Erste gemeinsame Bibel-Koran-Lesungen bei Papstbesuch
Auf außergewöhnliche Weise hat Papst Franziskus sein Reiseprogramm in Bahrain fortgesetzt. Am Freitagnachmittag traf er mit dem Ältestenrat der Muslime ("Muslim Council of Elders") vor der Moschee des Königspalastes in Awali zusammen. Erstmals bei einem Treffen von muslimischen Vertretern und einem Papst wurden dabei Texte aus der Bibel und dem Koran gemeinsam vorgetragen.
Papst Franziskus sprach sich zu diesem Anlass für eine intensivere Annäherung der Religionen aus. Insbesondere der Islam und das Christentum müssten gemeinsam daran arbeiten, Vorurteile und Missverständnisse aus der Vergangenheit zu überwinden. In einer vereinten und globalisierten Welt reiche es nicht mehr aus, sich auf die eigene Religion zu beschränken. "Wir müssen uns immer geeinter an die gesamte menschliche Gemeinschaft richten", so der Papst.
Dabei zitierte das Kirchenoberhaupt auch aus der Erklärung "Nostra aetate" des Zweiten Vatikanischen Konzils, Mit diesem über 50 Jahre alten Dokument öffnete sich die katholische Kirche dem Dialog mit den nichtchristlichen Religionen. Die Glaubensgemeinschaften müssten sich "aufrichtig um gegenseitiges Verstehen bemühen und gemeinsam eintreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit" sowie für "Frieden und Freiheit für alle Menschen", so Franziskus. Die "bescheidenen und wirksamen Waffen" der Religionen seien dabei das Gebet und die Geschwisterlichkeit.
Den Ältestenrat, ein internationales Gremium einflussreicher Islamgelehrter, lobte Franziskus für den Einsatz gegen Extremismus und Gewalt. Das überwiegend aus sunnitischen Gelehrten bestehende Komitee entstand 2014 vor dem Hintergrund schweren Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten und dem Terror durch die Miliz "Islamischer Staat" sowie anderer extremistische Gruppen in der islamischen Welt. Initiator und Leiter des Councils ist der Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universität, Ahmed al-Tayyeb.
Dieser ging, wie zuvor der im Vatikan für interreligiösen Dialog zuständige Kardinal Miguel Angel Ayuso Guixot, besonders auf den Klimawandel ein. Diese katastrophale Krise sei dadurch verursacht, dass der Mensch sich von den Beschränkungen der Religion und der Moral befreit habe, so der Großscheich.
Al-Tayyeb nahm bei den gegenwärtigen Krisen besonders den Westen in den Blick. Selbst in den konservativen Gesellschaften dort, gebe es heute "Abweichungen, wie die Verbreitung der Homosexualität und des dritten Geschlechts", all dies "unter dem Vorwand der 'Freiheit' und der 'Menschenrechte'". Diese Freiheit sei es aber, die Chaos, moralische Zerstörung und die Zerstörung der inneren Struktur des Menschen hervorbringe, so der Großscheich der Al-Azhar-Universität, der angesehensten Lehrstätte des sunnitischen Islam.
Weiter verurteilte al-Tayyeb die Zurückhaltung der großen Industrienationen bei der Finanzierung zur Bewältigung der Klimakrise. Er forderte alle Religionsvertreter auf, ihre Stimme zu erheben und die Verantwortlichen zum Handeln aufzurufen. Abschließend rief er dazu auf, den islamisch-christlichen interreligiösen Dialog fortzusetzen und ihn für alle Menschen zu öffnen.
Unmittelbar vor der Begegnung mit dem "Muslim Council of Elders" waren Papst Franziskus und Großimam al-Tayyeb in Bahrain zu einem privaten Gespräch zusammengekommen. Inhalte gab der Vatikan bislang nicht bekannt, jedoch das Geschenk des Kirchenoberhaupts an al-Tayyeb. So übergab Franziskus die Skulptur eines Olivenbaums an den Großscheich. Der Olivenbaum sei nicht nur ein Symbol für Frieden und Ehre, sondern gelte seit Jahrtausenden auch als Sinnbild für Spiritualität und Heiligkeit, hieß es in der Mitteilung.
Mit dem Moscheebesuch ist der interreligiösen Dialog, insbesondere dem Gespräch mit dem Islam, geprägte Teil des viertägigen Papstbesuchs in Bahrain weitestgehend abgeschlossen. Am Abend wird der Papst mit christlichen Vertretern - unter ihnen auch der Wiener Kardinal Christoph Schönborn - an einem ökumenischen Friedensgebet in der katholischen Kathedrale des Landes teilnehmen. Am Samstag folgt eine Messe im Nationalstadion sowie eine Begegnung mit Jugendlichen in einer katholischen Schule.
Quelle: kathpress