Kirche gedenkt des Mönchs und "Erbsenzählers" Gregor Mendel
Die katholische Kirche gedenkt eines ihrer verdienstvollsten Brückenbauers zu den Naturwissenschaften - des Augustiner-Mönchs und Genetik-Pioniers Gregor Mendel. Österreichische Kirchenzeitungen erinnern in aktuellen Beiträgen an dessen Geburtstag am 20. Juli vor 200 Jahren und der Priester, Pharmazeut, Mediziner und Bioethiker Matthias Beck würdigt Mendel in einem Podcast und betont dabei: Zwischen dem christlichen Glauben und einer wissenschaftlichen Erforschung der Naturgesetze besteht keinerlei Gegensatz - im Gegenteil: Die unterschiedlichen Zugänge von Theologie und Naturwissenschaft auf die Geheimnisse des Lebens bilden "eine perfekte Ergänzung".
Gregor Mendel, als Johann Mendel am 20. Juli 1822 in Heinzendorf bei Odrau (damals Österreichisch-Schlesien, heute Tschechische Republik) geboren, war Ordenspriester des Augustinerordens und Abt der Abtei St. Thomas in Brünn. Berühmt als Entdecker der nach ihm benannten Mendelschen Regeln der Vererbung wurde er erst nach seinem Tod am 6. Jänner 1884 in Brünn. Seine über viele Jahre privat im Klostergarten durchführten Kreuzungs-Versuche mit sorgfältig ausgewählten Erbsensorten folgten einem völlig neuen Ansatz in der Vererbungslehre.
Die Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen widmet dem "Erbsenzähler und Mönch" ebenso einen ausführlichen Nachruf wie das Wiener Diözesanblatt "Der Sonntag". Dort kommt P. Dominic Sadrawetz, Prior des Wiener Augustinerklosters, mit der Feststellung zu Wort, Naturwissenschaft und Glaube seien für Gregor Mendel kein Widerspruch gewesen: "Die Naturwissenschaft führte ihn nicht von Gott weg, sondern näher hin zu dem, der alles ins Dasein gerufen hat." Aus einem erst 1965 aufgefundenen Predigtkonzept Mendels gehe hervor: "Das Leben teilen wir mit allen belebten Geschöpfen, - das Leben des Glaubens teilen wir mit Christus, der das Leben selber ist." Sadrawetz betonte: "So sehr Gregor Mendel einerseits mit Leib und Seele Naturwissenschaftler war, so sehr blieb er andererseits als Mensch, Ordensmann und Priester zugleich geprägt von einem tiefen Gottesglauben und Gottvertrauen."
Auch menschlich sei sein Ordensbruder eine Größe gewesen, so der Prior: Der 1867 zum Abt gewählte mährische Augustiner habe sich durch seinen Umgang mit Menschen ausgezeichnet, er sei großzügig, bescheiden, liebenswürdig, pflichtbewusst und charakterfest gewesen und habe sich auch in wirtschaftlicher Hinsicht als geschickt erwiesen.
Matthias Beck, als langjähriges Mitglied der Bioethikkommission selbst ein Brückenbauer zwischen Glaube und Wissenschaft, bedauerte, dass Mendels zweifache Ausrichtung als begabter Naturwissenschaftler und katholischer Priester überhaupt als Widerspruch empfunden werden können. Christen hingen einer "Logos-Religion" an. Den biblischen Begriff Logos mit "Wort" ins Deutsche zu übersetzen, greife viel zu kurz, wies Beck hin. "Logos meint die Urlogik Gottes ... Wenn Gott der Schöpfer ist, zeigt er sich in der Natur, die Logik Gottes in den Naturgesetzen."
"Er hat schlichtweg die Genetik entdeckt"
"Er hat schlichtweg die Genetik entdeckt", sagte Magnus Nordborg vom Gregor Mendel Institut in Wien im Gespräch mit der APA über den Begründer der modernen Biologie. Zu Lebenszeiten wendeten zwar die Pflanzen- und Tierzüchter erfolgreich seine "Vererbungsregeln" an, die Wissenschaft nahm jedoch von den Entdeckungen keine Notiz. Den vielseitig interessierten Naturforscher und Priester verunsicherte die akademische Ignoranz nicht: "Meine Zeit wird schon noch kommen", soll er gesagt haben. Er hatte recht: Heute ist Gregor Mendel als "Vater der Genetik" bekannt.
