Salzburg: Hochschulwochen mit Plädoyer für mehr "Lebenswissen" beendet
Mit einem Festgottesdienst und einem Akademischen Festakt endeten am Sonntag die "Salzburger Hochschulwochen". Die renommierte Sommeruniversität stand heuer vom 1. bis 7. August unter dem Titel "Wie geht es weiter? Zur Zukunft der Wissensgesellschaft". 700 Studierende und Besucher haben laut Angaben an den Vorträgen und Veranstaltungen teilgenommen. Den Gottesdienst im Salzburger Dom feierten Erzbischof Franz Lackner und der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick.
In seiner Predigt rief Schick dazu auf, Wissen nicht auf bloßes Fakten- oder gar "Herrschaftswissen" zu begrenzen, sondern offen zu sein für ein "Lebenswissen", wie es Religionen und die Kirche vermitteln. Wissen sei insgesamt ein zentraler Baustein einer friedlichen und gerechten Welt, führte der Erzbischof aus. Kirche und Theologie seien gefordert, das wissenschaftliche Wissen ernstzunehmen und zugleich einen darüber hinausgehenden Orientierungsrahmen zu bieten. Es gelte, das bloß wissenschaftliche Wissen "in das Lebenswissen einzubetten", so Schick: "Lebenswissen ist international, transethnisch und transkulturell. Es gilt allen Menschen, allen Ethnien, allen Kulturen und allen Zeiten, ist doch mit ihnen verbunden und muss von ihnen adaptiert werden. Lebenswissen ist vor allem transzendental. Für religiöse Menschen göttlich, aus Gott".
An dem anschließenden Festakt nahmen neben den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Woche u.a. der Erzbischof von Salzburg, Franz Lackner, Erzbischof Ludwig Schick (Bamberg), Bischof Alois Schwarz (St. Pölten), Abtpräses Johannes Perkmann, Erzabt Korbinian Birnbacher, Anima-Rektor Michael Max, der Untersekretär der vatikanischen Bildungskongregation, P. Friedrich Bechina, Uni-Rektor Hendrik Lehnert und andere teil.
Dürnberger: "Bewegend zu sehen: Die Aula ist voll"
Im Gespräch mit Kathpress zog der Obmann der "Salzburger Hochschulwochen", der Theologe Prof. Martin Dürnberger, am Rande des anschließenden Festaktes eine positive Bilanz: Nach den vergangenen beiden Corona-Jahren sei es "bewegend gewesen zu sehen: Die Aula ist voll, die Menschen kommen wieder, wollen zuhören, diskutieren, nachdenken". Man habe offenbar mit der Frage "Wie geht es weiter?" einen Nerv getroffen, freute sich Dürnberger.
Dabei dürfe man sich - dies sei ein "persönlicher Lerneffekt dieser Woche" - nicht der Illusion hingeben, dass die Wissenschaften allein alle Probleme lösen könnten: "Es wird immer neue Krisen, Unübersichtlichkeiten, Probleme geben. Um darauf zu reagieren, braucht es nicht nur die Wissenschaft, sondern auch eine Haltung der Gelassenheit und des Grundvertrauens." Die Hochschulwochen seien ein Raum, genau diese Haltung zu "kultivieren" und "unterschiedliche Wissenswelten miteinander ins Gespräch zu bringen", so Dürnberger.
Nassehi: Lob der Theologischen Fakultäten
Wozu Universitäten, wozu Wissenschaft? Diesen Fragen stellte sich der Münchner Soziologe Prof. Armin Nassehi in seinem Festvortrag. "Die einfache Antwort: Es gibt kaum einen Bereich in der Gesellschaft, in dem nicht auf wissenschaftliches Wissen Bezug genommen wird." Die komplexere Antwort laute indes, dass Wissenschaft nicht auf Funktion und Nützlichkeit reduziert werden dürfe. Wenn dies als Ziel vorgegeben werde, werde Wissenschaft unfrei und verliere ihre innovative, ergebnisoffene Kraft. Universitäten und Wissenschaften müssten sich vielmehr als "Abweichungs-Verstärker" begreifen, d.h. sie müssten sich als Gegenpol verstehen gegen den Impuls, "dem ersten Eindruck zu folgen, dem ersten Blick zu glauben".
Im öffentlichen Diskurs könnten Wissenschaftler dazu beitragen, Fragen, auf welche die Politik mit vermeintlich einfachen Lösungsvorschlägen antwortet, immer neu zu drehen und zu korrigieren, um aufzuzeigen, dass Probleme komplexer sind, als sie auf den ersten Blick erscheinen. An diesen "Schnittstellen" zwischen Wissenschaft und Gesellschaft entscheide sich, "ob Innovation, Veränderung und Wandel gelingt oder nicht."
In einem Exkurs führte der Soziologe aus, dass in dem Sinne auch den Theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten eine besondere "Irritationsfunktion" zukomme: Diese seien schließlich gehalten, zugleich innovativ zu sein und Traditionen zu bewahren. Außerdem würden sie "Wahrheitsfragen" stellen, in denen zwischen wissenschaftlicher und theologischer Wahrheit unterschieden werde und so den Wissenschaftsbegriff weit halte. "Von der Theologie kann man insofern eine Menge lernen", so Nassehi.
Thema 2023: "Reduktion!"
Den offiziellen Schlusspunkt der Hochschulwochen bildet am Ende des Festaktes traditionell die Bekanntgabe des Themas des folgenden Jahres durch Erzbischof Franz Lackner. Dieses lautet "Reduktion! Warum wir mehr Weniger brauchen".
Es sei unübersehbar, dass der Imperativ ständigen Wachstums - "Höher, schneller, weiter - mehr!" - inzwischen "unheilvolle Dynamiken entfaltet", heißt es in einem kurzen thematischen Aufriss auf der Website der Hochschulwochen. "Die ökologische Vernutzung des Planeten hängt damit ebenso zusammen wie die Überforderung unserer sozialen Netze oder Zustände individueller Erschöpfung." In dieser Situation müsse man sich fragen, wo es gilt, "Liebgewordenes loszulassen" und zugleich, welche Dinge auch in Zukunft unverzichtbar bleiben.
Die Hochschulwochen finden 2023 vom 31. Juli bis 6. August statt. (Infos: www.salzburger-hochschulwochen.at)
Quelle: kathpress