Caritas-Präsident Landau: Gerechtigkeitsdebatte mutiger führen
Für eine Kultur des Teilens in einer Zeit, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, hat Caritas-Präsident Michael Landau im Interview mit der Tageszeitung "Krone" (Sonntagsausgabe) plädiert. Die Zahl der Dollar- bzw. Euro-Millionäre sei weltweit deutlich gestiegen. "Gleichzeitig wissen Menschen nicht, wie sie den Alltag bewältigen können. Diese Gerechtigkeitsdebatte muss auf der politischen und gesellschaftlichen Ebene wesentlich mutiger geführt werden". Derzeit stünden große Aufgaben an, die Frage sei, wie diese "in einer fairen Weise" bewältigt werden können.
Viele Millionäre seien sozial engagiert, "also es gibt diese Kultur des Teilens", zeigte sich der Caritas-Präsident überzeugt. Aber für strukturelle Probleme brauche es auch strukturelle Lösungen. Klar sei, "solange Milliarden-Unternehmen in Österreich und in Europa praktisch legal keine Steuern zahlen, möchte ich nicht darüber diskutieren müssen, ob jene, die wenig haben, den Gürtel noch enger schnallen können". Als Caritas werde man sich niemals mit der Not abfinden. "Christus hat die Kirche nicht zum Ja-Sagen gestiftet, sondern als Zeichen des Widerspruchs", zitierte Landau in diesem Zusammenhang den langjährigen Caritas-Präsidenten, Prälat Leopold Ungar.
Einmal mehr forderte Landau von der Politik Maßnahmen gegen die Teuerungen ein, die über Einmalzahlungen hinausgingen, ein "Rettungsschirm gegen die Armut" müsse rasch gespannt werden. Landau sehe derzeit zwar ein Bemühen vonseiten der Bundesregierung, dieses müsste aber "noch ein ganzes Stück entschiedener werden". Konkret forderte Landau die rasche Erhöhung der Mindestpensionen, der Familienbeihilfe und des Pflegegeldes.
Teuerungen belasten die Menschen
"Mein Appell an die Bundesregierung ist, mit 1. Juli einen einmaligen Ausgleich zu machen, der die Menschen entlastet und dann die zweite Jahreshälfte für eine strukturelle Veränderung zu nützen." Zentral seien dabei die Sozialhilfe Neu und der Familienbonus. Erstere müsse grundlegend in Richtung einer echten Mindestsicherung reformiert werden. Der Familienbonus hingegen müsse gerechter ausgestaltet werden, sodass er die Familien, die ihn am dringendsten bräuchten, auch erreiche. Die Bundesregierung habe sich das Ziel gesteckt, die Kinderarmut deutlich zu reduzieren, "ich habe den Eindruck, dass dieses Ziel zurzeit nicht einmal halbherzig verfolgt wird", kritisierte Landau.
Wie sehr die Teuerungen die Menschen belasten, merke man bei der Caritas derzeit massiv. "Wir sehen in unseren Sozialberatungsstellen, etwa in Wien, einen Zuwachs von rund 30 Prozent im ersten Quartal des heurigen Jahres. In anderen Bundesländern sind die Zahlen ähnlich", berichtete Landau. "Es kommen Menschen zu uns, die nie gedacht hätten, dass sie eines Tages Unterstützung der Caritas brauchen." Das gleiche Bild ergebe sich bei den Lebensmittelausgaben. Während die Caritas in den 15 Wiener LE+O-Stelen im Vorjahr etwa 17 Tonnen pro Woche ausgegeben habe, seien es jetzt bereits 24 Tonnen.
Dass sich die Stimmung in der Bevölkerung, angesichts der steigenden Inflation und des Ukraine-Kriegs, in dessen Folge viele Menschen auch nach Österreich geflüchtet sind, umkehren könnte, sieht Landau derzeit nicht. Man habe mit Hilfe der Bevölkerung mittlerweile 1,5 Millionen Menschen in der Ukraine und den Nachbarländern erreichen können, "trotz der schwierigen Situation gibt es noch immer eine enorme Solidarität in Österreich". Der "Grundwasserspiegel der Nächstenliebe" sei nach wie vor hoch, wenngleich der andauernde Krieg die Probleme auf internationaler Ebene natürlich verstärke, betonte Landau mit Verweis auf Hungersnöte, die aufgrund von Blockaden von Getreidetransporten etwa in Afrika drohten.
Pfingsten ist Fest der Hoffnung
Grundsätzlich gehe es immer um die "Grundmelodie von Zusammenhalt und Zuversicht", weshalb es wichtig sei, "den Blick für die Not nicht zu verlieren, zusammenzustehen, anzupacken und auf die Ärmsten nicht zu vergessen". Angesichts der Krisen habe der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck den Satz "Wir werden alle ärmer werden" fallen gelassen, dem wolle er zuversichtlicher entgegensetzen: "Wir werden teilen müssen", so Landau. Das sei möglich, zeigte er sich überzeugt, "es ist genug für alle da, aber nicht für jedermanns Gier".
Pfingsten ist für Landau "ein Fest der Hoffnung und des Mutes". "Gott will uns nicht klein und ängstlich und geknickt, sondern aufrecht und stark. So können wir die Gegenwart und Zukunft gestalten". Es sei heute nicht immer einfach, Mut und Hoffnung zu bewahren, aber, "das ist die Zeit, die uns anvertraut ist und diese Zeit sollen wir nützen und gestalten", so Landau abschließend.
Quelle: kathpress