Schönborn: Pfarren müssen Menschen in Not noch stärker im Blick haben
"Die steigende Inflation und die enormen Mehrkosten in einzelnen Lebensbereichen werden für viele Menschen in unseren Pfarren zu einem finanziellen Problem werden." Das betonte der Kardinal Christoph Schönborn im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" (aktuelle Ausgabe). Der Pfarrgemeinderat (PGR) brauche "einen Blick auf die Veränderungen vor Ort", so das Fazit des Wiener Erzbischofs. Wichtig sei zudem, die Armutsgefährdung einzelner Menschen nicht aus den Augen zu verlieren. Dafür brauche es eine Rückenstärkung der Pfarrcaritas durch den PGR und finanzielle Unterstützung durch den Vermögensverwaltungsrat. Es werde wohl noch mehr "Wärmestuben" in Pfarren geben. Jedes Mitglied eines pfarrlichen Gremiums solle im Winter einen Halbtag in einer Wärmestube mitarbeiten können.
Den Pfarrgemeinderätinnen und Pfarrgemeinderäten der Erzdiözese Wien wünscht Kardinal Schönborn vor allem "Freude an ihrem Dienst. Ich wünsche ihnen, dass ihre Herzensbeziehung zu Jesus Christus im Mitbauen an seiner Kirche wächst, kräftiger und inniger wird". Zudem beschäftige ihn in letzter Zeit der Satz aus dem 25. Psalm: "Herr, zeige uns deine Wege." Er wünsche den Menschen, die in den Pfarren Verantwortung übernommen haben, "dass es ihnen wirklich gelingt, sich vom Herrn die Wege zeigen zu lassen". Denn, es gehe nicht um "unsere", sondern um "seine" Wege. Auch der Pfarrgemeinderat müsse schauen, dass das "Uns", das "Wir", nicht bei ihm selbst Halt macht, sondern die ganze Gemeinde umfasst und möglichst viele auch in Entscheidungen eingebunden sind. Es dürfe keinen "inneren Kreis" geben, in dem sich alles Wichtige hinter verschlossenen Türen abspielt.
Auf Wunden der Menschen einlassen
Zum Profil der Pfarrgemeinden zitierte Kardinal Schönborn einen zentralen Satz aus der Pfarrgemeinderatsordnung: "Kirche ist gesandt zu den Wunden der Welt". "Wenn wir uns ernsthaft auf die Wunden der Menschen einlassen, dann werden unsere Gemeinden Profil gewinnen", unterstrich er. In den vergangenen Jahren sei mit den Entwicklungsräumen strukturell "ein großes Stück vorwärts" gegangen worden. Aber sind die Entwicklungsräume wirklich eine "Gemeinschaft von Gemeinden", wie Papst Franziskus eine Pfarre beschreibt, und ein "Missionsraum", wie der Erzbischof selbst immer betont, fragte er. "Meine Sehnsucht ist, dass neue oder alte Gemeinden sich ganz entschieden für die Menschen öffnen, die sie heute noch nicht erreichen."
Eine Willkommenskultur, eine ansprechende Ästhetik und Musik im Gottesdienst - das alles könne einen Raum eröffnen, der Gottesbegegnung erleichtert. Dass Menschen dann aber auch wirklich berührt werden, sei fast immer das Ergebnis einer menschlichen, persönlichen, zuwendenden Begegnung. "Wenn andere erfahren sollen, dass sie Gott wichtig sind, dann müssen wir ihnen zuerst einmal aufrichtig und ganz praktisch zeigen, dass sie uns wichtig sind, jeder und jede einzelne mit ihren Sorgen und Hoffnungen. Dass wir für sie Zeit haben", erklärte Kardinal Schönborn. Das sei "Programm für jeden Tag".
Es brauche in den Gemeinden Orte und Gelegenheiten "ohne Eintrittsschwellen", wo Suchende mit ihren Fragen gehört werden, wo sie auch mehr über den Glauben erfahren können. Glaubenskurse für Einsteiger wie etwa die "Alpha-Kurse" haben sich bewährt, erzählte der Wiener Erzbischof, wie auch soziale Initiativen in der Pfarre zum Mitmachen und Kennenlernen des Christentums im Dienst am Nächsten. "Es gibt so viele Möglichkeiten, einladend zu sein und eine Ahnung von dem Schatz zu geben, den wir zu verschenken haben", betonte er.
Quelle: kathpress