"Aktion Leben": EU-Parlament polarisiert beim Thema Abtreibung
Im Straßburger EU-Parlament läuft in Bezug auf das Thema Schwangerschaftsabbruch nach Ansicht der "Aktion Leben Österreich" einiges völlig schief: Am Donnerstag sei es nach einer "meist sehr emotional anstatt sachgerecht geführten Debatte" zu einer "einseitigen Resolution" mit der Forderung gekommen, ein "Recht auf Abtreibung" in die Grundrechte-Charta der EU aufzunehmen; die Verweigerung von Abbrüchen aus Glaubens- oder Gewissensgründen soll fallen. Die "Aktion Leben" sieht in dem Mehrheitsbeschluss eine "Polarisierung", die die weitere Radikalisierung beim Thema Schwangerschaftsabbruch fördere sowie einen "Rückschritt der Fähigkeit, menschengerechte Kompromisse zu finden", hieß es in einer Aussendung am Freitag.
Mit deutlicher Mehrheit hatte das Europäische Parlament am Donnerstag eine höchst umstrittene Entschließung "zu weltweiten Bedrohungen des Rechts auf Abtreibung" und der möglichen "Abschaffung des Rechts auf Abtreibung in den USA" angenommen. Am Donnerstagnachmittag stimmten in Straßburg 364 Europaabgeordnete für den Text, 154 dagegen, darunter der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten, Manfred Weber.
"Aktion Leben"-Generalsekretärin Martina Kronthaler fürchtet negative Folgen durch das Votum: "Abbruch als Menschenrecht etablieren und die Dramatik des Abbruchs nicht sehen zu wollen, wird dazu führen, dass sich die Staaten weiter um grundlegende Verpflichtungen drücken: Die meisten Staaten werden sich - so wie Österreich - auch in Zukunft nicht um Prävention und Maßnahmen bemühen, die Frauen und Männern ein gutes Leben mit Kindern ermöglichen", lautet ihre pessimistische Prognose. Denn die Resolution enthalte keine Forderungen zur Unterstützung von Frauen und Familien, damit es zu möglichst wenig Schwangerschaftsabbrüchen kommt.
Das EU-Parlament habe es verabsäumt, die Entscheidungsfreiheit von Frauen "in alle Richtungen zu ermöglichen", beklagte Kronthaler. Gleichzeitig gelte es, die Gewissensfreiheit von Fachkräften in medizinischen Berufen anzuerkennen. Vor allem aber müssten die Staaten "endlich flächendeckend für professionelle Beratungen und Unterstützungen sorgen", forderte die Generalsekretärin. Viele Frauen würden sich auch bei ungeplanten Schwangerschaften für das Austragen des Kindes entscheiden, wenn es ausreichend Unterstützung gebe. Kinder zu bekommen und zu betreuen dürfe nicht länger mit so vielfältigen Einschränkungen für Frauen verbunden sein, so Kronthaler. "Dies sollte Priorität der EU zum Thema Frauenrechte sein."
"Was Frauen wirklich brauchen"
Als "besorgniserregend" bezeichnete die "Aktion Leben"-Aussendung die unversöhnliche Haltung der Fraktionen im EU-Parlament. Lob zollte Kronthaler dem früheren AfD-Spitzenkandidaten und jetzt zur christlich geprägten Deutschen Zentrumspartei (DZP) übergetretenen Abgeordneten Jörg Meuthen, der "sachgerechte Worte" gefunden habe: Der deklarierte Katholik nahm neben Frauen auch die Kinder in den Blick: Jede Abtreibung bedeute das Ende eines entstandenen Lebens und dürfe nicht zur Routine werden. Gleichzeitig sei die psychische und physische Unversehrtheit der Frau zu berücksichtigen, so Meuthen. Die EU solle ihre Energie auf Hilfe und Beratung im Einzelfall legen.
Für die "Aktion Leben" wäre das ein Weg aus der gegenwärtigen Polarisierung: "Die Entscheidungsfreiheit zu akzeptieren, die Gesundheit von Frauen zu wahren und gleichzeitig Schwangerschaftsabbrüche nicht zu verharmlosen." Nach dem "ideologischen Rausch" sei es jetzt an der Zeit, zur Sachpolitik zurückzukehren, befand Kronthaler. Ihr Appell: "Widmen wir uns dem, was Frauen wirklich brauchen und was auch vorgeburtlichen Kindern eine Chance gibt: zuallererst Hilfe und Beratung, familienfreundliche Rahmenbedingungen, Perspektiven für das Leben mit Kindern und aus Respekt vor den Frauen medizinisch und menschlich bestmögliche Betreuung, wenn die Fortsetzung der Schwangerschaft unmöglich erscheint."
EU-Bischöfe gegen "Recht auf Abtreibung"
Die Vertretung der katholischen Bischöfe bei der EU (COMECE) hatte bereits vor der Debatte im Europaparlament betont, dass weder europäisches noch internationales Recht ein anerkanntes "Recht auf Abtreibung" vorsehen. Kein Staat könne daher verpflichtet werden, Abtreibung zu legalisieren, zu erleichtern oder zu ihrer Durchführung beizutragen, erklärte Generalsekretär Manuel Barrios Prieto am Mittwoch in Brüssel. Ausdrücklich mahnte er zur Achtung der vertraglich festgelegten Zuständigkeiten der EU-Mitgliedstaaten.
Hintergrund der EU-Resolution ist ein durchgesickerter Urteilsentwurf des Obersten Gerichts der USA, der den Bundesstaaten unter Abkehr vom Grundsatzurteil "Roe vs. Wade" von 1973 die Möglichkeit von Abtreibungsverboten einräumen will. Die EU-Abgeordneten sehen darin einen "Rückfall" bei Frauenrechten sowie den Rechten in Zusammenhang mit reproduktiver und sexueller Gesundheit.
Quelle: kathpress