60 Jahre Konzilseröffnung: Historikerin würdigt Beitrag Krätzls
60 Jahre ist die Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils bereits her, mit dem emeritierten Wiener Weihbischof Helmut Krätzl gibt es jedoch in Österreich einen noch lebenden maßgeblichen Zeitzeugen: Daran hat die Historikerin und Publizistin Ingeborg Schödl in einem Gastbeitrag für die Linzer Kirchenzeitung (Ausgabe 5. Oktober) erinnert. Die Versammlungen und Wortmeldungen in der Konzilsaula, jedoch auch die Begegnungen mit den Theologen, die die Bischöfe als Berater begleiteten, hätten den damals als Stenograph tätigen jungen Priester für sein ganzes Leben geprägt. "So gewann er einen sehr persönlichen Zugang und setzte sich seither für die Verwirklichung des neuen Kirchenbildes ein", so die Autorin über den heute bald 91-jährigen Bischof.
Seine Teilnahme an der folgenreichsten Bischofsversammlung des 20. Jahrhunderts verdanke Krätzl einem schweren Autounfall, berichtete Schödl. Im Februar 1960 war der damalige Zeremoniär von Kardinal Franz König (1905-2004) gemeinsam mit seinem Chef am Weg nach Zagreb zum Begräbnis von Kardinal Alois Stepinac (1898-1960) bei einem Überholmanöver bei Varazdin in einen entgegenkommenden LKW gekracht. Der Chauffeur war sofort tot, König und Krätzl wurden schwer verletzt, letzterer mit zwei gebrochenen Beinen, was ihm einen monatelangen Spitalsaufenthalt und eine Gehbehinderung noch über lange Zeit bescherte.
Dem Vorschlag Kardinal Königs, Krätzl solle seine Rekonvaleszenz für ein Kirchenrechts-Studium in Rom nutzen, sei dieser im Herbst 1960 mehr aus Gehorsam statt mit Begeisterung nachgekommen, schrieb Schödl. Der damals 29-Jährige hatte im Jahr davor an der Universität Wien bereits das Doktorat der Theologie erworben und spürte keinen Wunsch nach einem Zweitstudium. In der "ewigen Stadt", wo gerade die Vorbereitungen für das Konzil liefen, fand sich Krätzl in seiner Unterkunft, dem Priesterkolleg Anima, jedoch plötzlich am Tisch mit den deutschsprachigen Konzilsvätern wieder. Deren Erwartungen an das Konzil und an Veränderungen seien groß gewesen.
Schon vor Konzilsbeginn seien die Spannungen in der Kurie zwischen Befürwortern und Gegnern des Konzils unübersehbar gewesen, schrieb Schödl. Zu Krätzls Bekanntschaften aus der Anima zählten unter anderem Kardinal Josef Frings aus Köln, der als einer der einflussreichsten Konzilsvätern galt, sowie auch Frings theologischer Berater Joseph Ratzinger. "Der junge Dogmatiker setzte sich damals nachdrücklich für eine erneuerte Sicht der Kirche ein und nahm durch seine Beratertätigkeit bei Frings auch Einfluss auf Konzilsergebnisse", erinnerte die Historikerin. Die konzilskritische Kehrtwendung Ratzingers in späteren Zeiten - vor allem als Präfekt der Glaubenskongregation - habe Krätzl dann "umso erstaunter, ja enttäuschter" zurückgelassen.
Zu einem Schlüsselmoment für den späteren Wiener Weihbischof sollte dann die Konzilseröffnung werden. Diese erlebte er als Stenograph, nach einem gemeinsam mit 60 Studenten aus aller Welt absolvierten Intensivkurs dafür. "Eigentlich hätten für die Anfertigung der Protokolle die Tonbandaufzeichnungen genügt, aber es sollte alles so ablaufen wie beim Ersten Vaticanum, daher musste mitstenographiert werden. Die Protokolle wurden dann auf der Schreibmaschine geschrieben", erklärte Schödl den Ablauf. An jenem 11. Oktober 1962 durften die Stenographen gemeinsam mit den Konzilsvätern in den Petersdom einziehen und bezogen ihre Schreibtische direkt neben dem Papstaltar.
Auf nachhaltige Weise sei Krätzl von den Wortmeldungen und Begegnungen beim und rund um das Konzil beeindruckt und geprägt worden, unterstrich die Wiener Historikerin, zu deren Publikationen unter anderem eine Festschrift zum 40-Jahr-Jubiläum Krätzls als Bischof ("In der Kraft Gottes", Tyrolia Verlag 2017) zählt. Auch mit einem persönlichen Nachsatz würdigte die Kirchenkennerin die Tragweite des im Jahr 1962 gestarteten Konzils: "Die Kirche hatte begonnen, trotz aller Bremsversuche die Zeichen der Zeit wahrzunehmen und einen Sprung in das 'Heute' zu machen."
Quelle: kathpress