Kardinal Hollerich: Europa kommt nur geeint gut durch den Winter
Kardinal Jean-Claude Hollerich, Präsident der Kommission der katholischen Bischofskonferenzen in der Europäischen Union (ComECE), hat Europa eindringlich gemahnt, solidarisch zusammenzustehen, um gut über den Winter zu kommen. Am Rande des Martinsfestes in der Diözese Eisenstadt, wo der Luxemburger Kardinal heuer Ehrengast ist, äußerte sich Hollerich im Interview der Nachrichtenagentur Kathpress (Freitag) zum Krieg in der Ukraine und kirchlichen Friedensbemühungen sowie zu gesamteuropäischen Grundsatzfragen.
Die ComECE arbeite in der Ukraine-Frage sehr eng mit der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) zusammen, in der alle nicht-katholischen Kirchen inklusive der Orthodoxie vertreten sind. "Zusammen versuchen wir, Wege des Friedens zu finden", sagte Hollerich. Viel könne er über diese Bemühungen aber nicht preisgeben, denn sonst wären sie auch schon wieder zu Ende, so der Kardinal.
Klar sei: "Als Christen müssen wir Brücken bauen und wir müssen uns als Frauen und Männer des Friedens erweisen." Auch wenn die Situation derzeit nicht sehr hoffnungsvoll sei. "Der Krieg ist so schrecklich, nationalistische Töne übertönen das Sterben der Leute, die alles verlieren. Das Engagement für den Frieden ist Aufgabe der Christen."
Zur Frage, ob Europa solidarisch genug sei, um gemeinsam durch den nahen und schwierigen Winter - Stichwort Energiekrise - zu kommen, meinte Hollerich: "Ich hoffe es, dass wir moralisch so stark sind, dass wir nicht nur auf unser eigenes Wohlergehen schauen." In einem solchen Fall wäre Europa erpressbar und könnte seinen Wohlstand nicht mehr lange halten.
Die EU-Bischöfe seien in diesem jedenfalls Punkt geeint, bekräftigte der ComECE-Präsident. Diskussionen gebe es immer wieder, doch bei allen Bischöfen sei der grundsätzliche Wille vorhanden, den europäischen Weg auch künftig gemeinsam zu gehen.
Hollerich bekräftigte im Interview auch einmal mehr seine Position, wonach er einen EU-Beitritt der Ukraine sehr begrüßen würde. Nur eine solche Mitgliedschaft könne das Land auf Dauer schützen. Freilich müsse die Ukraine dazu gewisse wirtschaftliche Standards erreichen, "und nach dem Krieg muss auch die Korruption noch entschiedener bekämpft werden".
Er freue sich aber auch, dass die europäische Politik von einem Marshallplan für die Ukraine spreche. Wenn man hier vom Reden in die Tat kommt, dann könne er sich eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine in nicht so weiter Ferne vorstellen, so Kardinal Hollerich.
Klares Urteil zur EU-Asylpolitik
Zur Frage, weshalb es die EU schlicht nicht schafft, eine gemeinsame faire Asylpolitik zu implementieren, fiel die Antwort des Kardinals so einfach wie hart aus: "Es funktioniert nicht, weil wir keine Christen mehr sind. Wir sind Kulturchristen geworden."
Papst Franziskus betone immer wieder, "dass heute die Flüchtlinge unsere Nächsten sind, für die wir uns einsetzen müssen. Wir sind als Christen dazu aufgerufen. Wenn uns das aber nicht mehr zu Herzen geht, dann wird deutlich, dass Europa postchristlich ist." Die Menschen auf der Flucht bräuchten aber die Hilfe Europas.
Er habe auch in seinem eigenen Bischofshaus in Luxemburg immer Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern und mit verschiedenen Religionen untergebracht, erklärte Hollerich. Das Zusammenleben und die Integration würden immer gut funktionieren. Menschenrechte und Nächstenliebe würden für alle Menschen gelten: "Gott liebt alle Menschen, Christus ist für alle gestorben, nicht nur für bestimmte Volksgruppen, die uns ähnlich sind." Nicht nur Ukrainer, auch Syrer, Iraker oder Afghanen könnten eine Bereicherung für Europa sein. Integration brauche Engagement aufseiten der Ankommenden und der Einheimischen, so der Kardinal. Nachsatz: "Wenn uns die Menschlichkeit verloren geht, dann sollen wir aufhören, über das Christsein zu sprechen."
Er habe jedenfalls auch keine Angst vor der wachsenden Zahl an Muslimen in Europa. Das Problem Europas sei nicht das Erstarken des Islam, sondern die Schwäche des Christentums, so Hollerich: "Und dafür sind nicht die Muslime zuständig, das liegt in unserer eigenen Verantwortung." In diese Kritik schließe er auch die Kirche mit ein, "weil wir scheinbar die Botschaft Christi nicht so verkünden, dass sie die Leute heute verstehen können".
Der Eisenstädter Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics lud am Donnerstag und Freitag gemeinsam mit der Caritas, den Pastoralen Diensten und dem Präsidium der Katholischen Aktion zum Martinsfest in den Eisenstädter Dom. Ehrengast war heuer Kardinal Hollerich. Er stand am Freitagvormittag gemeinsam mit Bischof Zsifkovics dem Festgottesdienst zum Martinsfest vor. Am Vorabend nahm Hollerich im Dom an einer byzantinischen Vesper statt, bei der um den Frieden in der Ukraine gebetet wurde.
Quelle: kathpress