die Aufnahmequoten", unterstrich Caritas-Generalsekretärin Anna Parr. Dieses Versäumnis führe zur Obdachlosigkeit vieler Flüchtlinge, die "hin- und hergeschickt werden und bei den Polizeistationen verharren - teils sogar 10 bis 14 Tage lang". Allein bei den Caritas-Einrichtungen kämen allabendlich rund 100 Flüchtlinge an, "die dastehen und sagen, dass sie kein Dach über dem Kopf haben". Der anbrechende Winter verschärfe die Situation.
Zugleich seien die Bundesstellen völlig überfüllt, und jene, die hier einen Platz bekommen hätten, würden dort nicht adäquat betreut, da sie nicht auf längeren Aufenthalt ausgelegt sind, so Parr weiter. So gebe es etwa für Kinder und Jugendliche keine entsprechenden Bildungsangebote. Von 19.000 Minderjährigen unter den knapp 90.000 bis Oktober eingegangenen Asylanträgen sprach Peter Kaiser vom Roten Kreuz, 11.000 davon seien ohne Begleitung eines Erwachsenen. "Es muss klar sein, dass jeder menschenwürdig behandelt wird, unabhängig davon, ob er nun Chancen auf Asyl hat oder nicht", so der stv. Generalsekretär. Um das "Menschenrecht auf Asyl" und faire Asylverfahren zu garantieren, sei die Verfügbarkeit von ausreichenden Unterkünften zwingend nötig.
Vor einem "Kippen des Systems" angesichts der Quoten-Nichterfüllung in den Bundesländern warnte auch Diakonie-Direktorin Katharina Maria Moser. Österreich befinde sich derzeit in keiner Flüchtlingskrise, höchstens in einer "Unterbringungskrise", sei doch die Situation entgegen mancher Darstellung nicht mit 2015 vergleichbar: Damals seien viermal mehr Asylwerber in Grundversorgung gewesen wie jetzt. Dass die Quartiere voll seien, hänge vielmehr damit zusammen, dass die vertriebenen Ukrainer trotz Aufenthaltstitel statt in der Sozialhilfe in der Grundversorgung - derzeit sind es 56.000 - landeten. "Dort gehören sie nicht hin", betonte Moser.
"Humanitäre und praktikable Lösungen" müsse die Regierung anvisieren, so die Hilfsorganisationen, die dazu bereits im Sommer einen Sieben-Punkte-Plan vorgelegt hatten, "von dem bisher kein einziger erfüllt wurde", wie Caritas-Generalsekretärin Parr bemerkte. In Sachen Teuerungsausgleich, der ein wesentliches Element dabei darstellte, nannte Erich Fenninger von der Volkshilfe einen Tagsatz von 35 statt 25 Euro als gangbaren Weg. Quartiergeber würden damit entlastet und drohende Schließungen von Unterkünften, deren Betrieb schon jetzt in vielen Fällen auf Spenden angewiesen sei, abgewendet.
Parr warb zudem für mehr Unterstützung privater Unterkunftgeber. "In der anfänglichen enormen Solidarität wurde viel privater Wohnraum für Ukrainer zur Verfügung gestellt. Viel davon wird jetzt wieder zurückgenommen - wodurch Menschen zurück in die großen Unterkünfte kommen, und mit dem Ergebnis, dass es dort keine Plätze mehr gibt."
Quelle: kathpress