Lackner beklagt Abgestumpftheit als Folge des Ukraine-Krieges
Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner hat Abgestumpftheit als Folge des Ukraine-Krieges beklagt. In seinem am Dienstagvormittag gehaltenen Grußwort zu den "Disputationes" zum Thema Opfer im Rahmen der Salzburger Festspiele erinnerte er an seinen vorwöchigen Besuch in Lwiw/Lemberg nach Einladung der ukrainischen griechisch-katholischen Bischöfe. Vom Krieg, "der den direkt Betroffenen schreckliche Opfer abverlangt, aber auch uns", sei im Treiben der Stadt erstaunlich wenig zu spüren gewesen - abgesehen von einem kaum beachteten Fliegeralarm während der Göttlichen Liturgie.
Der Krieg habe sich jedoch "eingeschrieben in das Schauen derer, die ihre Angehörigen, ihre Lieben verloren haben", so Lackners Beobachtung. Er hatte den Eindruck, "als ob sie unseren Blicken auswichen; so ein Mann, der uns zum Gruß den Hut abnahm, aber fortan immer zum Boden blickte; so jene Frau auf dem Zentralfriedhof, wo sich Grab an Grab gefallener Soldaten reiht, die ihres gefallenen Sohnes gedachte und nur stumm vor sich hin blickte". Der Erzbischof bekannte: "Diese Abgestumpftheit hat auch mich erfasst." Er habe keine Freude an der "großartig geleisteten Hilfe" etwa durch die Caritas Salzburg finden können, die große Dankbarkeit auslöse.
Lackner zitierte in seinem Grußwort zwei Literaten: Der diesjährige Festredner der Salzburger Festspiele, Ilija Trojanow, habe auf die Interview-Frage, ob der Ton des Krieges nicht einfach nur der Schmerz sei, geantwortet: "Nein, es ist die Eintönigkeit." Und der Lyriker und Pazifist Erich Fried (1921-1988) habe einmal desillusionierend gedichtet: "Ich bin der Sieg / mein Vater war der Krieg / der Friede ist mein lieber Sohn / der gleicht meinem Vater schon." Lackner schloss mit einem ironischen Wort des im März verstorbenen Gründers der jährlichen Veranstaltungsreihe "Disputationes", des Ex-Vizekanzlers Erhard Busek, das in zur jetzigen Weltlage passe: "A bissl aufwachen tät uns gut."
Davor hatte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz Busek als einen kulturbewussten "überzeugten Europäer über die Grenzen der Union hinaus" und "einen kritischen Geist, jedoch fest verwurzelt im Glauben", gewürdigt und zu einer Gedenkminute für den Christdemokraten aufgerufen. Die diesjährigen "Disputationes" beleuchten heuer von 19. bis 21. Juli das Thema "Sacrificium" sowie die Trias "Opfer. Darbringung. Hingabe". Den Auftakt bildete am Donnerstag ein von Heinz Nußbaumer geleitetes Gedenken an Erhard Busek mit Helga Rabl-Stadler, Paul Zulehner und Emil Brix.
Mayrhofer für bewusstes Verzichten
Auf die vielfältigen Aspekte eines Opfers, auf dessen Sinnhaftigkeit und auch Bereicherung für das eigene Leben machte die Wiener Ordensfrau und Provinzoberin der Armen Schulschwestern, Sr. Beatrix Mayrhofer aufmerksam. In einem Interview in den "Salzburger Nachrichten" (SN, 18. Juli) anlässlich ihres Vortrages am Donnerstag bei den "Disputationes" äußerte sich die ehemalige Präsidentin der Frauenorden Österreichs u.a. über notwendigen Verzicht, um die Erde nicht zum Opfer eines verschwenderischen Lebensstils zu machen, über Verfügbarkeit zum Dienst an anderen, den Opfertod Jesu Christi am Kreuz und ihre dankbar machende Lebensform als Ordensfrau.
Bewusstes Verzichten ist laut Mayrhofer "auch ein inneres Training, nicht immer alles sofort und grenzenlos haben zu müssen, sondern Nein sagen zu können und so die körperliche und geistige Beweglichkeit zu sichern". In diesem Zusammenhang verwies sie auf die Notwendigkeit, die Welt zu schonen: "Letztlich sind wir alle zu großer Askese gerufen, um unsere Erde nicht zum Opfer zu machen." Durch eine Lebensweise des unkontrollierten Konsums werde - nun verschärft durch die Dramatik des Krieges - die Erde als Ganzes gefährdet.
Sie selbst bringe Opfer in unterschiedlichen Kontexten, erzählte Mayrhofer. Im Kleinen, wenn ein Mensch etwas braucht und sie sich bewusst Zeit für diese Person nimmt; und im Großen durch ihren Leitungsdienst als Provinzoberin, für den sie auf Urlaub verzichte. Materielle Opfer könne sie durch ihr Armutsgelübde nicht erbringen, "das machen wir nur als Ordensgemeinschaft". Allerdings könne sie ihre Zeit, Talente, ihren Einsatz zur Verfügung stellen. Ihre Erfahrung beim Opfern: "Es bringt Freude." 50 Jahre nach ihrem ersten Ordensgelübde könne sie dankbar sagen: "Nicht einen Tag dieser Lebensform nach den Gelübden der Armut und Ehelosigkeit habe ich bereut. Es ist ein Geschenk, berufen zu sein und als Ordensfrau zu leben. Es ist kein Opfer, sondern eine Hingabe."
Zum Beispiel auf eine Ehe zu verzichten ist laut Mayrhofer eine Einschränkung, bedeute zugleich aber auch: "Ich bin frei, für andere da zu sein, frei für den Dienst der Erziehung, das ist ja unsere Aufgabe als Schulschwestern."
Kein Opfer um des Opfers willen
Manchmal wolle sie sich auch bewusst einschränken aus Solidarität mit jenen, denen es an vielen notwendigen Dingen mangelt, berichtete Mayrhofer. Statt "bedenkenlos zu konsumieren" wolle sie dann "ein Opfer bringen aus Solidarität". Sie sehe das als ein Training dafür, wenn einmal ein großer Einsatz oder ein großer Verzicht gefordert ist.
Auf die Frage, warum laut christlicher Überzeugung Jesu Opfertod erlöse, sagte die Ordensfrau: "Es ist nicht das Menschenopfer, das Gott brauchte, sondern es ist die Hingabe des Lebens, die Jesus frei gewählt hat, um dem Tod die letzte Macht zu nehmen. So ist nicht der Tod die stärkere Macht, sondern die Liebe." Das Erbringen eines Opfers solle stets auf andere gerichtet sein: "Es ist eine Form der Nächstenliebe", sagte Mayrhofer. "Ich hüte mich vor einem Opfer um des Opfers willen."
Quelle: kathpress