150 Jahre Friedrich Funder - Vom Scharfmacher zum geläuterten Visionär
Mit Friedrich Funder wurde aus einem "einstigen publizistischen Scharfmacher" ein "später geläuterter Visionär" und "Doyen der katholischen Publizistik". Zu diesem Urteil kommt der Historiker und Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs, Helmut Wohnout, in der aktuellen Ausgabe der "Furche". Anlass dafür ist der Geburtstag Funders am 1. November, der sich heuer zum 150. Mal jährt. Die von Funder 1945 gegründete "Furche" nimmt dieses Jubiläum zugleich zum Anlass, um alle Artikel der Wochenzeitung zurück bis zum ersten Erscheinen am 1. Dezember 1945 digital zugänglich zu machen.
Ausführlich geht Wohnout auf die Lebensstationen des katholischen Intellektuellen ein, der als Chefredakteur der "Reichspost" maßgeblichen innenpolitischen Einfluss in der Zwischenkriegszeit ausgeübt hat. Aus dem Vereinskatholizismus stammend - Funder war u.a. ein engagierter katholischer Coleurstudent - sei er zwar im Herbst 1918 noch für den Weiterbestand der Monarchie gewesen. "Als die Würfel am 11./12. November 1918 gefallen waren, verhielt sich Funder allerdings weitblickend. Er trat an Ignaz Seipel, den aufsteigenden Stern am Firmament des politischen Katholizismus, mit dem Ersuchen heran, den Katholiken einen Weg in die neue Zeit zu weisen", schreibt Wohnout. In der Folge sei von Seipel in der "Reichspost" eine Artikelserie erschienen, "die es auch den kaisertreuen Katholiken ermöglichte, den Übergang zur neuen Staatsform mitzutragen".
Publizist mit politischem Einfluss
Obwohl nie Mitglied der Christlichensozialen Partei, habe Funder "großen politischen Einfluss" gehabt, und sei bis in den Vatikan gut vernetzt gewesen, konstatiert Wohnout. Die "Zuspitzung der politischen Konflikte in Österreich" habe er in Kauf genommen und publizistisch daran auch mitgewirkt. Schließlich wurde Funder auch zu einem "engen Gefolgsmann von Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg". Dabei habe er auch die Auflösung der Christlichsozialen Partei akzeptiert. Im Oktober 1934 wurde Funder in die beiden wichtigsten der mit der Verfassung 1934 eingerichteten gesetzgebenden Organe berufen, den Staatsrat und den Bundestag.
Wohnout zu dieser wichtigen Phase im Leben Funders: "Trug die Verfassung schon an sich eine starke autoritäre Komponente, waren die Befugnisse der Körperschaften durch weitgehende Übergangsbestimmungen nochmals reduziert worden. Funder zählte zu jenen Abgeordneten, die bald mehr parlamentarische Kompetenzen einforderten, sollte die neue Gesetzgebung nicht zu einer Farce verkommen. Er glaubte an die Fiktion, auf der Basis der päpstlichen Soziallehre eine berufsständisch strukturierte Ordnung bilden zu können, genauso wie er für die Unabhängigkeit Österreichs kämpfte."
Prägende KZ-Erfahrung
Eine Konstante Funders war die strikte Ablehnung der Nationalsozialisten. "Auf den Fahndungslisten der Nationalsozialisten stand er ganz oben. Er wurde im März 1938 sofort verhaftet und kam ins KZ Dachau", so Wohnout. Nachdem Funder im November 1939 freigelassen wurde, blieb er aber "unter strenger Beobachtung" der Gestapo. Und: "Kardinal Innitzer verschaffte ihm einen unpolitischen Job als Mitarbeiter bei der kunsttopografischen Erfassung der Kirchen Österreichs und sicherte ihm so ein Auskommen."
Die Erfahrungen im KZ seien für Funder wie für andere prägend gewesen, hält der Historiker fest und schreibt: "Aus dem Protagonisten des politischen Kulturkampfes der Zwischenkriegszeit wurde ein abgeklärter Katholik. Verständnis für den politisch Andersdenkenden und Aussöhnung waren nunmehr seine Anliegen. Unter diesem Eindruck entstand die Bereitschaft, dogmatische Forderungen hintanzustellen und den Kompromiss zu einem Grundprinzip der Politik zu erheben."
"Furche"-Gründung
Ausdruck dieser Haltung sei die Entscheidung Funders gewesen, "anstelle eines weltanschaulichen Leitmediums ein neues, gänzlich innovatives publizistisches Projekt aus der Taufe zu heben: 'Die Furche'. Katholisch, aber nicht mehr parteipolitisch gebunden, auch kein Organ der Kirche, Neuem aufgeschlossen und offen für den Dialog mit anderen Weltanschauungen." Die erste Ausgabe der neuen "kulturpolitischen Wochenschrift" erschien am 1. Dezember 1945. Mit der "Furche" sei Funder mit zu einem "Baumeister am geistigen Fundament der Zweiten Republik" geworden. "Kirchlich nahm er dort manches von dem vorweg, was später im Mariazeller Manifest und im Zweiten Vatikanum seinen Ausdruck fand", so der Generaldirektor des Staatsarchivs. Funder, geboren am 1. November 1872, verstarb am 19. Mai 1959.
Anlässlich des runden Geburtstags ihres Gründers macht die "Furche" jetzt ihr gesamtes Artikelarchiv digital zugänglich. Es seien "Zeitreisen bis zum Anfang", wie "Furche"-Chefredakteurin Doris Helmberger-Fleckl in der aktuellen Ausgabe schreibt.
Konkret bedeutet das, dass ab 1. November alle Texte zurück bis 1945 für die Leserinnen und Leser mit Digital-Zugang verfügbar sind. Insgesamt stehen somit mehr als 175.000 Beiträge zur Verfügung. Statt einer bloßen Schlagwortsuche stelle man mittels "Furche-Navigator" inhaltliche Verbindungen her und ermögliche damit, neue Zusammenhänge zu entdecken. Helmberger-Fleckl dazu: "Man muss nur auf furche.at einen Online-Artikel aufrufen und findet am Ende eine Zeitleiste mit weiteren Beiträgen zum Thema. Ein einzigartiges Projekt im deutschsprachigen Raum."
Quelle: kathpress