Scheuer: Linzer Gedenkort für Flüchtlinge "steht für Humanität"
Der auf der Flucht verstorbenen Menschen gewidmete neue "Gedenkort.Flucht" auf dem Stadtfriedhof Linz/St. Martin "steht für Humanität und für die Unverzichtbarkeit einer lebendigen Gedenkkultur in Österreich": Das hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer am Freitag bei der Eröffnung des Kunstprojekts betont, das im Rahmen einer multireligiösen Feier von ihm, dem evangelischen Superintendenten in Oberösterreich Gerold Lehner und dem Muslimenvertreter Binur Mustafi gesegnet wurde. Auch Kommunalpolitiker kamen bei der Eröffnung des davor von Rechtsextremen angefeindeten Kunstwerkes des Wiener Künstlers Arye Wachsmuth - ein "bergender" Raum ausgehend von der Form einer Träne - zu Wort.
Trauer und Gedenken verlangten nach begehbaren Orten, an denen man sich an konkrete Menschen mit deren Namen, Gesichtszügen, Biografie und Sinnentwurf erinnert, erklärte Scheuer in einer Aussendung der Diözese Linz. Genau darum gehe es auch beim Gedenkort für Menschen, die auf der Flucht verstorben sind: "Man will ihrer Würde als Mensch gerecht werden und sie der Anonymität entreißen."
Der "Gedenkort.Flucht" wurde von der gleichnamigen Projektgruppe unter der Leitung der Diözese Linz als Gemeinschaftsprojekt mit der evangelisch-lutherischen Kirche und der Islamischen Religionsgemeinde in Oberösterreich, der Kulturdirektion der Stadt Linz sowie der "Linz AG Friedhöfe" realisiert. Förderer waren neben Land Oberösterreich und den Städten Linz, Traun und Leonding auch die Diözese Linz, die Evangelische Kirche A. B. in Oberösterreich sowie der Otto-Mauer-Fonds der Erzdiözese Wien.
Das im Zeitraum von vier Jahren über Religions- und Parteigrenzen hinweg realisierte Kunstwerk sei als Gedenkort für ums Leben gekommene Flüchtlinge zu verstehen, als Trauerort für Hinterbliebene und als "Versammlungsort, an dem erinnert, gefeiert und gebetet wird", erläuterte Stefan Schlager, der Projektleiter von "Gedenkort.Flucht" der Diözese Linz.
Das Projekt von Arye Wachsmuth überzeugte die Jury eines Wettbewerbs mit internationaler Beteiligung. Die von ihm verwendeten Materialien - graue Zementfaserplatten und rostbrauner Cortenstahl - stünden für Brüchigkeit und Beständigkeit, hieß es in der Aussendung. An einer Gedenkwand in der Tradition einer "Klagemauer" werden zusätzlich zu den Namen der Verstorbenen und Vermissten auch Familienzugehörigkeiten benannt, um auch "namenlos" Gebliebene zu inkludieren. Er sehe sein Werk sowohl als Beitrag gegen das Vergessen als auch als Hoffnungssymbol für eine Veränderung, sagte Wachsmuth.
"Menschenverachtender" Widerstand gegen Projekt
Dieses Ansinnen missfiel der rechtsradikalen Identitären-Bewegung: Im September 2021 drangen rund ein Dutzend vermummte Mitglieder in das Linzer Diözesanhaus ein und protestierten lautstark und mit Flugzetteln gegen das damals noch in Planung befindliche Mahnmal. Bischof Manfred Scheuer und Landeshauptmann Thomas Stelzer kritisierten den Hausfriedensbruch damals scharf. Später wurden jedoch erneut öffentliche Protestaktionen gegen das Projekt angekündigt - wovon sich dessen Träger aber nicht irritieren ließen. Alle stünden trotz des Widerstands "selbstverständlich weiterhin voll hinter diesem gesellschaftlich wichtigen Projekt", betonte die Diözese im Oktober 2021. Und Bischof Scheuer erklärte Anfang November: "Gegen Gedenkorte zu demonstrieren, ist menschenverachtend."
Auch der oberösterreichische Integrationslandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer wandte sich damals gegen Hass und ein Gedankengut, das "Respekt vor unseren Mitmenschen, vor Verstorbenen und vor unseren Institutionen" vermissen lasse. Bei der Feier am Freitag unterstrich Hattmannsdorfer: "Krieg, Flucht und die damit verbundenen tragischen Schicksale dürfen niemals in Vergessenheit geraten."
Superintendent Lehner sprach von einem Ort, "der denen gilt, die davon träumten, an einem anderen Ort in Freiheit leben zu können, der Perspektivlosigkeit zu entkommen". Die Gedenkstätte bezeichne eine "offene Wunde in unserer Zeit" und sei eine "stille Mahnung, die 'Welt da draußen' nicht auszublenden". Binur Mustafi, Vorsitzender der Islamischen Religionsgemeinde Oberösterreich, unterstrich die gemeinsamen Werte der Menschenwürde, Nächstenliebe und Barmherzigkeit, "die aber nicht davon abhängig sein dürfen, welche Herkunft ein Mensch hat".
Quelle: kathpress