Bischofskonferenz: Synodale Impulse aus den Geschwisterkirchen
In Mariazell beraten am Montag und Dienstag die Mitglieder der Österreichischen Bischofskonferenz mit den Vertreterinnen und Vertretern aus den Diözesen, katholischen Organisationen und Orden. Ziel ist die gemeinsame Erarbeitung des finalen österreichischen Beitrags zum weltweiten Synodalen Prozess. Eröffnet wurden die Beratung mit Impulsen aus der Ökumene: Der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) und der evangelische Bischof Michael Chalupka skizzierten ihr jeweils konfessionsspezifisches Verständnis von Synodalität. Der Tenor aus den Beiträgen: Der Synodale Prozess in der katholischen Kirche könne auch die Ökumene bereichern.
Er wünsche dem Synodalen Prozess in der Katholischen Kirche nur das Beste und er bete, "dass die gemeinsame Besinnung auf unsere Wurzeln im Hören auf den Heiligen Geist Frucht bringen", meinte Metropolit Arsenios. In ähnlicher Weise äußerte sich Bischof Chalupka.
Der evangelische Bischof erläuterte dabei u.a. höchst weitreichende Kompetenzen der evangelischen Synode: Diese sei die verfassungsgebende Versammlung für ihre Kirche, sie beschließe sämtliche Kirchengesetze, die das kirchliche Leben regeln. Dazu gehöre etwa auch die Haushaltsplanung. Die Synode wähle auch die Mitglieder des Oberkirchenrates, einschließlich des Bischofs oder der Bischöfin. Die hohe Bedeutung der Synoden zeigt sich auch daran, dass der Synodenpräsident in der lutherischen Kirche neben dem Bischof gemeinsam die gesamtkirchliche Repräsentanz nach außen inne habe. In der Evangelischen Kirche A. und H.B. in Österreich sei der Synodenpräsident allein der höchste Repräsentant.
Theologische Grundlage für Synodalität in der Evangelischen Kirche sei das allgemeine Priestertum aller Getauften, führte Chalupka weiter aus. Freilich sei schon Martin Luther klar gewesen, dass das geistliche Amt besondere Fachkenntnisse und Kompetenzen brauche. Aber die Verantwortung für die Gemeinde tragen alle Getauften gemeinsam und jedes getaufte Mitglied der Gemeinde hat die gleiche Würde.
Differenz zwischen Sollen und Sein
Der Bischof verwies auf den Wiener lutherischen Systematiker und Oberkirchenrat Johannes Dantine. Dieser habe davon gesprochen, dass die Kirche an ihrer eigenen Wirklichkeit, an der nie aufhörenden Differenz zwischen Sollen und Sein leide. Glaubende Menschen sind gerecht und sündhaft zugleich und auch die Kirche sei nicht identisch mit dem Reich Gottes. Wie jeder Einzelne, so scheitere auch die Kirche als ganze immer und immer wieder an Gnade und Gerechtigkeit. Werde dieses Scheitern bewusst, so leide die Kirche darunter. Das Leiden werde zum Antrieb des stetigen "semper reformanda". In Kombination mit dem ersten Leitgedanken - dem allgemeinen Priestertum aller Getauften - bedeutet das laut Chalupka: "Die Versammlung der Synode hat wesentlich die Aufgabe, zu überprüfen, ob man noch die Kirche ist, in der das Evangelium rein gepredigt wird und in der die Sakramente stiftungsgemäß zugänglich gemacht werden."
Chalupka ging in seinen Ausführungen u. a. auf das Spannungsfeld von Mehrheitsentscheidungen und dem sogenannten "magnus consensus" - übersetzt als große Einmütigkeit - ein. Diese Einmütigkeit sei letztlich eine Wirkung des Heiligen Geistes.
"Synoden sind Stückwerk"
Die evangelischen Kirchen hätten, wie der Bischof einräumte, auch Erfahrungen damit gemacht, dass das demokratische Mehrheitsprinzip für Unrecht und Unterdrückung verwendet werden kann. Er erinnerte an die Unterwanderung der deutschen evangelischen Kirchen in der NS-Zeit durch die Kirchenpartei der "Deutschen Christen". In Österreich war es nicht dazu gekommen, "freilich auch aus dem einfachen praktischen Grund, dass es in der NS-Zeit in Österreich keine Kirchenwahl und keine Synode gab". Der Schock darüber saß aber auch in der evangelischen Kirche in Österreich in der Nachkriegszeit tief.
Schließlich resümierte der Bischof: "Synoden sind Stückwerk. Sie sind Suchbewegungen, manchmal im Dickicht der Meinungen, manchmal in der Klarheit des gemeinsamen Weges. Bei aller Frustration für den Durchsetzungswillen Einzelner, die sie mit sich bringen, sind sie unserer Kirche ein großer Segen geworden."
