Theologen zum Synodalen Prozess: "Weiter-So" funktioniert nicht
Die Aufbruchsstimmung des zu Beginn als "Reformer" begrüßten Papst Franziskus hat "im Laufe seines Pontifikats deutlich an Elan verloren". Wie die Theologen Paul Zulehner, Peter Neuner und Anna Hennersperger als Herausgeber des jüngst erschienenen Sammelbands "Synodalisierung" in ihrem gemeinsamen Vorwort feststellen, habe sich Enttäuschung breit gemacht, "dass den Zeichen und eindringlichen Worten keine Taten zu folgen schienen". Dennoch seien die Worte und Zeichen des Papstes "von einem Plan getragen, der sich am Begriff der Synodalität festmachen lässt", bezogen sich die Theologen auf den von Franziskus der Weltkirche verordneten Synodalen Prozess. Dieser im Oktober in einer Bischofssynode gipfelnde Prozess dürfe keinesfalls "in einer Enttäuschung enden".
Zulehner, Neuner und Hennersperger sprachen sich dezidiert gegen ein einfaches "Weiter-So" oder die Vertröstung aus, dass die Kirche "derzeit eine schwierige Wegstrecke zu durchlaufen" habe, dass aber angeblich "am Ende des Tunnels bereits wieder Licht sichtbar" werde. Die Erhebungen unter Gläubigen in aller Welt zur Vorbereitung auf die Synode bieten laut den Fachleuten die Grundlage für Entscheidungen, die die Versammlung in Rom und der Papst dann für die Neugestaltung der Kirche treffen werden. "Dabei können auch weitreichende und derzeit noch nicht absehbare Weichenstellungen möglich werden", prognostizieren die drei Herausgeber.
Ihr Buch "Synodalisierung" verdanke sich selbst einem Prozess, der synodaler Ausrichtung folgt. Ausgehend von einer Onlinestudie des Wiener Religionssoziologen Paul Zulehner über Erwartungen an die Bischofssynode 2023, an der sich weltweit mehr als 20.000 Menschen beteiligten, baten dieser sowie Neuner und Hennersperger Fachleute um ihre Vorstellungen zur Synode. Mit Anselm Grün, Thomas Sternberg, Paulo Suess, Andreas R. Batlogg, Christian Bauer, Margit Eckholt u.v.a. seien der Einladung vor allem jene Fachleute gefolgt, "die Hoffnung auf eine breite Synodalisierung der Kirche setzen". Freilich: "Dass es auch gegensätzliche Strömungen gibt, und das bis hinein in höchste kirchliche Kreise, ist kein Geheimnis."
Bibel: Keiner soll über andere herrschen
Peter Neuner gibt in einer Einführung u.a. einen Überblick über die biblischen und historischen Buchbeiträge zum Thema Synodalität: Bereits im Alten Testament sei die Mahnung zu lesen, kein Mensch dürfe über den anderen herrschen, nachdem Gott sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten befreite (Dtn 17,20). Jesus habe dies aufgegriffen und seinen Jüngern befohlen, nicht nach den ersten Plätzen zu streben und nicht darüber zu streiten, wer der Erste unter ihnen sei.
Das biblische Bild eines egalitären Volkes Gottes sei schon in der frühen Kirche und zunehmend in ihrer Geschichte von klerikalen und hierarchischen Strukturen überlagert worden, schrieb Neuner: Nicht-Kleriker seien als "Laien" abgewertet, von Entscheidungen ausgeschlossen und auf Gehorsam gegenüber den kirchlichen Autoritäten festgelegt worden. Dennoch hätten einflussreiche Laien bis ins hohe Mittelalter entscheidenden Einfluss auf kirchliche Entscheidungen genommen, auch in den Weichenstellungen der großen Synoden, die den Glauben formulierten. "Von Nizäa bis Chalkedon und Konstanz haben Laien die Einheit der Kirche gerettet", berief sich Neuner auf den Buchbeitrag des Kasseler Theologen Michel Hauber.
Anselm Grün: Auf die Jungen hören
Anselm Grün, Benediktiner und Erfolgsautor, schildert die in Ordensgemeinschaften gepflegte Synodalität anhand der Benediktusregel. Diese betont das Hören der Mönche aufeinander und über das Hören des Abtes auf das, was die Mönche sagen. Die Anweisung, auch auf die im geistlichen Leben am wenigsten Erfahrenen zu hören, führt Grün zu der Forderung, dass Synoden auch hören sollten "auf die Philosophen und Soziologen, auf Psychologen und Futurlogen, ... unabhängig davon, ob sie glauben oder nicht ... Und wir sollten auf die jüngeren Menschen hören".
Einen entscheidenden Impuls für Synodalität sieht der Beitrag der Osnabrücker Dogmatikerin Margit Eckholt im Wort des II. Vatikanums vom "sensus fidei" bzw. dem "sensus fidelium" (dt.: Glaubenssinn des Volkes). Ihr geht es um eine Subjektwerdung der "Laien", die zum "Seismographen" für Um- und Abbrüche des christlichen Glaubens werden könnte. Als ein Prüfstein für die Inkulturationsfähigkeit der Kirche in der modernen Welt und gleichzeitig für die Rückkehr zur Botschaft Jesu vom Reich Gottes erscheine dabei die "Geschlechtergerechtigkeit, die in der Kirche auch heute noch keineswegs realisiert ist und zu erheblicher Frustration führt".
Auch die US-amerikanische Theologin Karin Heller wies mit großem Nachdruck darauf hin, dass sich die Stellung von Frauen "als der Schlüssel des von Papst Franziskus eingeleiteten Paradigmenwechsels von einer monarchisch strukturierten zu einer synodalen Kirche" erweisen werde.
Von Synoden nichts mehr zu erwarten?
Peter Neuner räumte in seiner Einführung ein, dass manche Theologen und Nicht-Theologen "deswegen nicht bereit waren, an der vorliegenden Publikation mitzuarbeiten, weil sie ihre Hoffnung auf Reformen der Kirche aufgegeben haben". Auch Professoren an theologischen Fakultäten hätten geschrieben, dass sie sich von der vom Papst angekündigten Synode nichts mehr erwarten. Die meisten Buchbeiträge allerdings sähen in Synoden und synodalen Prozessen einen vielversprechenden Weg in die Zukunft der Kirche. Neuner nannte als Beispiel Paulo Suess, Theologe aus Brasilien und langjähriger Generalsekretär des brasilianischen Indigenenmissionsrates, der aus der Amazonas-Synode 2019 positive Erkenntnisse mitgenommen habe: Dort sei es gelungen, Wege zu "eröffnen für eine prophetische Kirche nach innen (gegen den Fortbestand pastoral-kolonialer Verhältnisse) und nach außen (in prophetischem Widerstand gegen die Zerstörung von Mensch und Natur)".
Der von Paul Zulehner, Peter Neuner und Anna Hennersperger herausgegebene Band "Synodalisierung. Eine Zerreißprobe für die katholische Weltkirche? Expertinnen und Experten aus aller Welt beziehen Stellung" (Grünewald 2022) umfasst 461 Seiten und ist zum Preis von 49,40 Euro im Buchhandel erhältlich.
Quelle: kathpress