Schönborn: Allerheiligen ein "Fest gegen die Schwerkraft"
Als ein "Fest gegen die Schwerkraft" des Lebens hat Kardinal Christoph Schönborn Allerheiligen bezeichnet. Immer wieder werde das persönliche Leben mit einer Überwindung der Schwerkraft verglichen, sagte der Wiener Erzbischof am Dienstag beim Allerheiligen-Gottesdienst im Stephansdom. "Das Lernen in der Schule, das Berufsleben, die Gestaltung einer Beziehung: alles erfordert, sich nicht gehen zu lassen, der Bequemlichkeit nicht nachzugeben, den Emotionen nicht einfach freien Lauf zu lassen." Menschen, die das schaffen, würden zu Recht bewundert und seien ermutigende Vorbilder, so Schönborn. "Heute werden sie alle geehrt, die vielen Heiligen, die bekannt geworden sind, und die noch viel zahlreicheren, deren Namen vergessen sind, die aber im Himmel einen Platz unter den Heiligen haben."
"Heilige, das sind Menschen wie wir alle", betonte der Kardinal in seiner Predigt. Die Kirche wage die "verwegene" Ansicht, dass alle Menschen das Zeug dazu haben, Heilige zu werden, so Schönborn. "Sie sagt aber gleich dazu: Alleine und aus eigener Kraft ist das nicht zu schaffen. Ohne die Hilfe von oben ist der Zug nach unten nicht zu überwinden."
Die Seligpreisungen der Bergpredigt mit den acht Worten Jesu über die Wege zu einem geglückten Leben seien quasi eine "Charta für den Sieg über die Schwerkraft", führte der Kardinal weiter aus. Heilig werden habe mit Freude zu tun, und dennoch gebe es keine Heiligen, die ohne Prüfungen und Leid durchs Leben gegangen seien.
"Sie haben, wie wir alle, Kummer und Sorgen gekannt, darüber aber nicht die Not der anderen vergessen. Sie haben in sich den Hang zur Gewalt gespürt, aber ihn überwunden. Sie haben der Hartherzigkeit nicht nachgegeben; wo Streit war, haben sie Frieden und Gerechtigkeit gestiftet und dafür lieber selber Unecht erlitten, als es anderen zuzufügen", so der Kardinal: "Und sie haben dabei gewusst, dass sie das alles eben nicht nur aus ihrer eigenen Kraft schaffen. Sie haben der Schwerkraft nicht nachgegeben, die uns alle immer wieder nach unten zieht."
Die Allerheiligenmesse mit dem Wiener Kardinal wurde live von ORF III und radio klassik Stephansdom übertragen. Die Wiener Dommusik unter der Leitung von Domkapellmeister Markus Landerer gestaltete den Gottesdienst mit der "Missa in angustiis" von Joseph Haydn (1732-1809). Die "Messe in Bedrängnis", auch Nelson-Messe genannt, komponierte Haydn 1798 in der unsicheren Zeit der Franzosenkriege.
Das Hochfest Allerheiligen ist seit der Chorweihe des Domes 1365 zweites Patrozinium der Wiener Bischofskirche. Herzog Rudolf IV. verlegte damals das von ihm 1358 gegründete Kollegiatsstift in der Allerheiligenkapelle an der Hofburg als "Domkapitel" in die Stephanskirche.
Das Allerheiligenfest am 1. November steht theologisch in engem Bezug zu Ostern und der Auferstehung der Toten, da die Heiligen laut christlicher Überzeugung bereits in Gemeinschaft mit Gott stehen und die "Kirche des Himmels" bilden. Den Gläubigen soll das Gedenken Motivation sein, das eigene Leben intensiver im Sinne des Evangeliums zu leben und so einen Weg der "Heiligkeit" zu gehen.
Quelle: kathpress