Suizidbeihilfe: Bioethikerin Kummer warnt vor "Entsolidarisierung"
Zu erhöhter Vorsicht gegenüber einer Entsolidarisierung als Folge der Straffreistellung der Suizidbeihilfe hat die Wiener Bioethikerin Susanne Kummer gemahnt. "Es tut etwas mit der Gesellschaft, wenn der Suizid als Erlösung im Raum steht", sagte die Direktorin des Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) im Interview mit der "Krone" (Dienstag). Auch in Österreich sei man an einem Punkt angelangt, "wo ein Klima geschaffen wird, in dem ältere Menschen meinen, es sei besser, wenn es sie nicht mehr gibt", warnte die Expertin.
Österreich drohe mit seiner zu Jahresbeginn erfolgten Legalisierung von Beihilfe zur Selbsttötung unter bestimmten Voraussetzungen einen Weg einzuschlagen, der sich in anderen Ländern bereits abzeichne. "Wir sehen im internationalen Vergleich, dass assistierter Suizid und Tötung auf Verlangen zu 85 Prozent von Senioren ab 65 und hochaltrigen Personen in Anspruch genommen werden", berichtete Kummer. In den Niederlanden diskutiere man jetzt sogar über einen Gesetzesentwurf, der für alle ab 75 den Bezug einer "Letzten Wille Pille" in Apotheken ermöglichen würde.
Druck durch Einsamkeit und Kosten
Um den Verlust von Solidarität insbesondere gegenüber älteren Menschen zu verhindern, gelte es "sehr genau hinzuschauen", forderte die IMABE-Direktorin von der Gesellschaft und insbesondere auch von der medialen Berichterstattung. Die Einsamkeit und Isolation von älteren Menschen seien ein großes Problem, zu dem sich auch noch der ökonomische Faktor reihe, denn "Pflege kostet Geld". Wie schnell eine Entsolidarisierung vor sich gehen könne, zeige derzeit Kanada vor. Dort gebe es "Berechnungen, wie viele Millionen gespart werden können, wenn jemand vorzeitig aus dem Leben scheidet".
Auch wenn dies mitunter anders dargestellt werde, gebe es zum Suizid immer Alternativen, unterstrich Kummer. Das gelte genauso bei alten Menschen am Lebensende. "Jeder kann Behandlungen ablehnen. Es gibt medizinische Hilfe, etwa gegen Schmerzen." Den Menschen müsse die "Angst, dass es schlimmer wird", genommen werden. Bedauernd fügte die Expertin hinzu: "Leider haben wir keinen Flächenausbau in der palliativen Versorgung."
Quelle: kathpress