Geboren wurde Mendel am 20. Juli 1822 in Heinzendorf bei Odrau (Tschechien), er war ein guter Schüler, aber arm. Nach seinem Abschluss mit vorzüglichen Noten studierte er an der Universität Olmütz Philosophie. Wegen Geldmangels und "bitterer Nahrungssorgen" brach er die Ausbildung ab und trat 1843 in das Augustinerkloster in Brünn ein. Ihm wurde der Ordensname Gregorius verliehen und er empfing die Priesterweihe.
Neben seinem Theologiestudium besuchte Mendel Vorlesungen über die Obstbaum-Zucht und lernte Samen vermehren, Kreuzungstechniken und Ausleseverfahren. Da er Physik und Naturgeschichte unterrichten wollte, trat Gregor Mendel 1859 zur Lehramtsprüfung in Wien an. Er scheiterte und studierte an der Uni Wien Physik, Chemie, Mathematik und Biologie, um für einen zweiten Versuch besser gewappnet zu sein, bei der Lehramtsprüfung fiel er jedoch ein weiteres Mal durch.
Systematische Kreuzungsversuche
1856 begann der Ordensmann im Klostergarten systematische Kreuzungsversuche mit Gartenerbsen (Pisum sativum). "Mendel sah ein Muster in den natürlichen Vorgängen", erklärte Magnus Nordborg, der das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaft (ÖAW) leitet: "Mit seinen Experimenten versuchte er zu verstehen, wie die Welt funktioniert. Das ist Wissenschaft im ursprünglichsten Sinn, und die Art, wie sie betrieben werden sollte, weil es nur so zu den wirklichen Durchbrüchen kommt."
Um die Erbsen zu bestäuben, nahm Mendel aus einer Blüte mit einem Tuschepinsel Pollen und übertrug sie auf die Narbe einer noch ungeöffneten Blüte einer anderen Pflanze. Er arbeitete mit 22 Sorten und sieben gut unterscheidbaren Merkmalen wie die Farbe der Schoten. Damit wurde für ihn das Vererbungsgeschehen überschaubar. Zwischen 1856 und 1863 kultivierte er 28.000 Erbsenpflanzen und wertete seine Ergebnisse statistisch aus. 1866 veröffentlichte er seine Erkenntnisse mitsamt ausführlicher Versuchsbeschreibungen und Auswertungen im knapp 50 Seiten starken Büchlein: "Versuche über Pflanzen-Hybriden".
Auf Basis seiner Untersuchungen stellte er drei Vererbungsregeln auf: die "Uniformitätsregel", die "Spaltungsregel" und die "Unabhängigkeitsregel". Der Augustinermönch kannte freilich weder "Gene" noch "Chromosomen", sondern stellte "lediglich" fest, dass es "teilchenartige Elemente" gibt, die auf die Nachkommen übertragen werden. "Bis die chromosomale Vererbung gefunden wurde, mussten noch 50 Jahre vergehen, und noch weitere 50 Jahre, bis man die DNA identifizierte", so Nordborg. Mit der Entdeckung von Chromosomen und Genen konnten seine Regeln aber widerspruchsfrei erklärt werden. Nicht einmal in irgendeiner Kleinigkeit wurden seine Postulate korrigiert, erklärte der Pflanzenforscher: "Sein grundlegendes Prinzip ist unglaublich universell." Alles was seitdem folgte, seien lediglich Ergänzungen.
Das österreichisch-tschechische EU-Projekt "G. J. Mendels Vermächtnis für Wissenschaft, Kultur und Menschheit" wurde aus Anlass des 200. Geburtstags von Gregor Mendel eingereicht und hat eine langfristige grenzüberschreitende Zusammenarbeit zum Ziel. Sichtbarer Ausdruck des Projekts ist die Rekonstruktion des Glashauses im Hof der Augustiner-Abtei Alt-Brünn, in dem Gregor Mendel Erbsen zur Beobachtung und statistischen Auswertung züchtete. Das neue Glashaus soll bis Ende 2022 fertiggestellt sein und als Veranstaltungsort für Vorträge oder Konzerte dienen.
Quelle: kathpress