Suizidbeihilfe: Kirchenkritik für mediales Abrücken von Prävention
Heftige Kritik an der gängigen Medienberichterstattung zum Thema assistierter Suizid hat das Institut für Ehe und Familie (IEF) geäußert. Bisher als Gemeingut geltende medienethische Grundsätze der Suizidprävention, mit denen eine Nachahmung verhindert werden soll, müssten auch weiterhin zur Anwendung kommen, heißt es in einem auf der Website der Facheinrichtung der Bischofskonferenz veröffentlichten Beitrag. Seit der Legalisierung der Beihilfe zum Suizid in Österreich werde dieser präventive Ansatz jedoch immer wieder missachtet. "Die meisten Journalisten haben sich vom Prinzip der Suizidprävention verabschiedet", stellt das Institut ernüchtert fest.
Nachweislich habe die Medienberichterstattung über Suizide Einfluss auf die Suizidrate, heißt es in dem Kommentar. Je nach Art und Weise der Darstellung könnten Menschen in Krisensituation dadurch Hoffnung schöpfen und nach Lösungen suchen, oder aber aufgeben und in der Selbsttötung den einzigen Ausweg sehen - was u.a. durch Wiener Forschungen als "Papageno-Effekt" bzw. "Werther-Effekt" mittlerweile weltweit anerkannt sei. Der Grund sei, dass Suizidenten den Suizid vorerst als nur gedankliche Möglichkeit erwägten und dabei hin- und hergerissen und besonders empfänglich seien für Reaktionen und Botschaften ihrer Umgebung, inklusive den Medienberichten.
Auch die Kriseninterventionsstellen stützten sich auf dieses Prinzip und forderten eine "Medienberichterstattung, die auch über konstruktive Bewältigungsmöglichkeiten in einer suizidalen Krise aufklärt", erinnert das IEF. Der Österreichische Presserat halte Journalisten zu "großer Zurückhaltung" bei Berichten über Suizide, Suizidversuche und Selbstverstümmelung an, um nicht Nachahmer zu erzeugen. Selbst die Weltgesundheitsorganisation WHO warne Medienschaffende vor "sensationsträchtiger Berichterstattung" sowie vor jeglicher Darstellung, die Suizide als konstruktive Problemlösung bezeichne. Stets werde zudem gemahnt, weder die explizite Methode noch Details zu Ort und Umstände zu beschreiben und auf reißerische Überschriften zu verzichten.
Suizid als "Erlösung"
Diese Grundsätze schienen seit der Legalisierung der Suizidbeihilfe zu Jahresbeginn 2022 über Bord geworfen, beklagt das kirchliche Institut. Viel zu unkritisch seien Berichte über Menschen, die sich für den Suizid entschieden und dafür Hilfe Dritter in Anspruch genommen haben, jüngst etwa am 2. September im "Standard". Schon der Titel "Es war eine Erlösung" zeige die Problematik auf, im Text werde der interviewte Suizident Herr S. dann zitiert etwa mit: "Wenn es nicht mehr geht: Warum soll ich den Tod dann hinauszögern?". Der Hergang und die Umgebung des Suizids würden detailliert genannt und auch beschrieben mit Worten, "die möglichst positive Assoziationen beim Lesen hervorrufen" - konkret etwa: "die Lieben drücken", "einschlafen und nicht mehr aufwachen".
Der IEF-Kommentar dazu: Zwar seien die Aussagen subjektiv einer bestimmten Person zuzuschreiben, doch entstehe beim Leser das Bild, es gäbe ausweglose Situationen, die "keine andere Option als das frühzeitige Ausscheiden aus dem Leben zulassen würden". Weiters werde die Angabe, dass der Suizident wie zuvor seine Tochter an Krebs litt, nicht in den nötigen Kontext gestellt: Etwa, dass es die Möglichkeit palliativer Versorgung gebe, deren Ziel es sei, "die Lebensqualität kranker Menschen ganzheitlich auf physischer, psychologischer, sozialer und spiritueller Ebene zu erhalten oder zu verbessern". Auch dass womöglich eine unerkannte Depression hinter dem Sterbewunsch stehen könne, werde verschwiegen.
Kontexualisierung wichtig
Der "Standard" hätte auch die Kritik von Herrn S. an der Umsetzung des Sterbeverfügungsgesetzes in Österreich ("Totalversagen der Regierung" wegen mangelnder Information, fehlender zentraler Anlaufstelle und Ärzten, die zum Überdenken des Suizidentschlusses anregen) nicht alleine stehen lassen dürfen, geht es nach dem kirchlichen Institut. Schließlich gehe es bei den Hürden im Sterbeverfügungsgesetz darum, "Menschen vor voreiligen und unumkehrbaren Entscheidungen zu bewahren, Druck auf besonders vulnerable Personen zu minimieren und Menschen auf Auswege aus Krisensituationen hinzuweisen" - wovon jedoch im "Standard" nichts zu lesen gewesen sei.
"Sterbehilfe" dürfe "nicht als normale medizinische Handlung gewertet werden" und Suizidassistenz "immer eine extreme Ausnahme bleiben, die höchstens notfalls gestattet wird", zitiert der IEF-Beitrag den niederländischen Ethiker Theo Boer. Es reiche daher nicht, nur um möglichst wenige Hürden beim Zugang zum Tötungsmittel und zur Inanspruchnahme der Suizidassistenz zu diskutieren und subjektiv ausweglos empfundene Situationen in den Vordergrund zu stellen. "Wollen wir in Zukunft nicht in einer lebensfeindlichen Gesellschaft leben, muss Suizidprävention, die Fürsorge und der Schutz menschlichen Lebens immer noch die oberste Priorität bleiben - und das gilt auch ganz besonders in Bezug auf die Medienberichterstattung zum (assistierten) Suizid", so das IEF.
(S E R V I C E - Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr und gebührenfrei unter der Notrufnummer 142 erreichbar sowie unter www.telefonseelsorge.at. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums unter www.suizid-praevention.gv.at)
Quelle: kathpress