Graz: Debatte über Für und Wider bedingungsloses Grundeinkommen
Aktuelle Krisen, Unsicherheiten und Ängste waren für die "Katholische ArbeitnehmerInnenbewegung" (KAB) Steiermark Anlass, Fachleute aus Wirtschaft, Sozialpartnerschaft und Kirche zu einer kirchlicherseits immer wieder angestoßenen Diskussion über ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) einzuladen. KAB-Vorsitzender Martin Hochegger wies dabei als Moderator - und in seiner Aussendung am Mittwoch - einerseits auf die Sympathien von Papst Franziskus auf diese Art der Existenzsicherung hin, andererseits auf deren Ablehnung durch alle österreichischen Parlamentsparteien trotz der 160.000 BGE-Befürwortenden beim Volksbegehren im heurigen Mai.
Eine der Grundeinkommens-Befürworterinnen ist Anna Wall-Strasser, Vorsitzende der KAB Österreich. In ihrem Eingangsstatement bezeichnete sie das BGE als eine Maßnahme, um alle Erwachsenen aus bestimmten Zwängen im Arbeitsleben zu befreien und ihnen Lust auf sinnstiftende Arbeit zu machen. Es wäre auch eine zielgerichtete Maßnahme, um ein besseres Verhältnis zwischen Erwerbsarbeit und derzeit unbezahlter Sorgearbeit zu erreichen. Jeder Mensch, der in Österreich lebt, habe ein Recht auf eine bedingungslose bedarfsorientierte Unterstützung, sagte Wall-Strasser.
Mit dem BGE könnte ein wesentlicher Schritt in Richtung Gleichstellung zwischen Männern und Frauen erreicht werden, ergänzte Melina Klaus vom "Netzwerk Grundeinkommen". Auch sie plädierte dafür, Menschen aus diversen Abhängigkeiten zu befreien und gleichzeitig Sicherheit zu geben - entsprechend einem Menschenbild, das allen Mitgliedern einer Gesellschaft Würde und das Recht auf Existenzsicherung zugesteht. Gerade um der sich ausbreitenden Kinderarmut entgegenzuwirken, wäre ein Grundeinkommen wichtig.
Klaus informierte über einen aktuell in Katalonien angelaufenen Modellversuch; mittlerweile gebe es in mehr als 70 Ländern entsprechende Initiativen und Vereine.
Auch Skepsis und Ablehnung
Skeptisch zeigten sich Werner Anzenberger von der Arbeiterkammer Steiermark und Nikolaus Dimmel, Sozialrechtsexperte an der Universität Salzburg - auch wenn beide verstärkte Maßnahmen gegen die Kinderarmut als notwendig erachteten. Anzenberger zweifelte die Finanzierbarkeit eines Bedingungslosen Grundeinkommens an. Es seien damit enorme zusätzliche Kosten verbunden, weshalb man seitens der Arbeiterkammer befürchte, dass damit eher ein Sozialabbau statt ein engmaschiges soziales Netz einherginge.
Nikolaus Dimmel kritisierte in seiner Wortmeldung die Marktgläubigkeit und das kapitalistische Wirtschaftsmodell grundsätzlich. Mit der BGE-Einführung allein könne das ausbeuterische System gegenüber Mensch und Natur nicht überwunden werden. Gerade die Vorkommnisse rund um die Pandemie und die jetzige Energiekrise hätten gezeigt, dass der Markt mit der Regulierung existenzieller Bereiche überfordert sei. Es müsse viel stärke die Verteilungs- und Eigentumsfrage gestellt werden, betonte der Sozialrechtsexperte. Notwendig sei die Einführung von Mindestlöhnen, eine Arbeitszeitverkürzung, mehr Arbeitslosengeld und eine Neubewertung der Care-Arbeit.
Strikt gegen ein Bedingungsloses Grundeinkommen sprach sich Eric Kirschner, Ökonom und Studienautor von Joanneum Research, aus - nicht nur wegen ungelöster Finanzierungsfragen. Jeder und jede müsse für die Gesellschaft eine Leistung erbringen. Die Idee eines Grundeinkommens habe Charme, sei aber naiv, da sie wohl von vielen Menschen ausgenützt werden würde - Stichwort "Sozialschmarotzer".
Die von der KAB Steiermark gemeinsam mit dem diözesanen Fonds für Arbeit und Bildung veranstaltete Diskussion fand vergangene Woche im Franziskanerkloster in Graz statt. (Info: https://kab.graz-seckau.at)
Quelle: kathpress