Theologin: Auch nach Pandemie viel Resonanz für religiöse Themen
Religiöse Themen und Rituale sind während der Corona-Pandemie nicht aus der Öffentlichkeit verschwunden, sondern rufen weiterhin "große Resonanz und Emotionen" hervor: Das hat die Theologin Elisabeth Höftberger am Freitag in Salzburg festgestellt. Eine Anfrage aus der Pandemie an die Relevanz theologischer Forschung werde deshalb sein, "in Zukunft noch vielfältigere Wege der Kommunikation zwischen wissenschaftlicher Theologie und Gesellschaft zu entwickeln", sagte die Salzburger Fundamentaltheologin im Europasaal der Edmundsburg. Höftberger äußerte bei den 13. "Salzburger interdisziplinären Diskursen", die sich heuer dem Thema "COVID-19 und die Universität" widmeten.
Für die Theologie stellten sich in der ersten akuten Phase der Pandemie vor allem zwei Herausforderungen, erklärte die Postdoc-Projektmitarbeiterin am Fachbereich für Systematische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg in ihrem Vortrag zum Thema "Von Magie und Moral": Erstens sei dies die Durchmischung magischer und christlich-religiöser Codes in Sinndeutungsversuchen und Berichterstattung, zweitens die "moralisierenden Interpretationsmuster" in kirchlichen und medialen Diskursen.
Neben altbekannten Anfragen an die theologische universitäre Forschung habe es mit der Pandemie auch ganz neue gegeben, so Höftberger rückblickend. Gleich in den ersten Wochen sei die theologische Forschung mit einem "Problemdruck" konfrontiert gewesen, als theologische Institute als "Reflexionsinstanz für kirchliches Handeln" plötzlich mit ganz konkreten Fragen nach Alternativen für Gottesdienste konfrontiert waren. Diskutiert wurde damals über die Bedeutung von Sakramenten, insbesondere über Eucharistie samt Kommunionempfang. Zugleich hätten sich in Social-Media-Kanälen wiederholt religiöse Überzeugungen und Verschwörungstheorien miteinander vermischt und antisemitische Kommentare stiegen an, wies eine Studierende nach.
Reflexionskompetenz
Ins Bewusstsein gekommen sei, dass Grenzen zwischen magischen und religiösen Deutungen fluide und instabile gesellschaftliche Situationen für Ideologien und Verschwörungstheorien anfällig sind. "In Verbindung mit Glaubensvorstellungen sind ideologische Inhalte besonders problematisch", betonte Höftberger. Der Grund sei, dass damit über die religiös-existenzielle Dimension hoher moralischer Druck aufgebaut werden könne. Theologie könne hier "Reflexionskompetenz" wie auch "Werkzeuge zur Ideologiekritik" einbringen, so die Expertin.
Gleichzeitig habe die Pandemie aufgezeigt, welche Themen stärker in die Ausbildung von Religionslehrkräften und dem Seelsorgepersonal eingebracht werden können: Die Präsenz von Religion in sozialen Medien etwa, ebenso jedoch auch die Verschwörungstheorien, religiöse Vorstellungen sowie Antisemitismusprävention.
Auch der Relevanzverlust von Kirche in der Gesellschaft, die Individualisierung von Gottesdienstpraxen und veränderte Routinen in Gemeinde werden die Theologie noch beschäftigen, so die Einschätzung der Fundamentaltheologin. Die Pandemie habe, wie zuvor der Statistiker Arne Bathke bei der Tagung bereits am Donnerstagabend formuliert hatte, wie ein Brennglas auch in kirchlichen Prozessen bestehende Tendenzen stärker hervorgebracht. Allerdings sei auch ein stärkerer Bedarf zur Reflexion von Grenzsituationen beobachtbar. Theologie könne auch hier Expertise und Werkzeuge bieten.
Neue Chancen durch Onlineformate
Was die Lehre und Forschung betrifft, seien zuvor noch nicht im heutigen Umfang etablierte Varianten formal wie auch methodisch weiterentwickelt und gefördert worden, berichtete Höftberger aus der Praxis. So hätten auch in der Theologie Online-Konferenzen und -Meetings zahlenmäßig zugenommen und seien zur Routine geworden, was sich wiederum auf Forschungsinhalte auswirke. Wissenschaftlicher Zentrismus auf Europa oder Amerika könne nun auf noch einfachere Weise stärker aufgebrochen und Menschen intensiver vernetzt werden.
Forschungsprojekte, die in dieser Zeit entstanden oder begonnen haben, hätten diese Ressourcen bei Forschungskolloquien in internationalen Kooperationen genutzt. Höftberger: "Hybride Tagungen ermöglichen interkulturellen Austausch, dessen Umsetzung nicht von hohen Kosten abhängt, was früher stärker zu einer ökonomischen Selektion führte. Das verändert theologische Settings und in der Folge Thesen und Theoriebildung."
Deutlich sei zudem geworden, dass interdisziplinäre Ansätze und Gespräche sowie eine große Lernbereitschaft helfen, in der Krise auf die großen Erwartungen der Sinnsuche zu reagieren. Denn, so die Theologin, um "Phänomene wie religiöse und magische Codierungen untersuchen zu können, braucht es kulturwissenschaftliche, religionswissenschaftliche, historische, psychologische, theologische und viele andere Theorien und Expertisen". Nicht zuletzt sei auch Theologinnen und Theologen der hohe Stellenwert der Wissenschaftskommunikation neu bewusst geworden - erst recht aufgrund der eigenen Herkunft aus dem Feld der Religion, wo vieles nicht mehr vertraut und selbsterklärend, aber hochvulnerabel sei.
Die Tagungs-Vorträge sowie weitere Beiträge von Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern und Studierenden der Universität Salzburg werden in einem Band der Reihe "Salzburger interdisziplinäre Diskurse" publiziert. (Infos: www.plus.ac.at/ztkr/news-events-social-media/bthw2021/tagungen/salzburger-interdisziplinaere-diskurse-2)
Quelle: kathpress