Zulehner: Abschied von Klerikalismus und "Dienstleistungskirche"
Einen immer noch vorhandenen doppelten Klerikalismus ortet der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner in der Katholischen Kirche. Mit dem von Papst Franziskus angestoßenen Synodalen Prozess soll dieser freilich überwunden werden, wie Zulehner in einem Beitrag im Kärntner "Sonntag" (aktuelle Ausgabe) darlegt. Neben der Vorstellung einer sich aus der Weihe ergebenden Über- bzw. Unterordnung gebe es noch eine zweite zu korrigierende Vorstellung: jene einer "Dienstleistungskirche".
Jesus sei es um das Kommen des Reich Gottes gegangen. "Das Ziel war nicht nur, dass die Menschen in den Himmel kommen, sondern dass jetzt schon der Himmel auf die Erde kommt. In Spuren wenigstens. Reich Gottes meint: mehr Gnade, Gerechtigkeit, Friede und Freude in der Welt", so Zulehner. Damit seine Bewegung mit seinem Weggang nicht zu Ende geht, habe Jesus eine Gemeinschaft gegründet, "die gestärkt durch seinen Geist miteinander auf dem Weg durch die Zeit ist und sich um das Kommen des Himmels auf die Erde müht". So sei die Kirche von Anfang an eine "engagierte Gemeinschaft, in der Jesus bewegte und wir miteinander (syn) auf dem Weg (odos) sind. Sie ist also, vom Geist des Auferstandenen geführt, in ihrem Wesen synodal."
Vor allem in der Verfolgung des Anfangs sei die Kirche von einer radikalen Egalität aller geprägt gewesen. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) habe sich dieser Sozialgestalt des Anfangs erinnert. Alle in der Kirche seien berufen und begabt, um sich an der Mission der Kirche zu engagieren.
"Hier der Klerus, dort die Laien"
Zwischen dem Anfang und dem Konzil habe sich freilich eine absolutistische Sozialgestalt eingebürgert, "die weniger mit dem Evangelium, sondern mehr mit der Welt zu tun hatte". Ein "pastorales Schisma" sei innerhalb der Kirche entstanden: "hier der Klerus, dort die Laien", so Zulehner: "Die einen sorgten sich, die anderen wurden seelsorglich umsorgt." Aus der Ordination (Weihe) der einen sei eine Subordination (Unterordnung) der anderen geworden. Diese Kirchengestalt habe ihren Höhepunkt auf dem Ersten Vatikanischen Konzil (1869/70) erreicht.
Das Zweite Vatikanum habe dies zwar grundsätzlich überwunden. Aber, so Zulehner: "Der Klerikalismus lebt weiter: sonst würde Papst Franziskus nicht so heftig gegen ihn ankämpfen." Es gebe immer noch vereinzelt Ordinierte, die ihr Amt nicht synodal, sondern klerikal ausüben.
Übersehen werde aber auch ein anderer Klerikalismus. Dieser lebe in den Köpfen nicht weniger Kirchenmitglieder bzw. Kirchenbeitragszahler. Es sei die Vorstellung von einer Art "Dienstleistungskirche, von der man Beerdigungen und Taufen wünscht".
Zentrale Anliegen von Papst Franziskus im Synodalen Prozess seien Mission, Gemeinschaft und Partizipation: "Alle Getauften, und nicht nur Ordinierte, sollen über den Weg der Kirche in der Welt von heute beraten. Alle sind auf dem gemeinsamen Weg verpflichtet, auf den Geist zu hören und die 'Geister zu unterscheiden'." Aufgabe der Amtsträger sei es nicht, die entscheidenden Beratungen aller zu ersetzen, sondern sicherzustellen, "dass diese auf der Spur des Evangeliums liegen", so der Pastoraltheologe.
Quelle: kathpress