Linz: Gedenken an "Brückenbauer zwischen Judentum und Christentum"
An die bleibende Aktualität des deutschen Humanisten und Philosophen Johannes Reuchlin (1455-1522) wurde bei einer Gedenkfeier aus Anlass seines 500. Todestages am Donnerstag in der Neuen Synagoge in Linz erinnert. Reuchlin sei ein "Brückenbauer zwischen Judentum und Christentum" gewesen und "mit Vernunft und Argumenten" und dem Appell "Verbrennt nicht, was ihr nicht kennt!" gegen die Vernichtung jüdischer Literatur aufgetreten, betonte dabei der Obmann der "Gesellschaft Freunde Johannes Reuchlin", Franz Praher.
Der Einladung von Praher und seiner Stellvertreterin, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Linz, Charlotte Herman, waren u.a. auch der Linzer Generalvikar Severin Lederhilger in Vertretung von Bischof Manfred Scheuer sowie Gudrun Becker als Vertreterin des Christlich-Jüdischen Komitees OÖ gefolgt.
Reuchlin plädierte damals für eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Judentum, erzählte Gudrun Becker im Nachklang der Veranstaltung gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress (Donnerstag). Mit dieser Position habe er keinen Rückhalt in der Kirche gehabt, aber durchaus in humanistischen Kreisen.
Die Begegnung mit dem jüdischen, kaiserlichen Leibarzt Jacob ben Jechiel Loans in Linz 1492 war der Anstoß zur konstruktiven Auseinandersetzung mit dem Judentum. Bei Loans lernte er u.a. Hebräisch und wurde letztlich zum ersten nichtjüdischen Hebraisten im deutschsprachigen Raum. Bemerkenswert ist für Becker, "dass Reuchlin immer Christ blieb, sich sogar kurz vor seinem Tod zum Priester weihen ließ, trotz der fehlenden Unterstützung der Kirche bzw. trotz auch vorhandener Repressalien, wie Bücherverbote und trotz der Faszination für das Judentum". Das Reuchlin-Zitat "Verbrennt nicht, was ihr nicht kennt" fasse die Haltung Reuchlins treffend zusammen, so Becker, und biete "viele Anknüpfungspunkte und Anwendungskontexte in der Gegenwart."
Seine Festrede widmete Kulturjournalist Heinz Sichrovsky in sprachlicher Dichte über zahlreiche Zitate dem Leben Reuchlins (Volltext: https://tabakfabrik-linz.at/2022/06/festakt-zu-johannes-reuchlins-500-todestag-in-der-linzer-synagoge). Die musikalische Gestaltung der zweistündigen Gedenkfeier übernahmen Wilhelm Hager (Gitarre) und Julius Stiglechner (Klarinette, Querflöte). In Vertretung des Bürgermeisters der Stadt Linz, Klaus Luger, nahm Gemeinderat Stefan Giegler an der Veranstaltung teil. (Infos zu Johannes Reuchlin: https://tabakfabrik-linz.at/2020/01/johannes-reuchlin-das-wunderzeichen-mit-linz-bezug)
Quelle: kathpress