Glettler: Synodalität bedeutet auch, gemeinsam an Krisen zu arbeiten
"Wie geht's jetzt weiter?": Über diese Frage berieten am Samstag Expertinnen und Experten bei einer hochkarätig besetzten Sozialtagung der Diözese Innsbruck an der Universität Innsbruck. Wie Bischof Hermann Glettler in seinen Eröffnungsworten betonte, bedeute Synodalität auch, die vielfältigen gesellschaftlichen Verunsicherungen und "Krisencluster" ernst zu nehmen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten: "Wir alle müssen gemeinsam an unsere Zukunft glauben und für sie arbeiten. Gläubige und Kirche insgesamt haben mit der ihnen von Jesus anvertrauten Frohbotschaft und im Vertrauen auf den Hl. Geist den Dienst der Zuversicht zu leisten."
Zur Frage "Wie geht's jetzt weiter?" in Sozialstaat, Arbeit, Wirtschaft und auch in der Seele referierten und berieten u.a. der Friedens- und Kriegsberichterstatter Fritz Orter, "Falter"-Herausgeber Armin Thurnher, AK-Chefökonom Markus Marterbauer, die Landesgeschäftsführer-Stellvertreterin des AMS Tirol, Sabine Platzer-Werlberger, und die Innsbrucker Caritasdirektorin Elisabeth Rathgeb.
Bischof Glettler warnte eindringlich vor der doppelten Gefahr der Panikmache auf der einen Seite und der Verharmlosung auf der anderen Seite. "Übertreibung und Panikmache mit apokalyptischen Bildern" würde "lähmen oder in aggressive Reaktionsmuster drängen", während eine Verharmlosung oder Bagatellisierung der Krisen auf der anderen Seite die Gefahr berge, diese schlicht "aussitzen" zu wollen. "Diese fatale Haltung wird sich vor allem in der sich verschärfenden ökologischen Krise rächen. Wenn wir unseren Planeten in eine finale Erschöpfung treiben, gibt's mit Sicherheit kein Durchtauchen mehr. Aufwachen jetzt, Handeln jetzt!"
Es sei daher nötig, auf den umfassenden "Krisencluster" mit einem ebenso dichten "Cluster von Lösungsansätzen" zu antworten, so der Innsbrucker Bischof: "Es ist offensichtlich, dass wir es uns nicht mehr leisten können, nur in den Boxen abgeschlossener Disziplinen und Kompetenzbereiche zu verweilen. Die Dringlichkeit und Dimension der aktuellen Problemfelder zwingen uns zu einer neuen, beherzten Kooperation."
AK-Chefökonom Markus Marterbauer votierte in Folge angesichts der dramatischen ökonomischen Verschärfungen bzw. der steigenden Inflation und Teuerung für eine aktive Sozial- und Wirtschaftspolitik. Notwendig sei u.a. eine "markante Erhöhung von Arbeitslosengeld, Ausgleichszulage und Mindestsicherung dringend. Höhere Mindestlöhne, bessere Arbeitsbedingungen und innovative Arbeitszeitverkürzung bilden den Ansatzpunkt auf dem Arbeitsmarkt. Bessere soziale Dienste, vom Ausbau der Kindergärten bis zur sozialen Pflege bestärken die Verängstigten." Auf diese Weise könne es gelingen, Österreich armutsfest zu machen.
Ähnlich plädierte auch die Landesgeschäftsführer-Stellvertreterin des AMS Tirol, Sabine Platzer-Werlberger, für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Zwar sei das Arbeitslosenniveau auf den ersten Blick erstaunlich niedrig, doch hätte Corona zu einer Verschiebung der Problemfelder geführt - nach wie vor drängend seien Langzeitarbeitslosigkeit, körperliche und psychische Erkrankungen und Unsicherheit und Existenzängste unter den Arbeitnehmern, so Platzer-Werlberger. Es gebe ein bewährtes und funktionierendes Set an Maßnahmen - etwa den Ausbau von Bildungs- bzw. Fortbildungsangeboten, stärkere Gesundheitsprävention und eine nachhaltige Existenzsicherung; dies müsse allerdings aktiv eingesetzt werden.
Die Innsbrucker Caritasdirektorin Elisabeth Rathgeb unterstrich schließlich den Zusammenhang von sozialem Frieden und Gerechtigkeit: "Die Voraussetzung für sozialen Frieden ist Gerechtigkeit. Hier ist die Schere zwischen Arm und Reich leider auch in Österreich in den letzten Jahren weit auseinandergegangen. Die steigende Inflation und Preissteigerungen bei Lebensmitteln, Strom und Gas treffen vor allem die unteren Einkommensschichten. Das ist sozialer Sprengstoff. Deshalb muss hier dringend massiv gegengesteuert werden."
Quelle: kathpress