Anschober bei Männerbewegung: Krisen nur im Miteinander lösbar
"Wir erleben derzeit eine Verkettung von schweren Krisen, und wir werden sie - national wie international - nur gemeinsam, in Zusammenarbeit und Solidarität lösen können." Das unterstrich der ehemalige Sozial- und Gesundheitsminister Rudolf Anschober bei der diesjährigen Sommerakademie der Katholischen Männerbewegung Österreich (KMBÖ) in Horn im niederösterreichischen Waldviertel. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Energiekrise, die Inflation, die drohende Wirtschaftskrise, dazu die Pandemie und der Klimawandel - sie alle zusammen erzeugten nicht nur eine von Angst geprägte Grundstimmung, sondern führten auch zu einer tiefen sozialen Krise, so die KMBÖ am Sonntag in einem Tagungsbericht.
So wie zu Beginn der Pandemie brauche es nun schnell wirksame Maßnahmen von Seiten des Staates. Die EU müsse sich in den nächsten Wochen auf Energiepreisdeckelungen einigen, und es müssten Maßnahmen und Anreize zum Energiesparen gesetzt werden, so Anschober. Es brauche hier "die schützende Verantwortung des Staates". Gleichzeitig müsse wieder diese "zutiefst solidarische Bewegung" angeknüpft werden, die es zu Beginn der Corona-Pandemie gegeben habe. Der überwiegende Teil der Bevölkerung sei dafür zu gewinnen, gab sich Anschober überzeugt. "Wir können auch die jetzigen Krisen bewältigen, aber das geht nur im Miteinander, nicht im Gegeneinander oder in gegenseitigen Schuldzuweisungen."
Im Bereich der Energieerzeugung und -versorgung sieht der ehemalige Grün-Politiker in Österreich alternative Energieformen noch viel zu wenig genutzt. So gebe es "noch viel zu viele freie Dachflächen", die nicht für Photovoltaik genutzt werden, und auch die Windkraft müsse ausgebaut werden. Das brauche allerdings einige Jahre. Um jetzt rasch ins Handeln zu kommen, müsse man sich auf sofort umsetzbare Lösungen konzentrieren. Eine wichtige Maßnahme sei dabei, Energie zu sparen. Hier könne sich jeder Einzelne fragen, was er dazu beitragen kann; "die nicht verbrauchte Energie ist die sauberste", so Anschober. In öffentlichen Gebäuden könne im Winter die Temperatur auf max. 19 Grad begrenzen; auch die Kirchen könnten solche Maßnahmen mittragen. Eine weitere Möglichkeit wäre, in den nächsten Monaten generell Tempo 100 im Straßenverkehr festzulegen; "das bringt einen kleinen Beitrag", so Anschober, aber es sei eine Möglichkeit von vielen.
Entschieden plädierte Anschober für internationale Zusammenarbeit in der Krisenbewältigung. So sei die Zusammenarbeit, die Deutschland und Österreich soeben im Blick auf die Gaskrise beschlossen haben, ein beispielhafter Schritt. Er bedeutet Solidarität in der Energieversorgung: "Wir werden Deutschland und Italien brauchen für Flüssiggaslieferungen; das heißt aber im Gegenzug auch, im Bedarfsfall gespeichertes Gas aus Österreich anderswo hinzuliefern." Diese Zusammenarbeit werde aber dringend gebraucht, "allein ist man immer schwächer"; und die Klimakrise sei ohnehin nur gemeinsam zu bewältigen. Dazu müssten auch die internationalen Organisationen wieder gestärkt werden, und nicht weiter geschwächt, wie es etwa durch den früheren US-Präsidenten Donald Trump geschehen ist.
