Wien: Theologin plädiert für mehr Genderforschung in der Theologie
Mit einem Plädoyer für mehr Genderforschung in der Theologie ist am Montagabend der "Dies facultatis" der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien zu Ende gegangen. Den Festvortrag hielt dabei die jüngst emeritierte Grazer Alttestamentlerin Prof. Irmtraud Fischer. Fischer zeigte unter anderem anhand von Übersetzungs-Beispielen aus dem Alten Testament auf, wie stark das katholische Geschlechterverständnis bis heute zweigeschlechtlich verkürzt sei und zudem Machtverhältnisse zementierend wirke. Es verwundere daher auch nicht, dass der Vatikan die Menschenrechtsdeklaration nicht signiert oder ratifiziert habe, und dass das katholische Geschlechterverständnis bis heute ein "Fremdkörper in westlichen Demokratien" darstelle.
In einem Überblick zur Entwicklung der Genderforschung zeigte Fischer zunächst auf, wie sich diese von ersten Ansätzen der Frauenforschung, bei denen es noch nicht um heutige Fragen der Geschlechterkonstruktion ging, über die feministische Forschung im Kielwasser der 68er-Bewegung und dem Ringen um Gleichstellung bis hin zur heutigen Genderforschung mit ihren Reflexionen auf die Kategorie Geschlecht und Fragen von Macht und Ohnmacht entwickelt hat. Der kirchenamtliche Umgang mit diesen Fragen hingegen erschöpfe sich meist in einer "von zölibatären Klerikern bestimmten Rede von der Würde der Frau", einem "essentialistischen Verständnis von Zweigeschlechtlichkeit" und der "Normativität von hierarchisch gelebter Heterosexualität". Skeptisch zeigte sich Fischer in dem Zusammenhang, dass dies sich unter Papst Franziskus ändern werde.
Anhand verschiedener Übersetzungs-Beispiele aus dem Alten Testament zeigte Fischer weiters auf, dass maskuline Formen nicht automatisch eine Fixierung auf das männliche Geschlecht darstellen. Der Gottesnamen JHWH etwa werde grammatikalisch männlich gesehen, obwohl das Bilderverbot (Dtn 4,16) "allen voran das nur-männliche Bild verbietet", so Fischer. Auch eine heute übliche Übersetzung mit "Herr" greife insofern zu kurz, als damit heute keine Herrschaftsfunktion mehr verstanden werde, sondern eine geschlechtliche Aussage - die aber sei biblisch gerade nicht intendiert.
Dank an Vorgänger Pock
Begrüßt wurden die zahlreichen Gäste und Studierende von der neuen Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät, Prof. Andrea Lehner-Hartmann. Sie bezeichnete das Thema Genderforschung und die damit verbundenen Fragen als "möglicherweise eine der zentralsten Fragen, die mit darüber entscheiden, ob Kirche eine Zukunft hat oder nicht".
Lehner-Hartmann dankte weiters ihrem Vorgänger, Prof. Hans Pock, für seine umsichtige Dekanats-Führung in den vergangenen, schwierigen Jahren und bot zudem einen Rückblick u.a. auf von der Fakultät getragene Solidaritäts-Initiativen für ukrainische Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. "Es ist unsere Pflicht, beständig an das Leid der Menschen zu erinnern. Dazu gehört auch, die Rolle der Kirchen und Religionen in ihren kriegstreibenden und ihren friedenstiftenden Ausprägungen offen zu benennen", so Lehner-Hartmann.
Schnabl: Fakultäten sind gefordert
Vorausgegangen waren dem Vortrag einleitende Worte der Wiener Vizerektorin und Theologin Prof. Christa Schnabl, in denen sie die besonderen Herausforderungen für die Universitäten gegenwärtig skizzierte. Unter dem Eindruck der drei "Hauptkrisen" - Klimakrise, Corona-Pandemie und Krieg - habe sich auch die "Großwetterlage" für die Unis verändert. Die Studierendenzahlen insgesamt seien deutlich rückläufig, es herrschten Verunsicherung bei Studierenden wie auch beim wissenschaftlichen Personal im Blick auf die Zukunft.
Dem müssten Universitäten heute entgegnen: "Denn es kann uns nicht egal sein, wie es unseren Studierenden geht", so Schnabl. Für die Fakultäten bedeute dies: "Nachdenken und sichtbar machen, was das Studium attraktiv macht". Die Katholisch-Theologische Fakultät sei diesbezüglich schon seit einigen Jahren auf einem guten Weg, verwies Schnabl etwa auf neue Studiengänge wie den Bachelor in Orthodoxer Religionspädagogik oder den Bachelor Altkatholisch-Religionspädagogische Studien. "Vermutlich werden wir aber noch viel weitgehendere Initiativen setzen müssen, um auf die Interessen der jungen Menschen heute zu reagieren", so Schnabl.
Vergeben wurden im Rahmen des Festaktes außerdem die fakultären Preise für herausragende wissenschaftliche Abschlussarbeiten und Dissertationen.
Wert der Einheit in Vielfalt
Eröffnet wurde der "Dies facultatis" am Montagnachmittag traditionell mit einem Gottesdienst in der Wiener Schottenkirche. Dabei unterstrich der Wiener Kirchen- und Religionsrechtler, Prof. Andreas Kowatsch, in seiner Predigt den Wert der Einheit in Vielfalt. So gefährlich Einheitlichkeit sich im Politischen darstelle, so wichtig bleibe es, sich immer wieder Momente der Einheit im Glauben vor Augen zu führen. Dabei dürfe Einheit jedoch auch theologisch und kirchlich nicht "uniformistisch" missverstanden werden. (Infos https://ktf.univie.ac.at)
Quelle: kathpress