Ordenstagungen: Profil der katholischen Schulen schärfen
Die katholischen Schulen können sich trotz schwierigerer Rahmenbedingung nicht von ihrer Aufgabe entbinden, durch christlich grundgelegte Bildung zur positiven Veränderung der Gesellschaft beizutragen. Das war der Tenor des Bildungstages bei den Ordenstagungen 2022 am Mittwoch in Wien. Es gelte, das Profil der katholischen Schulen zu schärfen. Rund 250 Verantwortliche und Mitarbeitende der katholischen Schulen (Ordensschulen wie Schulen in diözesaner Trägerschaft) waren dazu in der Lainzer Konzilsgedächtniskirche zusammengekommen. Der Bildungstag stand unter dem Motto "Sind auf der Suche nach irgendwas. Religion und Spiritualität im Umbruch." "Es brauche die bewusste Entscheidung, etwas zu verändern", so der Appell der Pastoraltheologin Regina Polak an die Versammelten.
Sie eröffnete mit einem Blick auf den sozio-ökonomischen Kontext, in dem sich Schule und Kirche heute befinden, die Tagung. Religionen spielten auch heute noch in der Gesellschaft eine bedeutende Rolle; allerdings sowohl als Teil der Lösung, wie auch des Problems, so Polak.
Die Theologin sprach von zahlreichen Ambivalenzen bzw. Spannungsfeldern. Seit Jahrzehnten schreite etwa der Erosionsprozess der Kirche voran, zugleich gebe es immer noch eine weitreichende kirchliche Infrastruktur, belegt durch tausende Pfarren oder große kirchliche Werke im Bildungs-, Gesundheits- und Kulturbereich.
Der Vertrauensverlust in die Kirche sei enorm. Nur mehr 28 Prozent der Bevölkerung hätten Vertrauen in die Kirche. Auch der Glaube an Gott breche ein, was logisch sei, da ein Glaube ohne praktisch gelebte Kirchlichkeit wenig Bestand habe. Nur mehr 30 Prozent würden an die Auferstehung glauben. Es sei zudem ein deutlicher Verlust des kirchlichen gesellschaftspolitischen Einflusses wahrnehmbar, sei es bei bioethischen oder anderen Fragen.
Andererseits gebe es aber auch vereinzelt kirchliche Erneuerungsprozesse; etwa in Ordensgemeinschaften, in diakonischen Einrichtungen oder auch in konservativen, bisweilen auch charismatischen Kirchenkreisen.
Die Theologin und Religionssoziologin sprach weiters von einer Politisierung von Religion, genauso aber auch von einer Religionisierung von Politik. Zu ersterem: Christliche Identität spiele in Westeuropa noch eine wichtige Rolle, aber meist nur mehr als kultureller Identitätsmarker in Abgrenzung zum Islam. Christliche Werte würden zudem von politischen Akteuren bzw. Eliten gekidnappt und instrumentalisiert, besonders gefährdet seien "abgehängte" Bevölkerungsgruppen, bei denen diese Akteure leichter Gehör finden würden.
So noch traditionelle konfessionelle Identitäten vorhanden sind, würden diese signifikant häufiger mit antidemokratischen Einstellungen korrelieren, wobei solche Einstellungen freilich nicht nur mit Religion zu tun hätten. Wo aber der Glaube noch aktiv gelebt wird, sei die Einstellungen wiederum signifikant häufiger pro-demokratisch.
Eine weitere Ambivalenz: Europaweit sei zum einen eine steigende Religionsfeindlichkeit zu bemerken, gleichzeitig aber auch eine Dynamik eines neoautoritären christlichen Fundamentalismus. Polak: "In diesem Spannungsfeld stehen wir und müssen uns positionieren, gerade auch in den Schulen." Nachsatz: "Bildung ist zentral!"
Die Theologin sprach sich für mehr religiöse und theologische Bildung und auch klassische Katechese aus, freilich in neuer und zeitgemäßer Form. Vereinzelte Bildungsveranstaltungen an den Schulen seien freilich zu wenig. Es brauche umfassende Projekte, so Polak.
Es brauche Traditionskenntnis und die Fähigkeit, diese Traditionen auch in die Gegenwart und gegenwärtige Denkformen übersetzen zu können. Jede intellektuelle Bildungsarbeit könne freilich auch nur auf Basis einer spirituellen christlichen Vertiefung gelingen, zeigte sich die Theologin überzeugt. Der Christ der Zukunft werde jedenfalls ein gebildeter sein, oder er werde am gesellschaftlichen Diskurs nicht mehr teilnehmen können.
Katholisches Schulzentrum Friesgasse
Wie eine katholische Schule mit diesen Herausforderungen umgeht, verdeutlichte die Religionslehrerin und Theologin Barbara König am Beispiel des Wiener Schulzentrums Friesgasse. Das Schulzentrum wird aktuell von rund 1.3500 Kindern und Jugendlichen besucht. Das Angebot ist vielfältig: Kindergarten, Volksschule, Mittelschule, AHS (Gymnasium u. Realgymnasium), Handelsschule (3-jährig), Übergangsstufe (HAS), HAK-Aufbaulehrgang und ein Hort bieten auf ihre je eigenen Weise die bestmögliche Bildung für die Kinder. 45 bis 60 Prozent der Schüler stammen aus Migrantenfamilien. Die Kinder haben 20 unterschiedliche Religionsbekenntnisse und 40 unterschiedliche Muttersprachen. Die Zahl der katholischen Schülerinnen und Schüler liegt je nach Schulform bei knapp unter oder über 50 Prozent. Es gibt katholischen, evangelischen, orthodoxen und islamischen Religionsunterricht sowie eigene Gebetsräume.
