Wien: Internationales Symposion über "Messianische Juden"
In der kommenden Woche steht das Gespräch mit der messianisch-jüdischen Bewegung im Fokus einer wissenschaftlichen internationalen Tagung an der Universität Wien. Auf Einladung des Instituts für Systematische Theologie und unter Schirmherrschaft von Kardinal Christoph Schönborn diskutieren vom 11. bis 13. Juli Expertinnen und Experten aus den USA, Großbritannien, der Schweiz, Österreich, Deutschland, Israel, der Ukraine, Finnland, den Niederlanden, Polen und Italien unter dem Titel "Jesus - also the Messiah for Israel? Messianic Jewish Movement and Christianity in dialogue". Messianische Juden glauben an Jesus als den Messias Israels und behalten zugleich ihre jüdische Identität bei, indem sie nach den Regeln der Thora leben.
Erstmals im deutschsprachigen Raum wird dieser Dialog auf wissenschaftlicher Ebene geführt, betonte Initiator Prof. Jan-Heiner Tück am Freitag gegenüber Kathpress. Der Grund für diese Befassung sei ein dreifacher, so der Wiener Dogmatik-Professor. Zum einen wachse die pluriforme Bewegung seit den 1970er-Jahren stark an und könne schon allein religionsstatistisch nicht mehr ignoriert werden - Schätzungen sprechen von 250.000 bis 300.000 Anhängern. Zum anderen sei bereits im Jahr 2000 vom Heiligen Stuhl eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, die heute unter Leitung von Kardinal Schönborn stehe und die mit dieser Tagung dem ausdrücklichen Wunsch von Papst Franziskus entspreche, das Gespräch zwischen christlicher Theologie und messianisch-jüdischer Bewegung theologisch zu vertiefen. Schließlich werde die Diskussion im anglophonen Raum bereits seit Jahren intensiv geführt, sodass hier ein gewisser Nachholbedarf bestehe.
Gleichwohl bleibe das Thema "delikat", führte Tück weiters aus: Messianische Juden würden innerhalb des Judentums nicht mehr als Juden anerkannt, auch die Katholische Kirche sei bislang eher zurückhaltend gewesen, da sie die Errungenschaften des jüdisch-christlichen Dialogs nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) nicht gefährden wolle. Teile der messianisch-jüdischen Bewegung seien stark vom charismatisch-evangelikalen Christentum beeinflusst und praktizierten partiell auch Judenmission. Von organisierter Judenmission aber hat sich die Katholische Kirche ausdrücklich abgekehrt und anerkannt, dass Israel im ungekündigten Bund stehe.
"Delikat" bleibe das Thema auch im Blick auf die Eschatologie und die Frage der Landverheißung. Viele messianische Juden glauben, dass mit der Wiederkunft (Parusie) Christi Israel wiederhergestellt werde und geschichtlich-konkret ein 1000-jähriges messianisches Friedensreich beginne. Die Spiritualisierung und Enthistorisierung der christlichen Hoffnung stellen sie damit in Frage. Der Staat Israel sei zwar 1993 als säkular Rechtsstaat vom Vatikan anerkannt worden, eine theologische Legitimation der Politik sei damit aber nicht verbunden, der auch viele messianische Juden kritisch gegenüberstehen.
"Dies alles gilt es bei einer solchen Tagung und im Dialog miteinander sensibel und kritisch zu bedenken", betonte Tück. Zugleich aber stelle die wachsende messianisch-jüdische Bewegung die "Israel-Vergessenheit" der katholischen Theologie in Frage und sei in vielen Punkten eine "produktive Irritation": "Sie spiegelt uns, dass Jesus ein Sohn des Volkes Israel war. Die heidenchristliche Kirche hat in den ersten Jahrhunderten die Judenchristen, die ecclesia ex circumcisione verdrängt, die nun wiederkehrt." Wenn man außerdem den "Grundsatz der anamnetischen Solidarität mit den jüdischen Opfern der Geschichte" ernst nehme, so könne man "über die Ausgrenzungen und Stigmatisierungen, die messianische Juden weithin von beiden Seiten erfahren, nicht schweigen", so Tück abschließend.
Unter den Referenten der Tagung sind neben Tück der Wiener Alttestamentler Prof. Ludger Schwienhorst-Schönberger, der Provinzialrat der Zentraleuropäischen Jesuitenprovinz, P. Christian Rutishauser, der Tübinger Bibelwissenschaftler Prof. Michael Theobald, der Freiburger Dogmatiker Prof. Helmut Hoping, sowie zahlreiche internationale Experten für das messianische Judentum wie Richard Harvey (Großbritannien), R. Kendall Soulen (USA), Mark Kinzer (USA), David Neuhaus (Israel) und andere. Seitens der Erzdiözese Wien begleitet Diakon Johannes Fichtenbauer die Tagung.
Quelle: kathpress