"Mechaye Hametim": Christen gedenken der Novemberpogrome 1938
Zum Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Novemberpogrome des Jahres 1938 gegen die jüdische Bevölkerung in Wien veranstalten auch heuer wieder mehrere christliche und jüdische Organisationen gemeinsam die "Bedenktage"-Reihe "Mechaye Hametim - Der die Toten auferweckt". In Erinnerung an die Ereignisse am 9./10. November vor 84 Jahren finden von 23. Oktober bis 12. November zahlreiche Veranstaltungen statt. Im Zentrum steht ein ökumenischer Gottesdienst in der Wiener Ruprechtskirche am 9. November um 19 Uhr, an dem der lutherische Superintendent Matthias Geist vor hochrangigen Vertretern der katholischen und orthodoxen Kirche Worte des Gedenkens spricht. Anschließend ist ein Schweigegang zum Mahnmal für die jüdischen Opfer der Shoa auf dem Judenplatz vorgesehen.
In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 wurden im gesamten deutschen Machtbereich Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte sowie Wohnungen zerstört und verwüstet. Zahlreiche Juden wurden bei den Pogromen getötet oder verletzt. Allein in Wien wurden im Zuge des Nazi-Furors insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört. 6.547 Wiener Juden kamen in Haft, knapp unter 4.000 davon wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt.
Exkursion in Bucklige Welt
Der Veranstaltungsreigen zu diesem Anlass beginnt am Sonntag, 23. Oktober, mit einer Exkursion, die ausgehend von Wien "Jüdisches Leben in der Buckligen Welt" beleuchtet.
Kulturelles unterschiedlicher Gattungen steht an drei Abenden vor dem zentralen ökumenischen Gottesdienst im Mittelpunkt: Am Montag, 24. Oktober, ist um 19 Uhr im Wiener Otto-Mauer-Zentrum das Ein-Personen-Stück.
"Ein ganz gewöhnlicher Jude" des Schweizer Schriftstellers Charles Lewinsky zu sehen, Darsteller ist Schauspieler Jörg Stelling. Die Einführung dazu gibt mit Prof. Martin Jäggle der Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit.
Ein "verstörendes Filmporträt über den mörderischen Biedermann" und Kriegsverbrecher Heinrich Himmler ist am Montag, 7. November, um 19.30 Uhr im Wiener Votivkino (Währinger Straße 12) angekündigt: Über den israelischen Dokumentarfilm "Der Anständige" (2014) sprechen die Religionsjournalisten Otto Friedrich und Christian Rathner.
Am Tag vor der Pogromnacht (Dienstag, 8. November, 19 Uhr) präsentiert der Grazer Rechtsphilosoph Anton Grabner-Haider im Otto-Mauer-Zentrum das von ihm mitherausgebene Buch "Denken im Widerstand. Gegen Fake News und neue Ideologien", das gegen den neuen Antisemitismus Stellung bezieht.
Blick auf christlichen Antijudaismus
Zwei weitere Veranstaltungen nehmen sich kritisch des christlichen Antijudaismus an: "Neu auf das Judentum blicken" - dazu lädt ein Gottesdienst in der Ruprechtskirche am 5. November um 17 Uhr ein. Das Augenmerk gilt dabei dem Evangelisten Lukas, in dessen Texten sich "eine ambivalente Sicht aufs Judentum" finde, wie es in der Ankündigung heißt. Wie eine christliche Gemeinde dies heute lesen, hören und verstehen kann, ist die Leitfrage der Gemeinde St. Ruprecht.
Am 10. November (19 Uhr) stellt der Theologe Oliver Achilles Untersuchungen zum biblischen Vorwurf an, Israel habe "die Propheten getötet", der im Zusammenhang mit der Kreuzigung Jesu erhoben wird. Schauplatz dieser Überprüfung sind Räumlichkeiten der Theologischen Kurse am Wiener Stephansplatz 3.
Ein "Gedenkspaziergang" am Samstag, 12. November, ab 11 Uhr von Rudolfsheim über den Westbahnhof bis nach Mariahilf setzt den Schlusspunkt der diesjährigen "Mechaye Hametim"-Reihe in Wien. Besucht werden unter der Leitung von Matej Perc, Bildungsreferent im Albert-Schweitzer-Haus, "bedeutungsträchtige Denkmäler, Steine der Erinnerung sowie des Gedenkens und Stätten ehemaliger Tempel".
Gemeinsam getragen wird die Veranstaltungsreihe von der Gemeinde St. Ruprecht, dem Albert-Schweitzer-Haus, der Evangelischen Hochschulgemeinde Wien, der Wochenzeitung "Die Furche", dem "Katholischen Akademiker/innenverband" Wien, der Katholischen Aktion Österreich, der Katholischen Hochschuljugend Wien, dem Koordinierungsausschuss für christl.-jüd. Zusammenarbeit und den Theologischen Kursen. (Info: www.ruprechtskirche.at)
Quelle: kathpress