Zum Miteinander der Religionen heißt es im Schulprofil: "Wir gestalten die jahreszeitlichen Abschnitte bzw. kirchlichen Festzeiten (Besinnungsangebot in Advent- und Fastenzeit, Oster- und Weihnachtsgottesdienste). Wir sind sensibel für die Festtage anderer Religionen, an die uns der interreligiöse Kalender erinnert." Und: "Wir feiern regelmäßig gemeinsam: in multireligiösen Wortgottesdiensten am Anfang und Ende des Schuljahres, im wöchentlichen Morgengebet oder der Schulmesse, im jährlichen großen Friedensgebet der Religionen". Man arbeite zudem an gelebter Ökumene und wisse über die Besonderheiten und spezifischen Anliegen der einzelnen Religionen und Konfessionen Bescheid.
Ein Pastoralteam bemüht sich in der Friesgasse um religiöse Angebote für Schüler wie auch Lehrer. Das Wissen um religiöse Inhalte sei bei beiden Gruppen im Zurückgehen, auch pastorale Angebote würden nur bedingt angenommen. Umso mehr brauche es einen langen Atem. Die Lehrerinnen und Lehrer seien für das Profil der katholischen Schule aber von entscheidender Bedeutung. Angesichts des allgemeinen Lehrermangels für die katholischen Schulen eine besondere Herausforderung. Man können nicht einmal mehr erwarten, dass alle Lehrkräfte getauft sind, wohl aber müsse man eine grundsätzliche Offenheit für Religion erwarten können, so König, selbst Lehrerin an der Friesgasse.
Es brauche Klarheit hinsichtlich des christlichen Profils einer katholischen Schule und dies müsse auch entsprechend kommuniziert werden. Dies betreffe etwa den ganzheitlichen Bildungsansatz, das christliche Menschenbild als Grundlage für die Beziehungen in der Schule, den verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt, aber etwa auch den Einsatz für Benachteiligte. Wer sich als Mitarbeitender dazu bekenne, müsse dann im Schulalltag aber auch entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten und Freiräume erhalten. Angesichts der knappen finanziellen und persönlichen Ressourcen brauche es zudem Netzwerke und Zusammenarbeit. "Teilen sie ihre Erfahrungen, ihr Wissen und ihre guten Konzepte", so der Appell Königs. Ihr Resümee: Im gemeinsamen Bemühen aller Beteiligten sei es möglich, das katholische Profil einer Schule bzw. das Ordenscharisma der Schuleinrichtung zu bewahren bzw. zeitgemäß weiterzuführen und weiterzuentwickeln.
"Spiritual Care"
Die Theologin und Seelsorgerin Theresa Stampler berichtete in ihrem Vortrag über "Spiritual Care" und versuchte, Erfahrungen aus dem Gesundheitsbereich für Bildungseinrichtungen fruchtbar zu machen. Stampler hielt eingangs fest, dass körperliche Heilung und spirituelles Heil erst mit der Aufklärung überhaupt getrennt wurden, seit dem 20. Jahrhundert aber wieder zusammengedacht werden. Sie ging dabei von einem sehr weiten Spiritualitätsbegriff aus, der nicht unbedingt einen religiösen Transzendenzbezug beinhalten muss. Es gelte im Gesundheits- und Pflegebereich verschiedenste spirituelle Bedürfnisse wahrzunehmen; religiöse, existenzielle, das Bedürfnis nach innerem Frieden, oder auch die Vergewisserung, noch gebraucht zu werden. Kranke hätten nicht unbedingt mehr Spiritualität, aber sie würden diese ihre eigene Spiritualität bewusster leben bzw. aufgrund ihrer Situation wiederbeleben.
Stampler unterschied im Blick auf die Mitarbeitenden in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zwischen spirituellen Basiskompetenzen und Spezialkompetenzen. Zu ersteren zählten etwa Offenheit, Ehrlichkeit und Absichtslosigkeit - Kompetenzen, die alle Mitarbeitenden in den Einrichtungen erwerben sollten, um die spirituellen Bedürfnisse der Patienten zu bemerken. Zu den Spezialkompetenzen gehörten etwa die Fähigkeit zur spirituellen Versprachlichung und Deutung von Bedürfnissen, sowie rituelle und theologische Kompetenzen.
Heiteres und Nachdenkliches zugleich gab es beim Bildungstag in einer "Supplierstunde" mit dem Kabarettisten, Religionslehrer und Schulleiter Stefan Haider. Im Rahmen des Bildungstages fand auch wieder die Verleihung des Sankt-Georgs-Preises 2022 des Hauptverbandes Katholischer Elternvereine Österreichs statt. Dieser zeichnet damit in den Kategorien Schüler, Eltern und Lehrer innovative und engagierte Persönlichkeiten aus.
Unter anderem wurden Schülerinnen und Schüler der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik der Don Bosco Schulen Vöcklabruck dafür ausgezeichnet, dass sie 73 ukrainischen Flüchtlingskinder unterstützten, die aus einem Waisenhaus aus Donezk nach St. Georgen im Attergau fliehen mussten. Eltern der Private Volksschule Notre Dame de Sion in Wien stellten ein altes Zinshaus in der Josefstadt für Ukraine-Flüchtlinge zur Verfügung und zwei Schülerinnen aus Graz wurden für ihre Initiative zum Spendenprojekt "Run4Ukraine - LAUFerstehen" ausgezeichnet, das sich auf ganz Österreich ausbreitete. Den Ehrenschutz über den St. GeorgsBildungsPreis hatte Bildungsminister Martin Polaschek übernommen, der den Preisträgern per Videobotschaft gratulierte.
Quelle: kathpress