Hilfswerke fordern Erhöhung der Entwicklungshilfe
Österreichische Hilfsorganisationen fordern angesichts der aktuellen Krisen von der türkis-grünen Bundesregierung eine "substanzielle Erhöhung" der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit (EZA). Mehrere Organisationen, darunter die katholischen Hilfsorganisationen Caritas und "Jugend eine Welt", appellierten am Dienstag, dass Österreich dringend seiner Verantwortung nachkommen und entwicklungspolitische Strategien auf den Weg bringen müsse. Angestoßen hatte den Appell der NGO-Dachverband "AG Globale Verantwortung", der die Politik aufforderte, endlich entsprechende Grundlagendokumente der österreichischen Entwicklungspolitik zu beschließen.
"Die Strategie der Humanitären Hilfe der Republik Österreich und das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2022 - 2024 sollten seit Ende 2021 beschlossen sein und, wie im Regierungsprogramm vorgesehen, eine substanzielle Erhöhung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit enthalten", mahnte die Geschäftsführerin der "AG Globale Verantwortung", Annelies Vilim, in einer Aussendung am Dienstag ein. Nun sei es bereits Mai 2022 und ohne die Dokumente könnten weder neue Schwerpunkte in der Entwicklungszusammenarbeit gesetzt, noch die Humanitäre Hilfe strategisch ausgerichtet werden. "Österreich Entwicklungspolitik befindet sich im Leerlauf", so Vilim.
Eine neue Strategie für die Entwicklungspolitik forderte auch der Caritas-Generalsekretär für Internationale Programme, Andreas Knapp, am Dienstag ein. Zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten steige die Zahl an Menschen ohne ausreichend Nahrung wieder an, betonte Knapp. Weltweit kommt jedes siebte Kind untergewichtig zur Welt und 22 Prozent der Kinder unter fünf Jahren leiden an chronischer Unterernährung. Kriege und Konflikte, Covid-19, Klimakrise und steigende Armut würden sich dabei gegenseitig verstärken, so Knapp.
"Wir steuern auf zusätzliche humanitäre Krisen und eine Hungerkatastrophe zu. Die Covid-19 Pandemie und der aktuelle Krieg in der Ukraine haben schlagartig alles verändert", betonte der Generalsekretär. Deswegen brauche es dringend eine Erhöhung der EZA-Gelder sowie das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik und die Strategie der Humanitären Hilfe der Republik Österreich. Die im Regierungsprogramm verankerte substanzielle Erhöhung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit, hätte seit Ende 2021 beschlossen werden sollen, kritisierte auch Knapp.
Dominoeffekt durch Ukraine-Krieg
"Neben der sehr notwendigen Hilfe für die Menschen in der Ukraine dürfen wir auch jene Länder nicht vergessen, die unter dem 'Dominoeffekt' leiden", mahnte Knapp. Der Krieg werde die Ernährungssituation weltweit beeinflussen, "die Lebensmittel und Energie explodieren". Bereits vor Kriegsbeginn habe die Covid-19-Pandemie die globale Armutslage dramatisch verschärft. Nach einer aktuellen Schätzung könnten allein in diesem Jahr mehr als eine Viertelmilliarde Menschen zusätzlich in extreme Armut gedrängt werden. "Hinter dieser Zahl stehen persönliche Schicksale und Menschenleben", so Knapp.
Österreich müsse seinen Beitrag leisten, im Vergleich mit anderen EU-Ländern hinke man hinterher. Laut vorläufiger OECD-Zahlen hat Österreich im Jahr 2021 nur 0,31 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungshilfen bereitgestellt. Im Vergleich dazu stellte Deutschland 0,74 Prozent und Luxemburg sogar 0,99 Prozent seines BNE zur globalen Armutsbekämpfung zur Verfügung.
Angesichts der multiplen Krisen brauche es dringend ein positives Signal, dass Österreich seiner entwicklungspolitischen Verantwortung nachkomme, so Knapp: "Es ist höchst an der Zeit, das Budget für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe, wie im Regierungsprogramm vereinbart, zu erhöhen und das Dreijahresprogramm zu beschließen." Am vereinbarten Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungshilfe führe kein Weg vorbei.
"Jugend eine Welt": Rasche Erhöhung gefordert
Auch die katholische Hilfsorganisation "Jugend eine Welt" schloss sich am Dienstag dem Appell an die Bundesregierung an. "Es darf nicht sein, dass Österreich im internationalen Vergleich der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen immer noch auf den hinteren Plätzen liegt", erklärt Geschäftsführer Reinhard Heiserer in einer Aussendung. Auch er wies auf die niedrige Quote für bilateralen Entwicklungshilfeleistungen Österreichs hin und forderte eine rasche Erhöhung.
Weiters monierte die Hilfsorganisation fehlende Mittel für Bildung. Unter dem Leitgedanken "Bildung überwindet Armut" setze man sich seit der Gründung für benachteiligte Kinder und Jugendliche weltweit ein. Eine "Bildungsoffensive" wäre wichtig, etwa in Hinblick auf die Klimakrise und den weltweiten Ausbau von Alternativenergien.
Über kurzfristig geschnürte Hilfspakete hinaus, wie aktuell beim Krieg in der Ukraine, brauche es in Folge langfristige Entwicklungshilfeleistungen. Nur so könnte man den sich teils gegenseitig verstärkenden Krisen dauerhaft etwas entgegensetzen. "Nothilfe und langfristige Entwicklungszusammenarbeit müssen Hand in Hand gehen, um erfolgreich zu sein", zeigte sich Heiserer überzeugt. Der Stillstand bei der Finanzierung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit müsse deswegen dringen beendet werden.
Die "Globale Verantwortung - Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe" ist der Dachverband 35 österreichischer entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen. Unter ihnen sind auch zahlreiche kirchliche Organisationen. Dem Appell der Arbeitsgemeinschaft hatten sich am Dienstag noch weitere Hilfsorganisationen, wie "Concordia", das Rote Kreuz oder "Licht für die Welt" mit entsprechenden Aussendungen angeschlossen.
Quelle: kathpress