Missionsärztin Schiffer: Aktuelle Krisen werfen Äthiopien zurück
Die aktuellen Krisen - der Ukraine-Krieg, Inflation und Klimawandel, aber besonders auch der Bürgerkrieg in der Krisenregion Tigray - werfen Äthiopien und seine Bevölkerung zurück. Das hat die deutsche Missionsschwester und Ärztin, Sr. Rita Schiffer am Donnerstag im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress berichtet. Schiffer lebt seit 25 Jahren in dem ostafrikanischen Land und leitet das katholische Attat-Krankenhaus in der Region Gurageland 175 Kilometer südwestlich von der Hauptstadt Addis Abeba. In ihrer Zeit in Äthiopien habe sich in dem Land vieles zum Positiven entwickelt, doch das sei nun vorerst einmal vorbei, berichtete die Medizinerin aus dem Orden der Missionsärztlichen Schwestern.
Das Attat-Krankenhaus, das 1969 von der österreichischen Ärztin und Gründerin der Missionsärztlichen Schwestern, Sr. Anna Dengel, selbst gegründet wurde, ist das Einzige in der Region und bietet medizinische Versorgung für mehr als eine Million Menschen an. In ihrer Einrichtung sei die schwierige Weltsituation spürbar, berichtete Schiffer. So sei es aktuell die größte Herausforderung, an medizinisches Material und Medikamente heranzukommen.
Die Missionsschwester befindet sich derzeit auf Einladung des Vereins "Freunde Anna Dengel" und der Hilfsorganisation "Jugend Eine Welt" in Österreich. Beide unterstützen das Krankenhaus, das sich etwa zu 50 Prozent durch europäische Spenden finanziert. Im Anschluss an den Österreich-Besuch reist Schiffer weiter nach Berlin, wo sie eine der Nominierten für den Else-Kröner-Fresenius-Preis für Medizinische Entwicklungszusammenarbeit ist. Der mit 100.000 Euro dotierte Preis würdigt Projekte weltweit, die auf herausragende Art und Weise der Verbesserung der Gesundheitsversorgung dienen.
Auch in Äthiopien gebe es derzeit eine starke Inflation. "Das Leben ist doppelt so teuer geworden, gleichzeitig können wir nicht die Gehälter für unsere 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach verdoppeln", schildert Schiffer die Problematik. Das Krankenhaus sei aber auch ein wichtiger Sozialfaktor in der Region, schaffe neben der medizinischen Basisversorgung Arbeitsplätze und ermögliche Bildung. Man sei kein Universitätskrankenhaus, sondern eine einfache Einrichtung. Das komme auch den Auszubildenden zugute. Denn "sie werden bei uns auf einen Zustand vorbereitet, den sie auch später im staatlichen Gesundheitssystem vorfinden werden", so Schiffer.
Der Klimawandel treffe das Land mit 115 Millionen Einwohnern ganz unterschiedlich. Während es in ihrer Region zum Teil gar nicht mehr aufhöre zu regnen und viele Straßen völlig verschlammt und unpassierbar seien, sei es in den Regionen im Norden hingegen viel zu heiß. Aufgrund vertrocknender Ernten drohe dort eine Hungersnot, berichtete Sr. Schiffer.
"Land grabbing" ist Realität
Der chinesische Einfluss auf das Land ist für die Missionsschwester eine Medaille mit zwei Seiten. Zwar sei nicht von der Hand zu weisen, wie sehr sich das Land in den 25 Jahren etwa im Bereich Infrastruktur gewandelt habe. Auf der anderen Seite sei "Land grabbing", also die Aneignung von Land und Agrarflächen durch ausländische Unternehmer, eine Realität. Bis die Regierung den Krieg im Tigray begonnen habe, habe sie "viel angepackt", jetzt würde Äthiopien wieder auf den Status eines Landes, das auf ausländische Hilfe angewiesen ist, zurückgeworfen.
Religiöse Spannungen zwischen Christen und Muslimen beobachtet Sr. Schiffer in ihrer Region, die mit 85 Prozent mehrheitlich muslimisch ist, nicht. Grundsätzlich werden im Attat-Krankenhaus Patienten aller Religionen behandelt und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zum großen Teil muslimisch, berichtete die Ordensfrau. Zur Anfangszeit sei das katholische Krankenhaus von den Einheimischen skeptisch beäugt worden, heute gebe es auf dem Gelände des Krankenhauses eine Kirche und gegenüber auf der anderen Straßenseite eine Moschee. "Manche unserer Mitarbeiter kommen in die Messe, andere gehen in die Moschee und manche gehen in beides", so die Missionsärztin. (Infos: www.freundeannadengel.at und www.jugendeinewelt.at)
Quelle: kathpress