Demokratie braucht Kompromissfähigkeit
Die Fähigkeit und den Willen zum Kompromiss als wesentliche Voraussetzung für Demokratie unterstrich der frühere oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer. Kompromiss sei Voraussetzung für friedliches Zusammenleben und für das Funktionieren von Politik und Gesellschaft, sagte Pühringer vor den Teilnehmern der KMBÖ-Sommerakademie. Bedauerlicherweise werde der Interessensausgleich, der zum politischen Handeln gehört, schnell als "Packelei" verunglimpft, und die Entscheidung, Teile der eigenen parteipolitischen Ziele zugunsten eines Kompromisses hintanzustellen, werde rasch als "Gesinnungslosigkeit" und Verräter der eigenen Prinzipien kritisiert.
Dem hielt Pühringer die Unterscheidung des deutschen Soziologen Max Weber zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik entgegen. "Wer nur seine eigene Gesinnung durchsetzen will, lässt anderen keinerlei Raum, das funktioniert nicht auf Dauer", so der ehemalige Landeshauptmann. Es brauche die Fähigkeit, sich in sein Gegenüber hineinzudenken und die Folgen der eigenen Entscheidungen zu Ende zu denken. Dieser Prozess sei aber nie abgeschlossen und der Politiker müsse Entscheidungen treffen, auch wenn sich nicht alle Folgen abschätzen ließen. Zudem müsse man auch die eigene Gesinnung immer auch auf den Prüfstand der Vernunft stellen - "kritisch sein und loyal bleiben", so Pühringer.
Friede, Klima, Demografie
Gerade in den jetzigen Krisensituationen zeige sich die Notwendigkeit, vorläufige Entscheidungen zu treffen und eigene - langfristig durchaus richtige - Ziele zurückzustellen. So würden - trotz Klimakrise - angesichts der Energiekrise Öl und Kohle wieder stärker eingesetzt und bestehende Atommeiler weiter betrieben. Zu verantwortungsvoller Politik gehört es laut Pühringer, "nicht Angst zu schüren, sondern Mut zu machen, zu zeigen, wie es geht, und nicht, wie es nicht geht".
Als wesentliche politische Herausforderungen nannte der ehemalige Landeshauptmann zuvorderst Friede, Sicherheit und Funktionsfähigkeit der EU. Im Klimaschutz brauche es "mutiges Entscheiden; die große Linie muss bleiben". Weiteres großes Thema sei die demografische Entwicklung, "wir gehen in eine Altengesellschaft", so Pühringer. In Oberösterreich seien derzeit 25 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre alt, in 25 Jahren werde es jeder dritte sein; und der jeder zweite Wähler werde dann über 60 sein. Die Folgen auf dem Arbeitsmarkt: Jährlich verlassen in den nächsten Jahren in OÖ. ca. 25.000 Personen den Arbeitsmarkt, bis max. 15.000 kommen hinein; das bedeute einen jährlichen Rückgang der Arbeitskräfte um 10.000, österreichweit bis zu 70.000. Neben den Folgen für den Wirtschaftsstandort habe dies auch schwere Auswirkungen auf das Sozialsystem: Jene, die einzahlen, werden dramatischen weniger, die Empfänger deutlich mehr, und die Pflegekosten würden ebenfalls entsprechend steigen.
Zum Verhältnis von katholischer Kirche und Politik sagte Pühringer - er ist seit 1980 Mitglieder Katholischen Männerbewegung -, die Prinzipien des Mariazeller Manifestes seien dafür weiterhin Grundlage. Die Parteien bestimmen ihre Nähe und Ferne zur Kirche selbst. Er erwarte keine "schweigende Kirche"; Kirche sei zu allen Zeiten politisch, müsse die Finger in die Wunden der Gesellschaft legen, aber auch selbst Kritik ertragen. Kirchen und Staat hätten die große gemeinsame Aufgabe, "dass Menschen gut leben können"; und zu guter Lebensqualität gehöre eine Antwort auf die Sinnfrage und geistige und ethische Orientierung.
