Schönborn: Forschung an Verstorbenen dient Wohl der Lebenden
Forschung an Verstorbenen dient dem Wohl der Lebenden. Diese Überzeugung hat Kardinal Christoph Schönborn in seiner Freitagskolumne in der Gratiszeitung "Heute" betont. Darin machte der Wiener Erzbischof auf den jährlichen Gedenkgottesdienst für Menschen, die ihren Leichnam der medizinischen Forschung gewidmet haben, aufmerksam, der am Donnerstagabend in der Wiener Votivkirche stattgefunden hat. Medizin und Religion dienen beide dem "ganzen Menschen, Leib und Seele", so Schönborn. Die zahlreichen Teilnehmer am Gottesdienst hätten ihren Dank denjenigen gegenüber zum Ausdruck gebracht, die ihren Körper der Forschung spenden.
Er sei selbst überrascht gewesen, wie viele Menschen ihren Körper der Wissenschaft vermachten, so Schönborn. "An diesen Leichnamen lernen Studierende die Anatomie des Leibes, Wissenschaftler können neue Erkenntnisse über Krankheiten gewinnen." Es sei lange umstritten gewesen, ob Leichen seziert werden dürfen, es habe sich aber die Überzeugung durchgesetzt, dass es dem Wohl der Lebenden diene, wenn am Körper von Verstorbenen geforscht werden dürfe, so Schönborn.
Alleine an der MedUni Wien langten pro Jahr 1.000 solcher Körperspenden ein, berichtete die Tageszeitung "Kurier" am Freitag. Auf dem Wiener Zentralfriedhof gibt es zwei Anatomie-Gedenkstätten für die Menschen, die ihren Körper der Medizin gespendet haben. Alleine in den vergangenen zehn Jahren seien dort 11.109 Menschen beigesetzt worden. Ihre Asche werde dabei lose in die Grabanlage eingestreut. Die Verwandten sind bei der Einstreuung nicht dabei, denn meist passiere diese erst zwei bis drei Jahre nach dem Tod.
Umso wichtiger seien die jährlich stattfindenden Gedenkveranstaltungen, wie die in der Votivkirche. "Für viele ist es eine der wenigen Möglichkeiten, Abschied zu nehmen", betonte P. Simon De Keukelaere, katholischer Universitätsseelsorger, der dem ökumenischen Gottesdienst gemeinsam mit Katharina Payk, Pfarrerin der evangelischen Hochschulgemeinde, vorstand. Angehörige könnten nämlich nicht rückgängig machen, was ihre Verwandten über ihren Körper beschlossen haben.
Wolfgang Weninger, Leiter der Anatomischen Abteilung an der medizinischen Universität im 9. Bezirk, erklärte, dass es immer wieder vorkomme, dass Angehörige anrufen und darum bitten, den Körper freizugeben. "Für viele ist das nicht leicht", betonte er. "Aber die Menschen schließen einen Vertrag ab, um der Lehre zur Verfügung zu stehen, sie erhalten einen Körperspender-Ausweis, weil sie sich dazu entschließen", sagte er. Auflösen könne den Vertrag nur die Person selbst. Die Sektion an sich dauere ein Jahr. Egal, welche ärztliche Ausbildung man wähle, jeder müsse Hand anlegen. "Wir achten auf Pietät und ethische Korrektheit", sagt Weninger. Ansonsten müssten Studenten den Kurs wiederholen.
Quelle: kathpress