Salzburger Generalvikar: "Zusperren und Resteverwalten ist zu wenig"
Für eine qualitätsvolle und menschenfreundliche Seelsorge und ein Ende des Klerikalismus in der Katholischen Kirche hat sich der Salzburger Generalvikar Roland Rasser ausgesprochen. "Zusperren, pragmatisches Resteverwalten und alles runterjammern ist zu wenig", so Rasser wörtlich im Interview mit dem "Rupertusblatt" (aktuelle Ausgabe). Die Kirche habe sich lange ausgegeben als eine "societas perfecta", eine in sich geschlossene ideale Welt. Die letzten 20 Jahre machten aber deutlich, dass dies nicht nur nicht stimme, sondern eigentlich ein Irrglaube sei, so der Generalvikar. Nachsatz: "Am meisten müssten wir uns eigentlich als Gescheiterte für Gescheiterte einsetzen."
Rasser wörtlich: "Wir sind alle Gott-Suchende. Auch die sich im Glauben gefestigt wähnen, gehören da dazu. Niemand kann sagen, wir haben die Wahrheit, wir haben den Glauben, wir haben Christus als sei es unser Besitz. Wenn sich dieser Christus mit dem Ärmsten und Geringsten identifiziert (...) dann ist das eine Aufforderung, sich auf die Suche nach diesen verborgenen Spuren zu machen." Die Kirche könne den Menschen einen Hoffnungsraum geben. Das Problem sei nur, so Rasser, "dass wir mit unserem Verhalten diesen Hoffnungsraum oft unglaubwürdig machen und ihm damit viel von seiner Wirksamkeit nehmen".
Verkrustungen aufbrechen
Der Salzburger Generalvikar plädierte dafür, verschiedene Verkrustungen in der Kirche aufzubrechen. Rasser wörtlich: "Ich liebe meine Kirche. Aber im Lauf von mehr als 30 Jahren Priester hat sich das Bild der Kirche schon gewandelt. In dieser Zeit ist so viel sichtbar geworden, was sich im Lauf der Jahrhunderte alles angelagert hat: der Apparat, zu dem ich ja dazu gehöre, die Verwundungen, die Kirchenvertreter Menschen zugefügt haben - im Großen und im Kleinen, die Verquickung mit Machtmechanismen, Altlasten aus der Geschichte, und so manche barocken Reste, die ich hier in Salzburg deutlich sehe. Das ist wie eine Kruste, die das Vordringen zu den Intentionen unseres Gründers oft erschwert."
Er könne einerseits verstehen, dass viele Jugendliche hier keinen Anschluss und keine Antworten auf ihre Fragen finden. Und doch, so Rasser, "verdanken wir dieser Kirche die wesentlichen Säulen unseres Wertesystems: etwa die Solidarität mit den Schwachen." Hier werde immer noch Großartiges geleistet von dieser Kirche. Und: "Scheitern, Umkehr und Neuanfang sind möglich. Wir dürfen ja an einen heilenden Gott glauben, dem die Einsicht eines Sünders lieber ist als die Perfektion des Vollkommenen; dann die Lebensperspektive über das Vergängliche hinaus, gerade an Lebenswenden suchen Menschen oft ein Fenster, das einen Blick in die Ewigkeit öffnet."
"Taufwürde verbindet uns alle gleich"
In der Kirche geht es dem Generalvikar immer noch zu sehr um das Definieren von Status: "Wenn ich einen Brief krieg, der mit Hochwürden tituliert ist, dann ärgert es mich. Es hat nichts mit unserem Gründer und seiner Idee von Kirche zu tun. Wir kommen nicht davon los, weil wir nicht auf den Ursprung unseres Glaubens zurückgehen. Die Taufwürde verbindet uns alle gleich." Diese Chance auf Gleichheit aller müsse man endlich entdecken, so der Generalvikar: "Das heißt für mich Abschied vom Klerikalismus. Die Frauenfrage ist unser ständiges Problem. Unsere Chance wäre die Rückkehr zum Evangelium. Wie es viele in der karitativen Arbeit leisten."
Rasser räumte ein, dass man sich in der katholischen Kirche in Österreich von dem Prinzip verabschieden müssen, "dass für alles religiöse Tun und Handeln der Pfarrer oder ein Hauptamtlicher zuständig ist". Die Frage müsse lauten: "Wie können wir den Hoffnungsraum des Glaubens mit allen gestalten, die das wollen und die es können." Dazu müsse es sowohl bei den Seelsorgern als auch bei den Menschen in den Pfarren ein Umdenken geben. Es gelte auch, die Mängel, die Corona sichtbar gemacht hat, zu kompensieren, so Rasser.
Es werde nicht mehr eine flächendeckende Versorgung durch die Messfeier möglich sein, "aber Gemeinschaften sollen dazu befähigt und ermutigt werden, Formate zu entwickeln, die andere liturgische Möglichkeiten in sich tragen. Kinderkirche kann hier ein Ort der kreativen Gottesbegegnung sein. Oder eine lebensdienliche Betrachtung des Kreuzweges in schwerer Situation."
Das Interview fand anlässlich des 70. Geburtstags des Generalvikars statt. Rasser war viele Jahre als Pfarrer und Dechant in der Erzdiözese Salzburg tätig, bevor er 2016 Seelsorgeamtsleiter wurde und 2017 von Erzbischof Franz Lackner zum Generalvikar bestellt wurde. Zur Frage, welches Amt der schönere Beruf sei, meinte Rasser: "Pfarrer, keine Frage. Pfarrersein heißt für mich, das Leben zu teilen in seinen Höhen und Tiefen. Denn dort ragt der ewige Gott in unser Leben hinein. Auch für die, die sonst mit Kirche nichts anfangen können. Gerade in sogenannten Kirchenfernen entdecke ich viele Spuren des Christlichen. Aber das Pfarrersein legt man ja an der Zentrale nicht einfach ab."
Quelle: kathpress