Vielstimmige NGO-Forderung nach mehr Geld für Entwicklungshilfe
Der Welternährungstag (16. Oktober) bzw. budgetäre Weichenstellungen der Bundesregierung sind für viele in der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) tätige NGOs Anlass für entwicklungspolitische Forderungen. Zu Wort meldeten sich am Montag die Caritas Österreich, "Jugend Eine Welt", die evangelische Diakonie und der Dachverband "Arbeitsgemeinschaft Globale Verantwortung".
Auf dramatische Zahlen über hungernde Menschen und auf "vergessene Krisen im Nahen Osten" wies die Caritas in ihrer Aussendung hin. Insgesamt sei mit 828 Millionen jeder zehnte Mensch weltweit von Hunger betroffen. Diesen "alarmierenden Trend" - aktuell würden um ein Fünftel mehr Menschen hungern als noch 2019 - erklärte Caritas-Auslandshilfe-Chef Andreas Knapp mit dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren wie Klimakrise, Covid-19 Pandemie, Ukraine-Krieg und lokalen Konflikten.
So habe der Bürgerkrieg in Syrien, die damit einhergehende Wirtschaftskrise sowie Wetterextreme zwölf Millionen Menschen in den Hunger getrieben. Steigende Inflation und fehlende Lebensmittellieferungen aus der Ukraine verschärften die Situation weiter und führten dazu, dass neun von zehn Syrerinnen und Syrern unter der Armutsgrenze leben.
Dementsprechend müsse der Entwicklungshilfe ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. Konkrete Hilfestellungen bräuchten vor allem Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Krisengebieten, die durch diversifizierten Anbau, an die Klimaveränderung angepasstes Saatgut und besserer Vermarktung ihrer Produkte den Zugang zu Nahrung sichern könnten. Diese längerfristige Entwicklungszusammenarbeit könne soziale, wirtschaftliche und ökologische Bedingungen verbessern, sagte Knapp. Mit Bargeldhilfen - etwa in Syrien - würden Familien dabei unterstützt, ihre Grundbedürfnisse decken zu können und lokale Märkte zu stärken. Wichtig seien auch Bildungsprojekte, wobei Kindern nicht nur Schulmaterialien, sondern auch gesundes Essen und psychosoziale Unterstützung geboten werde. "Die Menschen im Nahen Osten verlieren angesichts der sich gegenseitig anheizenden Krisen zunehmend die Hoffnung. Durch unsere Unterstützung zeigen wir, dass wir sie nicht vergessen. Diese Hilfe braucht aber ausreichend Ressourcen", betonte Knapp.
Knapp begrüßte zwar, dass der Auslandskatastrophenfond im Jahr 2022 als Reaktion auf den Ukraine-Krieg einmalig erhöht wurde. Trotzdem könne Österreich auch strukturell mehr zu Verbesserungen im Kampf gegen Armut und Hunger beitragen. "Bei derzeit 0,31 Prozent des Bruttonationaleinkommens, die Österreich in die Entwicklungszusammenarbeit investiert, ist in Richtung des international vereinbarten Ziels von 0,7 Prozent durchaus noch Luft nach oben", hielt Knapp fest. Seine Überzeugung: Österreich würde von Investitionen in Entwicklungszusammenarbeit auch selbst durch mehr Stabilität und Sicherheit profitieren würde.
Regierungsprogramm umsetzen
Das unter dem Leitgedanken "Bildung überwindet Armut" agierende Hilfswerk "Jugend Eine Welt" hält die substanzielle Erhöhung von staatlichen Entwicklungshilfeleistungen ebenfalls für dringend geboten. Geschäftsführer Reinhard Heiserer erinnerte im Blick auf die Budgetrede von Finanzminister Magnus Brunner (12. Oktober) an das Bekenntnis im Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen, die Mittel in Richtung des international vereinbarten Ziels aufzustocken, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für EZA zu reservieren.
Die dramatischen Auswirkungen des Klimawandels sind laut Heiserer augenscheinlich, Hungersnöte und kriegerische Konflikte, zum Beispiel in Äthiopien, dazu die steigende Armut vor allem im Globalen Süden und die Folgen der Corona-Pandemie - all diese multiplen Krisen würden sich gegenseitig verstärken und hätten vor allem auf jetzt schon armutsbetroffene Menschen dramatische Auswirkungen. Nur mit einer angemessenen Erhöhung der EZA-Gelder sei es möglich, "multiplen Krisen frühzeitig entgegenzusteuern", so Heiserer. "Jeder Mensch hat schließlich ein Recht auf ein Leben in Würde." (Info: www.jugendeinewelt.at)
Bald eine Milliarde Menschen "extrem arm"
Ins selbe Horn stieß auch die Diakonie in ihrer gemeinsamen Aussendung mit der Hilfsorganisation "Brot für die Welt" zum Welternährungstag: Multiple Krisen würden den weltweiten Hunger vervielfachen. "Regionale Konflikte und Kriege, die Auswirkungen auf die ganze Welt haben, dazu die Klimakrise, die COVID-Pandemie sowie die steigende Armut betreffen die Ärmsten der Armen am meisten", hieß es. Aktuell seien 300 Mio. Menschen von humanitärer Hilfe abhängig - so viele wie nie zuvor. Und noch nie hätten so viele Menschen weltweit in "extremer Armut" gelebt - bald eine Milliarde, wie Diakonie und "Brot für die Welt" hinwiesen. Vorbeugung wie auch schnelle Nothilfe seien heute "extrem wichtig", betonte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser.
Österreich habe 2022 den Auslandskatastrophenfonds erhöht - eine angesichts des Ukraine-Krieges und der andauernden Krisen im "Südens" besonders wichtige Maßnahme. "Nothilfe allein wird aber nicht ausreichen. Zusätzlich zum Feuerlöschen braucht es in Krisenzeiten auch mehr Investitionen in dringend benötigte Entwicklungszusammenarbeit", ist Moser überzeugt. Die Bundesregierung sollte das in ihrem Budget für 2023 berücksichtigen. (Info: www.diakonie.at/hungersnot)
Klimakrise schädigt Landwirtschaft massiv
Mit Blick auf die Welttage gegen Hunger (16.10.) und für die Beseitigung der Armut (17.10.) sowie auf das Bundesbudget 2023 erinnerte auch die AG Globale Verantwortung an Österreichs internationale Verantwortung. Geschäftsführerin Annelies Vilim wies darauf hin, dass ein Drittel der Weltbevölkerung aktuell von der Landwirtschaft lebe. Infolge der Klimakrise würden abwechselnde Dürren und Überschwemmungen Ernten zerstören. "Bei einer Erderhitzung von 2 Grad Celsius könnten Ernteausfälle weitere 189 Mio. Menschen in den Hunger treiben, bei 4 Grad sogar 1,8 Mrd." Und der Ukrainekrieg lasse in Ländern wie Äthiopien, "wo ausbleibende Regenzeiten die schlimmste Dürre seit 40 Jahren verursacht haben", die Lebensmittelpreise "explodieren".
"Investitionen in EZA zahlen sich aus, denn sie wirkt dreifach", argumentierte die NGO-Plattform, der u.a. die kirchlichen Organisationen Caritas, Diakonie, Dreikönigsaktion und Concordia, "Horizont3000", "Jugend Eine Welt" und die Katholische Frauenbewegung sowie zahlreiche diözesane Welthäuser angehören: Sie könnten multiplen Krisen vorbeugen, sie eindämmen und sie bewältigen - beispielsweise, indem EZA nachhaltige Nahrungsmittelproduktion fördere.
Quelle: kathpress