Papst: Invasion hat Ukraine-Krieg ausgelöst
Papst Franziskus hat sich zu Beginn seines Aufenthaltes in Kasachstan erneut zum Krieg in der Ukraine geäußert. In einer Ansprache an Politiker, Diplomaten und Religionsvertreter am Dienstagabend (Ortszeit) in der nationalen Konzerthalle (Qazaq Concert Hall) in der Hauptstadt Nur-Sultan sagte er: "Ich komme hierher im Verlauf des wahnsinnigen und tragischen Krieges, der durch die Invasion der Ukraine ausgelöst worden ist."
In einigen früheren Äußerungen zum Krieg hatte der Papst eine Schuldzuweisung an den russischen Aggressor vermieden, die ukrainische Regierung hatte darauf mit Protesten reagiert. Auch diesmal nannte der Papst weder Russland noch Präsident Wladimir Putin mit Namen, ließ aber keinen Zweifel daran, welche der beiden Kriegsparteien Auslöser der Kampfhandlungen war.
Er komme als "Pilger des Friedens" nach Kasachstan, sagte Franziskus, und verglich seine aktuelle Reise mit dem Kasachstan-Besuch von Papst Johannes Paul II., der wenige Wochen nach den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 das größte muslimisch geprägte Land Zentralasiens besucht hatte. Damals sei es darum gegangen, die Hoffnung auf Frieden zu säen. Er sei nun während des laufenden Krieges in der Ukraine nach Kasachstan gereist, "um den Schrei der Vielen zu verstärken, die um Frieden flehen", erklärte der Papst.
In einem weiteren historischen Vergleich erinnerte Franziskus an die Epoche des Kalten Krieges und an die friedensstiftende Rolle der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki (1973-1975).
Dialog mit allen
Auch jetzt sei es "an der Zeit, das Zuspitzen von Rivalitäten und das Verfestigen einander entgegengesetzter Blöcke zu vermeiden". Weiter führte der Papst aus: "Wir brauchen Führungspersönlichkeiten, die es den Völkern auf internationaler Ebene ermöglichen, einander zu verstehen und miteinander zu reden, und die einen neuen 'Geist von Helsinki' aufkommen lassen." Um eine stabilere und friedlichere Welt aufzubauen, seien "Verständnis, Geduld und Dialog mit allen nötig. Ich wiederhole: mit allen."
Das Gastgeberland Kasachstan würdigte Franziskus als "einzigartiges Labor" mit vielen unterschiedlichen Völkern, Kulturen und Religionen. Mit seiner Lage an der Grenze zwischen Ost und West habe es eine "besondere Berufung, Land der Begegnung zu sein". Dazu könnten insbesondere die Religionsgemeinschaften einen wichtigen Beitrag leisten.
Ausdrücklich betonte der Papst in seiner Ansprache die Religionsfreiheit als "beste Grundlage für ein gutes gesellschaftliches Zusammenleben" und rief zur Fortsetzung des Demokratisierungsprozesses in Kasachstan auf. Demokratie sei "die geeignetste Form, um die Macht in einen Dienst zum Wohle des gesamten Volkes und nicht nur einiger weniger zu verwandeln", betonte Franziskus. Ein "wahrhaft demokratische Politikstil" stellte die wirksamste Antwort dar, "auf möglichen Extremismus, Personenkult und Populismus, die die Stabilität und das Wohlergehen der Völker bedrohen".
Tokajew: Familie der Nationen "am Abgrund"
Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew dankte Papst Franziskus dafür, dass dieser in "einer kritischen Phase der Menschheitsgeschichte" nach Kasachstan gekommen sei. In seiner Ansprache sagte Tokajew, die Familie der Nationen bewege sich angesichts eskalierender geopolitischer Spannungen am Abgrund.
Hinzu komme die rasche Ausbreitung religiöser und ethnischer Intoleranz, die zum "neuen Normalzustand" geworden seien. Islamhass und Antisemitismus vergifteten die Beziehungen zwischen den Staaten und auch die Innenpolitik. In vielen Ländern seien zudem die christlichen Minderheiten brutal dezimiert worden. Deshalb müsse die Menschheit wachsam sein.
Vor diesem Hintergrund sei die Teilnahme von Papst Franziskus am Kongress der Weltreligionen in Kasachstan von großer Bedeutung und werde zu dessen Erfolg beitragen. Der Papst stehe für eine starke Botschaft der Inspiration und der Solidarität. Nur Dialog, Geschwisterlichkeit und Respekt könnten Koexistenz und Toleranz ermöglichen.
Quelle: kathpress