Schönborn: Je älter ich werde, desto mehr Kraft schöpfe ich aus Bibel
"Je älter ich werde, desto mehr Kraft schöpfe ich aus der Bibel": Das hat Kardinal Christoph Schönborn in der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" erklärt, in deren aktueller Ausgabe (2. Oktober) ein Themenschwerpunkt zur Bibel nachzulesen ist. Der Wiener Erzbischof und sieben weitere Gläubige legen dar, "warum die Bibel kein verstaubtes Buch ist, sondern Impulse für das tägliche Leben bereithält". Anlass für den Schwerpunkt ist der Bibelpfad, der Interessierten am 30. September in der Wiener Innenstadt Einblicke in das Buch der Bücher gibt.
Schönborn nannte zwei Dimensionen der Bibel, die ihn besonders prägen würden: zum einen "kurze Worte, die sich einprägen und die mich begleiten", zum anderen Erzählungen wie die Josef-Geschichte in der Genesis oder jene über das Leben von König David, besonders aber die Gleichnisse Jesu. "Wie ein Ohrwurm" begleite ihn das Wort aus dem Psalm 119: "Dein bin ich, rette mich", berichtete Schönborn. Auch die Aussage aus demselben Psalm "Es ist gut, dass du mich gedemütigt hast. So lerne ich deine Gebote" sei für sein Leben bedeutsam: "Angesichts der Demütigungen, die ich im Leben erfahren habe, ist es gut zu sagen, dass ich da durch musste. Das hat mich getragen", schrieb der Kardinal.
Er sei auch ein begeisterter Leser der biblischen Geschichten. Eine "Schlüssel-Geschichte" für die Erfahrung, dass Gott aus Bösen Gutes macht, sei für ihn das Drama um Josef und seine eifersüchtigen Brüder. Auch die David-Geschichte könne er nicht oft genug lesen, so der Kardinal: "Das Leben vom König David, von seiner Jugend an bis ins hohe Alter, seine Herzensgröße, aber auch seine Sünden. Das finde ich so faszinierend an der Bibel."
"Unvergleichlich" nannte der Erzbischof die Gleichnisse Jesu aus dem Neuen Testament, etwa jenes vom barmherzigen Samariter. "Jesus hatte eine ganz große Gabe, um die Menschen mit einfachen Geschichten zu erreichen", erklärte Schönborn. "So bin ich mit der Bibel nie am Ende, das Wort Gottes ist immer wieder neu."
Bibel fordert immer wieder heraus
Für die höchstrangige Religionspädagogin der Erzdiözese Wien, Schulamtsleiterin Andrea Pinz, ist die Bibel "ein Lesebuch, das mir Gottes unbegrenzte schöpferische Lebensmacht erschließt, sie lädt mich daher immer wieder ein, mich neu zu fragen, ob ich 'spuren-sicher' bin, ob meine Lebensorientierung halbwegs richtig läuft". Es sei immer wieder erstaunlich, in welchem Ausmaß auch "moderne" Menschen viele Jahrhunderte nach der Entstehung der Texte Gewinn aus ihnen ziehen könnten, vermerkte Laienrats-Präsident Wolfgang Mazal; er selbst bekomme seit Jahrzehnten in Reflexion der biblischen Texte immer neue Anregungen für den Alltag.
Sr. Christine Rod, Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz, sieht die Bibel als ein Buch, "das voll ist von Leben und Lebendigkeit, in tausend Farben": Sie beinhalte Freude, Wut, Sorge, Hoffnung, Intrige, Kampfeslust, Widerstand, Ergebung, Vertrauen und viele andere menschliche Realitäten. "Und das Wunderbare ist: Alles das hat in irgendeiner Weise mit Gott zu tun ... mit der immer neuen Gegenwart unseres Gottes, der kein lieber und auch kein strafender Gott ist, sondern einer, der da ist, der mitgeht, mitleidet und mitliebt."
Ein anderer Ordensvertreter, der 59-jährige Missio-Nationaldirektor P. Karl Wallner, erzählte, er lese seit 40 Jahren täglich systematisch Abschnitte aus der Bibel. "Ich fühle mich täglich von dem, was ich da lese, hinterfragt", bekannte der Zisterzienser: "Im Augenblick erlebe ich Gottes Wort mehr als in meinem früheren Leben als 'Challenge', als eine persönliche Herausforderung durch Gott an einen alternden Priester, der eigentlich schon viel weiter sein sollte in der Kenntnis und Umsetzung dessen, was Gott uns schenkt."
Birnbaums "Best of Bible"
Ein "Best of Bible" in Kultur und Kulinarik liefert in der "Sonntag"-Ausgabe mit Bibelwerks-Direktorin Elisabeth Birnbaum eine ausgewiesene Expertin. Die ausgebildete Sängerin listet nicht nur die fünf besten Bibelübersetzungen (besonders gelungen ist für sie die Einheitsübersetzung) sowie die besten Kinderbibeln auf, sondern auch die besten Opern und Oratorien mit biblischen Stoffen: Bachs "Matthäuspassion" steht hier für Birnbaum vor Händels "Messias" und "Jephta" an der Spitze.
Als beste Bibelromane nennt die Bibelwissenschaftlerin Joseph Roths "Hiob", Thomas Manns "Joseph und seine Brüder" und Stephan Heyms "Der König David Report"; ihre Favoriten unter den Bibelverfilmungen sind Pier Paolo Pasolinis Klassiker "Das erste Evangelium" vor dem noch jungen Streifen "Maria Magdalena" von Garth Davis und Denys Arcands "Jesus von Montreal".
Dass die Bibel nicht nur geistige Nahrung bereithält, beweist Birnbaum mit einer Auflistung der wichtigsten Speisen und Getränke darin: Genannt werden die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis und das Linsengericht aus dem Buch Genesis, Das Manna und "Milch und Honig" aus dem Pentateuch sowie das Brot als Lebensgrundlage und auch Zeichen des Neuen Bundes.
Quelle: kathpress