Schönborn: Ernsthafte Bedenken gegenüber deutschem Synodalen Weg
Mit ernsthaften Bedenken am deutschen kirchlichen Reformprozess Synodaler Weg hat Kardinal Christoph Schönborn aufhorchen lassen. So wichtig es sei, dem Skandal des Missbrauchs nachzugehen, ihn aufzuklären und die Opfer zu hören, so sehr finde er die weitreichenden kirchenreformerischen Forderungen des deutschen Synodalen Weges als problematisch. "Ich empfinde das, vielleicht ist der Ausdruck zu stark, als eine Instrumentalisierung des Missbrauchs. Zumindest besteht die Gefahr", so Schönborn in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Communio". Dabei sei es "sehr fraglich, ob damit dem Missbrauchsthema und den Betroffenen wirklich Gerechtigkeit widerfährt".
Ihn befremde, "dass man so schnell vom Missbrauchsthema zu Kirchenverfassungsfragen übergeht". Dabei sei "die Evidenz dieses Konnex" bei Weitem nicht reflektiert und erwiesen. "Ist das wirklich ein direkter Konnex, dass Missbrauch in der Kirche geschehen ist, weil es keine Gewaltenteilung im Sinne demokratischer Rechtsstaaten gibt? Ich bezweifle das", so Schönborn im Gespräch mit dem Schriftleiter der "Communio", dem Wiener Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück. Die Tatsache des Missbrauchs sei "kein Argument gegen Leitung", die Tatsache der Vertuschung durch Bischöfe und Priester an sich "kein Argument gegen die bischöfliche Verfasstheit der Kirche". Gewiss, der Missbrauch durch Priester sei "sicher die schlimmste Form von Missbrauch" - aber dies als Argument dafür zu nehmen, "dass die Stiftung Jesu geändert oder korrigiert werden muss, scheint mir verfehlt".
Schönborn kontrastierte dies mit dem Hinweis auf den österreichischen Weg des Umgangs mit Missbrauch. Die Causa Groer habe schließlich nicht nur 1995 zum Rücktritt von Kardinal Hans Hermann Groer geführt, sondern auch zur Gründung der ersten Ombudsstelle im gesamten deutschen Sprachraum - eine Einrichtung, die inzwischen selbstverständlich und bewährt sei. Zudem habe man 2010 mit der Einrichtung der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft unter Waltraud Klasnic und der Einrichtung einer eigenen Stiftung Opferschutz rasch reagiert: "Dieser Weg war eindeutig opferorientiert. Natürlich steht nach wie vor die Frage im Raum, ob dieser oder jener Bischof, diese oder jene kirchliche Institution, Orden etc. vertuscht haben oder nicht. Aber eines war für uns klar: An erster Stelle muss es um die Betroffenen gehen."
Keine Verhandlung über Weiheamt
Eine Diskussion über Synodalität indes sei nur sinnvoll, wenn die auf Bibel und Tradition fußenden Grundlagen nicht vollends außer Acht gelassen würden. Wenn etwa der Synodale Weg in Deutschland das geweihte Amt an sich infrage stelle, "dann ist hier etwas falsch gelaufen - schlicht und einfach", kritisiert der Kardinal. Darüber könne nicht synodal verhandelt werden. Schließlich gebe es "klare lehramtliche Äußerungen" mehrerer Päpste. Auch dürfe man theologischerseits nicht die Tradition als Quelle der Lehre der Kirche außer Acht lassen. "Das ist nicht mehr Synodalität, das ist ein anderer Weg, aber sicher nicht Synodalität im Sinne der Kirche."
Schönborn wandte sich auch gegen eine "medial geschürte Behauptung", wenn sich die Kirche jetzt nicht modernisiere, werde sie zugrunde gehen. Eine solche Haltung produziere lediglich eine "ungute Untergangsstimmung". Stattdessen warb er dafür, sich einen "inneren Raum" für Tradition und "Treue zu einer diachronen Synodalität" zu bewahren. Mit Blick auf den Ausschluss der Frauen vom Priestertum gab er beispielsweise zu bedenken: "Vielleicht ist hier ein Sinngehalt, der sich mir jetzt und auch der Mehrheit der Gesellschaft heute nicht erschließt, den aber zu hüten vielleicht die Kirche beauftragt ist."
"Zeige mir, Herr, deine Wege"
Synodalität im Sinne von Papst Franziskus und des vom Papst initiierten Synodalen Prozesses meine dagegen einen "geistlichen Weg des Suchens, des Betens und Bittens", so der Kardinal. "Und das gemeinsam." Theologisch grundiert sei dieses Verständnis von Synodalität letztlich in der Trinität, d.h. in der "heiligen Ursprungsordnung" von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Synodalität und Hierarchie dürften daher auch nicht als "Gegensätze" verstanden werden. Schönborn: "Ich glaube, es wäre ein wichtiges Thema, diesen trinitarischen Ursprung der Synodalität ausgiebiger zu reflektieren."
Was Synodalität im Kern meine, komme durch das biblische Psalmwort "Zeige mir, Herr, deine Wege, lehre mich deine Pfade." (Ps 25, 4) klar zum Ausdruck, so der Wiener Erzbischof weiter. Das "Ich" dieser Bitte könne auf die Kirche, das Volk Gottes, hin bezogen werden und laute dann: "Zeige uns deine Wege, lehre uns deine Pfade." Darin seien mehrere Elemente, die wesentlich zur Synodalität gehören, zusammengefasst. "Zuerst einmal die Anrede an den Herrn. Es ist eine Bitte, die sich an den Herrn wendet." Diese "ex-zentrische Ausrichtung auf den Herrn" sei wichtig und helfe, "selbstreferenzielle Reformdiskurse aufzubrechen". In der Hinwendung zum Herrn werde auch deutlich: "Wir wissen nicht alles. Wir suchen. Wir suchen Wege und bitten den Herrn: Zeige uns, nicht nur mir persönlich, sondern uns als Gemeinschaft deine Wege. Es geht nicht um unsere Wege, sondern um seine Wege."
Zu beachten sei weiters, dass der Psalm bewusst den Plural verwende. "Es ist nicht ein Weg, der hier für alle auf gleiche Weise verordnet wird, sondern es sind 'deine Wege'. Synodalität ist also zuerst und vor allem eine Bitte an den Herrn um seine Wege. Das schließt andere Wege aus, es geht um Prozesse der Unterscheidung", so der Kardinal. Das Unterscheiden müsse daher gemeinsam und im Blick auf Herrn geschehen, um nicht auf Irrwegen oder in Sackgassen zu landen. Schönborn resümierend: "Synodos ist ein gemeinsamer Weg. Und das heißt, es ist zugleich ein geistlicher und ein handlungsorientierter Weg."
(Wortlaut des Interviews: https://www.communio.de/inhalte.php?jahrgang=2022&;ausgabe=3&artikel=5)
Quelle: kathpress