Zulehner: Demokratische Spielregeln für Kirche unerlässlich
Die Kirche ist zwar keine Demokratie, sie kann und muss sich künftig aber sehr wohl bei den Abläufen im Gottesvolk demokratischer Spielregeln bedienen. Davon zeigte sich der Pastoraltheologe Prof. Paul Zulehner Mittwochnachmittag bei einem Vortrag bei den Theologischen Kursen in Wien überzeugt. Ein solches Implementieren von demokratischen Erfahrungen in kirchliche Abläufe sei zumindest in Nordamerika und in Europa dringend nötig.
Die Menschen in diesen Bereichen der Weltkirche seien Demokratie-erfahren. In ihrer Kirchengemeinde, ihrer Diözese und in der Weltkirche würden sie hingegen eine andere Partizipationskultur erleben. Das erzeuge bei vielen Kirchenmitgliedern Unverständnis. Noch mehr: Sie würden eine Art "kulturelles Martyrium" erleben, befand Prof. Zulehner: "Das undemokratische Verhalten von Amtsträgern, durch welches sie sich nicht ernst genommen fühlen, entfremdet sie von ihrer Kirche. Jene, die nicht leiden wollen, ziehen sich zurück." Andere hofften, "dass ihre Kirche sehr wohl "Demokratie kann" und jetzt im Rahmen des Synodalen Prozesses der Weltkirche ihr kulturelles Martyrium beendet wird.
Synodale Prozess setzt Konzil fort
Der Synodale Prozess der Weltkirche sei für Franziskus der Versuch, die vom Konzil begonnenen Reformen des Konzils endlich zügig voranzubringen, so Zulehner. Auf diesem Weg stelle sich in den "modernen Gesellschaften" Europas an die Kirche die dringliche Frage: "Wie hältst Du es mit der Demokratie und deren Ideale, also Gewaltenteilung, Partizipation, Menschenrechte, Überwindung ererbter Entdikriminierungen?"
Zwar mahne der Papst mit Blick auf den Synodalen Prozess, dass dieser nicht mit Parlamentarismus zu verwechseln sei. Es gehe nicht um die Bildung von Parteien, um Lobbyarbeit und Kampfabstimmungen, "sondern vor allem um das Suchen nach dem Auftrag für die Kirche in der Welt von heute. Synodaler Weg ist Hinhorchen auf das, was der Geist heute den Gemeinden sagt." Dieses Hinhorchen in einer Weltkirche müsse aber in verlässlicher und geordneter Weise geschehen und hier könne die Kirche "von den gereiften Erfahrungen von Demokratien" lernen, wie der Theologe betonte.
Demokratische Abläufe nichts Neues
Demokratische Abläufe sind für die Kirche laut Zulehner auch nichts Neues: "Päpste werden gewählt. Auf Konzilien werden Beschlusstexte abgestimmt, zwar nicht über die Wahrheit, aber über die Wahrheitsfindung. Und in Ordensgemeinschaften ist es undenkbar, dass die Leitung nicht gewählt wird."
Der Pastoraltheologe machte für die Zukunft der Kirche auch einige konkrete Vorschläge. Es dürfe bei synodalen Prozessen keine thematischen Vorgaben vonseiten der Leitung geben. Alles, was die Kirchenmitglieder bewegt, könne auf dem synodalen Beratungstisch gelangen, so Zulehner: "Alle hören auf den Geist und tragen dazu bei, auszukundschaften, auf welche Weise die Herausforderungen der Zeit optimal gemeistert werden können. All dies machen die repräsentativen Vertretenden des Kirchenvolks zusammen mit den Ordinierten."
Einmütige Stellungnahmen der Versammlung könne die amtliche Leitung unverändert in Kraft setzen. Wenn es aber keine Einigung im synodalen Beratungsorgan gibt, "dann sucht das Amt die Geister zu unterscheiden und vorläufig eine Entscheidung zu treffen". Diese könne neuerlich der Synodenversammlung zur Zweitberatung vorgelegt werden. Schließlich entscheide der letztverantwortliche Amtsträger.
Ähnliche demokratische Erfahrungen ließen sich auch bei der Bestellung von Leitungspersonen übernehmen. Geht es um die Ernennung eines Bischofs, könnte der Papst aus einem Vorschlag wählen. "Folgt er nicht dem Vorschlag, begründet er dies und gibt auch dem Wahlgremium die Möglichkeit einer neuerlichen Stellungnahme. Kann man sich dann nicht einigen, kann immer noch eine neue Liste erstellt werden." Nicht zuletzt könnte auch die Papstwahl neu geordnet werden - mit gewählten Vertretern der Ortskirche, die sich zur Wahl eines neuen Bischofs von Rom versammeln.
Quelle: kathpress