Ordensfrau: Mehr Demokratie in Kirche wäre im Sinne Jesu
Eine hierarchisch bestimmende Struktur mit einem auf Dominanz beruhenden Gehorsamsverständnis ist nach Überzeugung der deutschen Benediktinerin und Organisations-Beraterin Emmanuela Kohlhaas in der Kirche fehl am Platz: "Dieses hierarchische Machtverständnis der katholischen Kirche ist in bestimmten historischen Phasen gewachsen. In der frühen Kirche war das anders", wies die Autorin des jüngst erschienenen Buches "Die neue Kunst des Leitens" im Interview der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen (aktuelle Ausgabe) hin. Die Ordensfrau argumentierte auch mit der Bibel: Ein kirchliches Machtgefälle "bringt man vom Evangelium her nicht zusammen mit Stellen, wo Jesus sagt: 'Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein'."
Kohlhaas wörtlich: "Wenn ich mich frage, wie Jesus sich Priestertum vorgestellt hat, wenn es je in seinem Horizont war, dann glaube ich nicht, dass aus seiner Perspektive die Kombination von Priestertum mit Macht grundlegend ist."
Zwölf Jahre lang leitete Kohlhaas als Priorin die Benediktinerinnen-Gemeinschaft in Köln. Der am Ende der Antike gegründete Benediktinerorden sei ein Zusammenschluss selbstständiger Einheiten, die Gemeinschaften von Frauen wie auch Männern würden geleitet von "geistlichen Leitungspersönlichkeiten ohne Macht", wie die Ordensfrau sagte. Sie selbst sei 2010 als Priorin demokratisch gewählt worden: "Das ist bei uns völlig normal. Wenn Menschen das hören, sind sie oft erstaunt darüber, dass bei uns Pflicht ist, was bei Bischöfen unvorstellbar ist."
Die aktuelle Kirchenkrise gerade in ihrer Heimat Deutschland ist laut Kohlhaas auch eine Leitungskrise. Als Beispiel nannte sie den Umgang mit Missbrauch durch Vertuschungen: "Wenn in einem Schrank des früheren Kölner Erzbischofs und Kardinals Joachim Meisner ein Aktenordner stand mit dem Titel 'Brüder im Nebel', wo geheime Unterlagen angelegt, Missbrauchsfälle vertuscht und Täter geschützt wurden, ist das ein wunderbares Bild für die Problematik."
Papst schlug "einzig möglichen" Weg ein
Ein echter spiritueller Gehorsam hat laut der auch als Coach tätigen Benediktinerin "zu tun mit Achtsamkeit, mit Hören, mit Antwortgeben auf das, was jeden Augenblick geschieht". Insofern halte sie den Synodalen Prozess, bei dem der Papst auf Zuhören und Dialog miteinander setzt, für "den einzig möglichen" Weg. Im Vorbereitungspapier für die Weltsynode 2023 schrieb Franziskus, wie Kohlhaas erinnerte, "dass es in der Kirche beides gibt, das Vertikale - von oben nach unten - und das Horizontale - auf einer Ebene".
Die Erfahrung der Ordensfrau: "Wichtig ist, dass man bereit ist, so lange zu ringen, zu streiten, zu reden, und - bitte nicht zu vergessen - auch zu beten, bis eine Lösung gefunden ist." Bei den Benediktinerinnen habe sich gezeigt, je wichtiger das Thema, desto notwendiger sei der Konsens. Entscheidungen müssten von allen mitgetragen werden, auch wenn das manchmal lange dauere.
Zum "heißen Eisen" Frauenpriesterinnen sagte Kohlhaas: "Ich bin sehr für Geschlechtergerechtigkeit, aber ich denke, wir retten die Kirche nicht, indem wir morgen Frauen zu Priesterinnen weihen und sie in dasselbe alte System zwingen." Es sollten "tiefere Lösungen" gefunden werden. Rollen und Mechanismen müssten sich verändern. Der Kirche wünsche sie "ein schlichtes Zurück zum Evangelium und Zurück zu den Quellen" sowie den Mut, als "Salz der Erde" und "Sauerteig" Zeugnis zu geben von dem "unglaublichen Schatz", den die Christenheit habe - "sowohl in der Heiligen Schrift wie in der Tradition der Kirche".
Der Herder-Band von Emmanuela Kohlhaas "Die neue Kunst des Leitens. Wie Menschen sich entfalten können. Top-Down war gestern" ist um 20,60 Euro im Buchhandel erhältlich.
Quelle: kathpress