
Bischof: Kollaps der Wirtschaft und Gesellschaft in Sri Lanka
Über die Herausforderungen und die schwierige Situation der Menschen in seiner Heimat hat Raymond Wickramasinghe (59), Bischof der Diözese Galle im Süden Sri Lankas berichtet. Der Bischof war auf Einladung der Diözesankommission für Weltkirche und EZA der Erzdiözese Wien kürzlich auf Besuch in der österreichischen Hauptstadt und schilderte die dramatischen Entwicklungen auf dem Inselstaat, wie die Erzdiözese am Montag mitteilte.
Sri Lanka durchlebe derzeit die schwierigsten Zeiten seit vielen Jahrzehnten, berichtete der Bischof. "Wir haben so eine Not in Sri Lanka bisher noch nicht gesehen", beschrieb er etwa den täglichen Kampf der Menschen um Nahrung, Medikamente und Treibstoff. Das Land sei wirtschaftlich und gesellschaftlich kollabiert, alles sei knapp geworden und die Preise für das Lebensnotwendige stiegen ins Unermessliche.
Eine Krise folge der anderen und versetze das Land in einen gefährlichen Ausnahmezustand. So habe der fast drei Jahrzehnte andauernde Bürgerkrieg, dem der ethnische Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen zugrunde liegt, an die 100.000 Todesopfer gefordert. Ein Tsunami habe 2004 70 Prozent der Ost- und Südküste zerstört und die Corona-Pandemie den sich gerade erholenden Tourismus im Land wieder zusammenbrechen lassen, berichtete der Bischof.
Auch die Katholische Kirche sei in einer schwierigen Lage. Der Bischof erinnerte etwa an die Ostersonntags-Attentate, die 2019 das gesamte Land und insbesondere die Kirche erschütterten und bei denen mindestens 253 Menschen ums Leben kamen und 485 weitere Personen verletzt wurden.
In seiner Heimatdiözese im Süden seien die Katholiken mit 0,4 Prozent in der absoluten Minderheit, erklärte Wickramasinghe. In ganz Sri Lanka machen die Katholiken etwa 6 Prozent aus, drei Viertel der Bevölkerung gehört dem Buddhismus an, weitere 9 Prozent sind Muslime. Die Kirche leiste aber trotz ihrer geringen Größe einen "unersetzlichen Beitrag zur Entwicklung des Landes", zeigte sich der Bischof überzeugt. So betreibe seine Diözese etwa mehrere Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, die allen Menschen, unabhängig von Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit, offen stünden.
Auch in der aktuellen Krise habe sich die Kirche zu Wort gemeldet und scheue nicht davor zurück, die Urheber zu benennen. "Wir verurteilen die staatlich geförderte Gewalt, die nur dazu dient, die eigene Macht und den unmoralisch angehäuften Reichtum auf Kosten des Wohls der Gesamtbevölkerung dieses Landes abzusichern." In ihrer Stellungnahme forderten die Bischöfe des Landes einen "radikalen Systemwandel" und die Einrichtung einer Übergangsregierung, die sich "unverzüglich um die Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Menschen kümmern müsse".
Man müsse nun alles versuchen, "das Sinken des Schiffes zu stoppen, bevor wir überlegen können, wie wir es wieder in die Horizontale ziehen" betonte Wickramasinghe. Er setze dabei auch auf die Kraft einer gemeinsamen interreligiösen Initiative führender Vertreter der Religionsgemeinschaften Sri Lankas. "Wenn wir als eine Stimme sprechen, können wir etwas bewirken", zeigte sich der Bischof überzeugt.
Quelle: kathpress