Sozialorganisationen schlagen wegen Teuerung Alarm
Die aktuelle Teuerung trifft armutsbetroffene Kinder und Familien besonders stark. Darauf haben Caritas, Diakonie und Volkshilfe bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien aufmerksam gemacht. Während die allgemeine Inflationsrate derzeit mit 8,7 Prozent bereits die höchste der vergangenen 40 Jahre ist, hat sich der sogenannte "Miniwarenkorb", der für Menschen mit geringen Einkommen besonders relevant ist, im Jahresabstand sogar um 15,4 Prozent verteuert, schlagen die Hilfsorganisationen Alarm. Sie warnen davor, dass sich die Situation im Herbst und Winter noch einmal dramatisch zuspitzen werde und fordern konkrete Maßnahmen, besonders für armutsbetroffene Familien und Kinder.
Von einem massiven Anstieg der Unterstützungsansuchen in den Caritas-Beratungsstellen in den vergangenen Monaten berichtete Caritas-Österreich-Generalsekretärin Anna Parr. "Menschen, die ohnehin im Supermarkt sehr genau mitrechnen müssen und abwägen, ob sich das Kilo Brot am Ende des Monats noch ausgeht - diese Menschen können sich das Alltäglichste schlichtweg nicht mehr leisten", sagte Parr.
"Die Teuerung schlägt jeden Tag und bei jeder Zahlung zu und sie trifft Armutsbetroffene und Menschen mit geringen Einkommen und ihre Kinder ungleich härter", berichtete die Caritas-Generalsekretärin. Für den Herbst müsse mit weiteren gravierenden Verschlechterungen gerechnet werden. Gefordert werden deshalb weitere Überbrückungshilfen, denn, "die Einmalzahlungen reichen einfach nicht aus", so Parr. "Die Bundesregierung muss dringend die Grundlage für ein Anti-Teuerungs-Paket gezielt für die am stärksten betroffene Gruppe schaffen - und zwar jetzt."
"Teuerung macht keine Ferien"
Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser schilderte den "Teufelskreis" aus existenziellen Geldnöten, Bildungsbenachteiligung, chronischen Erkrankungen und Entwicklungsverzögerungen, der durch Kinderarmut ins Laufen komme. Es brauche neben der direkten finanziellen Unterstützung für die Familien und der Valorisierung der Sozialleistungen auch psychosoziale Unterstützung, Bildungsförderung und kassenfinanzierte Therapieplätze.
Moser fordert von der Politik eine zusätzliche Milliarde Euro für Kindergesundheit, das würde sich nicht nur durch spätere Einsparungen für Sozial- und Gesundheitsausgaben rechnen, sondern sei auch eine Frage der Würde und der Kinderrechte. "In die Gesundheit der Kinder zu investieren, muss es uns wert sein", so die Diakonie-Direktorin.
"Die Teuerung macht keine Ferien, Armut hat kein Geld für Erholung", brachte Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger auf den Punkt. Bei einer von der Volkshilfe durchgeführte österreichweiten Umfrage gaben fast drei Viertel der Befragten an, dass die Teuerung die Planung von armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen stark beeinflusse. "Und das bei einer Zielgruppe, deren soziale Teilhabe ohnehin schon eingeschränkt ist", so Fenninger.
Ende des "Prinzips Gießkanne"
Einig sind sich die Organisationen, dass es ein Auffangnetz für armutsbetroffene und einkommensschwache Menschen und Familien mit Kindern geben muss. Sie fordern von der Politik treffsichere kurz- und langfristige Maßnahmen ein, die Menschen, Familien und deren Kinder vor Armut schützen und es betroffenen Familien nachhaltig ermöglichen, aus Armutssituationen zu entkommen.
Für Caritas-Generalsekretärin Parr stehe ein Anti-Teuerungs-Paket an erster Stelle, denn die Teuerung werde weitergehen und schlage bei jeder Rechnung zu. Es müsse von politischer Seite ein Ende des "Prinzips Gießkanne" geben und ganz gezielte Zuschläge für die Betroffenen. Stattdessen fordert sie einen Anti-Teuerungs-Zuschlag für die einkommensärmsten 35 Prozent der Haushalte.
Abschaltestopp bei Strom und Gas
Ebenso brauche es im kommenden Winter einen gesetzlich verankerten Abschaltestopp bei Strom und Gas als Sicherheit für alle Menschen in Österreich. Generell fordert Parr die Anhebung von Sozialleistungen auf ein "armutsfestes Niveau". Die Valorisierung der Sozialleistungen mit Beginn 2023 sei "sehr erfreulich", so die Generalsekretärin, aber, alle Leistungen müssten darin umfasst sein und auch der Wertverlust der vergangenen Jahre müsse ausgeglichen werden.
Für Diakonie-Direktorin Moser ist der Ausbau öffentlicher Infrastruktur für Kinder und Jugendliche ebenfalls eine wichtige Forderung. Diese müsse ganztägige Schulen, Nachmittagsbetreuung, Kindergarten- und Krippenplätze, kassenfinanzierte Therapieplätze, frühe Hilfen, hochwertige Elementarbildung und ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr umfassen.
Grundsicherung für Kinder
"Langfristig braucht es eine finanzielle Grundsicherung für Kinder", betonte Volkshilfe-Direktor Fenninger abschließend. Die Regierung sei die von ihr angekündigte Halbierung der Armut nach wie vor schuldig. Der Appell sei deswegen umso dringender, jetzt mit den Planungen zu beginnen, um die soziale Krise, die sich im Herbst abzeichne, zu verhindern.
Quelle: kathpress