Die ORF-Fernsehjournalistin Marianne Waldhäusl zeigte auf, was "Verantwortung im Journalismus" konkret heißt - in der Wahl eines Themas und den Inhalt, im Blick auf Informanten und Blick auf die handelnden Personen. Besonders ging sie auf das Anliegen ein, barrierefreie Angebote zur Verfügung zu stellen, denn auch für Menschen mit Beeinträchtigungen gebe es ein Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft und Zugang zu Medienangeboten. Zu den Maßnahmen, die etwa der ORF anbietet, gehören Untertitelung, Audiodeskription, Gebärdensprache, barrierefreie Online-Angebote sowie leicht verständliche Sprache. Sie hob zugleich die Verantwortung der Mediennutzer hervor: Man müsse sich fragen, ob eine Quelle vertrauenswürdig ist, ob die Darstellungsweise überspitzt ist, Fakten und Meinung vermischt werden. Vorsicht sei vor allem dann geboten, wenn eine emotionale Sprache verwendet wird, verallgemeinert und Angstmache betrieben wird.
"Sonnentor": Nachhaltigkeit auf vielen Ebenen
Zum Abschluss der Sommerakademie, die dem Thema "Verantwortung" gewidmet war, schilderte der Geschäftsführer des Bio-Unternehmens "Sonnentor", Klaus Doppler, wie "Sonnentor" seine Verantwortung gegenüber der Natur, den produzierenden Bauern, den eigenen Mitarbeitern und den Kunden gegenüber konkret wahrzunehmen versucht - von einer Kultur der Wertschätzung und flachen Hierarchien im Unternehmen über Konfliktmanagement bis hin zu eigener hochwertiger Betriebsküche und eigenem Kindergarten.
"Sonnentor" mit Sitz im nördlichen Waldviertel hat für den Anbau der Gewürze, Kräuter und Tees Verträge nicht nur mit Bauern in der Umgebung, sondern in viele Regionen der Welt. Die Auswirkungen des Klimawandels seien überall zu spüren, so Doppler, allem voran ausbleibender Regen und veränderter Schädlingsdruck. Zu den Maßnahmen, die "Sonnentor" dazu setzen will, gehören die Schaffung von Wasserreservoirs für Bewässerung, die Erzeugung von Biokohle, die viel CO2 bindet und sich sehr gut als Dünger eignet, sowie Maßnahmen zur Stromspeicherung. Hackschnitzelheizung und Photovoltaik seien schon seit langem im Einsatz. Als zukunftsträchtig betrachte man die Wasserstofftechnik, deren Entwicklung und Einsatz wolle man unterstützen, so Doppler.
Ehrung der Romero-Preisträger 2021
Im Rahmen der Sommerakademie wurden noch einmal die beiden Empfänger des von der KMB vergebenen Romero-Preises 2021 mit einem Fest geehrt - die beiden Brasilien-Missionare und Prämonstratenser-Chorherren P. Bernhard-Michel Schelpe und P. Milo Ambros aus dem Stift Geras. Die Preisverleihung im November 2021 konnte bedingt durch Corona-Pandemie nur in ganz kleinem Rahmen erfolgen. Der Romero-Preis - er ist mit 10.000 Euro dotiert - wird für herausragende Leistungen im Bereich Gerechtigkeit und Entwicklung von der Aktion "Sei so frei" der KMB vergeben. P. Schelpe und P. Ambros haben in Brasilien - in einem Armenviertel in der Stadt Salvador de Bahia - mit diözesaner Unterstützung aus St. Pölten eine Reihe von pastoralen, sozialen und schulischen Projekten ins Leben gerufen.
Die 35. Sommerakademie der Katholischen Männerbewegung wurde am Donnerstag mit einem Vortrag vom für die Katholische Aktion zuständigen Referatsbischof, dem Grazer Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl, eröffnet. Bis zum Samstag ging es bei der Tagung in Horn um "Verantwortung zwischen Klimawandel, Pandemie und Erschöpfung".
Quelle: kathpress