"Gemeinsames Hören auf den Heiligen Geist"
Metropolit Arsenios (Kardamakis), der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich, hob in seinen Ausführungen hervor, dass die Orthodoxie das synodale Selbstverständnis der Alten Kirche lebendig bewahrt habe. Freilich räumte er ein, dass die gelebte Praxis heute oft ein anderes Bild zeige. Im orthodoxen Bewusstsein sei besonders das Apostelkonzil bis heute maßgeblich. "Die Apostel und die Ältesten diskutierten gemeinsamen mit der gesamten Gemeinde. Wichtig ist aber, wie dieser Disput gelöst wurde: im gemeinsamen Hören auf den Heiligen Geist", so der Metropolit.
Die Wurzeln des synodalen Systems würden sich schon in der Struktur und im Leben der ersten christlichen Gemeinschaften finden, führte Kardamakis aus. In diesem Zusammenhang habe etwa der orthodoxe Theologe und Metropolit Ioannis Zizioulas von einer "Urkonziliarität" der ersten christlichen Gemeinden gesprochen, die - wie er beobachtet - eine erstaunlich "nahe Verwandtschaft" synodal-konziliarer Elemente des Gemeindelebens und der eucharistischen Versammlungen aufweist. Diese enge Verbindung sei dann entscheidend für die folgende Ausgestaltung der synodalen Strukturen der Kirche gewesen. Man könnte sogar sagen, so Kardamakis, "dass ihr synodaler Charakter zu ihrem Wesen als eucharistische Gemeinschaft (communio) gehört, die auf Christus und Seiner Jünger gründet".
In der Taufe würden die Christen neu geboren und zu Königen, Propheten und Priestern gesalbt. Das sei die tiefste Grundlage jeder Form von Synodalität: erst der Anteil der einzelnen Glieder am einen Leib ermöglichen seine Lebendigkeit; alle Glieder des einen Leibes sind aufeinander angewiesen. Die Einheit der Glieder dürfe aber nicht mit Einheitlichkeit verwechselt werden, so der Metropolit.
Zentrale Rolle des Bischofsamtes
Bereits früh habe sich in der Kirche das Bischofsamt herausgebildet, das sich in der Nachfolge der Apostel verstand, so Kardamakis: "Im Bischof konzentriert sich die communio der Kirche in ihrem lebendigen und geschichtlichen Bewusstsein und in der Feier der Eucharistie." Die Versammlung der Bischöfe als Vorsteher der einzelnen Ortskirchen habe die kirchliche Erfahrung des ganzen und einen Leibes der einzelnen örtlichen eucharistischen Gemeinschaften zum Ausdruck gebracht. Durch den Bischof bestehe eine ursprüngliche und zugleich definitive Verbindung zwischen Synodalität und Eucharistie.
Synodalität sei weder eine äußerliche Organisationsform der Verwaltung, noch eine einmal eingerichtete kirchliche Struktur, "sondern die Gegenwart des Heiligen Geistes, die sich auf vielfältige Weise dort ausdrückt, wo die Menschen auf Gott antworten". Der "synodale" Aufbau der Kirche drückte sich am eindrücklichsten auf den Ökumenischen Konzilien aus, aber auch auf den zahlreichen regionalen oder lokalen Synoden, die zusammengerufen wurden und werden, um Fragen des Glaubens zu klären. Ebenso drücke sich Synodalität aber auch bei Wahlen und Weihen von Bischöfen in der Orthodoxen Kirche aus, wie auch nicht zuletzt in der konkreten Verwaltung in Form von zahlreichen Gremien eines jeden Bischofssitzes.
Konzilien als Folgen von Krisen
Wie der Metropolit weiter ausführte, seien die großen Konzilien immer aufgrund von tiefen Krise einberufen worden. "Es waren Krisen, die das Selbstverständnis der Kirche auf den Prüfstand stellten, ihre communio und ihre Einheit." Die synodale Struktur der Kirche auf allen Ebenen stehe daher im Dienst der Katholizität, sie bedingen sich gegenseitig.
Wesentlich zur Synodalität gehöre freilich, dass Beschlüsse auch vom gesamten Volk Gottes rezipiert würden. "Ohne die Anerkennung der Konzilsbeschlüsse, ohne dass das Volk Gottes ihr vom Heiligen Geist inspiriertes 'Amen' darunter setzt, können diese nicht Fleisch und Blut der Kirche werden."
Metropolit Arsenios und Bischof Chalupka hielten nicht nur einführende Impulsvorträge, sondern nahmen auch an den weiterführenden Beratungen in Mariazell teil.
Quelle: kathpress