Bedingungsloses Grundeinkommen: Debatte hält an
Vom 2. bis 9. Mai läuft ein Volksbegehren für das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Ein monatlicher, fixer Betrag vom Staat für jede und jeden, um unabhängig von Arbeit und Arbeitslosigkeit gut und in Würde leben zu können, bildet dafür die Basis. Vom Grundeinkommen als "dringend gebrauchtes Instrument" schreibt die Politikwissenschafterin und frühere Mitarbeiterin der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe), Margit Appel, im "Pro & Contra" der Kooperationsredaktion der österreichischen Kirchenzeitungen (aktuelle Ausgabe). Währenddessen listet David Mum, Leiter der Grundlagenabteilung der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), Zweifel am Grundeinkommen auf.
"Wer etwas leistet, soll davon etwas haben, aber nicht bedingungslos und nicht für jede Art von Leistung." Diese Annahme sei fixer Bestandteil politischer Reden, führte Appel an und rief in Erinnerung: Die Hürden, zustehende Leistungen zu bekommen, dokumentieren Armutskonferenz bzw. "SozialrechtsNetz" regelmäßig. Dass der Termin beim Arbeitsamt oder beim Sozialamt ein Angsttermin sei, weil Beschämung und Enttäuschung drohen, sei "in einer demokratischen Ordnung ein Skandal", werde aber als quasi Nebeneffekt von "Bedürftigkeit" abgetan. "Soziale Rechte sind ein schöner Gedanke, ein gewisses paternalistisch-autoritäres Sozialstaatsbild ist gängiger", betonte Appel. Die Verwaltung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuergeldern brauche transparente Regeln, die neben Missbrauch auch "behördliches Autoritätsgehabe" hintanhalten.
Fragwürdige Ordnung
Der Leistungsbegriff ist für Appel, die sich im Netzwerk Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt engagiert, zu stark mit Macht verbunden. Das Hauptbedenken beim BGE bestehe darin, dass "die Leute" dann nicht mehr jede Erwerbsarbeit annehmen müssen. Für schlecht bezahlte, mühsame, wenig anerkannte Erwerbstätigkeit gäbe es dann zu wenig Nachfrage. "Das ist ein entlarvender Einwand hinsichtlich unserer Wirtschaftsordnung und unseres Menschenbildes", gab Appel zu bedenken: "Eine sozialethisch äußerst fragwürdige Ordnung." Hinsichtlich Sorgearbeit, zivilgesellschaftlichem und politischem Engagement sowie künstlerisch-kreativem Tätigsein bekräftigte sie, es sei "eine seltsame Ordnung, in der sich die Leistungen, die unsere Gesellschaft am Leben halten und lebenswert machen, nicht lohnen (dürfen)", im Gegenteil zu profitorientierter Leistungen.
Die Covid-19-Pandemie habe Nachdenklichkeiten "produziert". Die Frage nach dem Sinn des eigenen Tuns und der gesamten Ordnung sei drängender geworden. "Unsere Gesellschaft braucht diesen 'von unten' kommenden Veränderungsdrang angesichts der immer größer werdenden Macht einiger weniger, demokratische Verhältnisse zu hintertreiben", unterstrich Appel. "Das Grundeinkommen ist - in den Händen von uns Bürgerinnen und Bürgern und aller Menschen, die in diesem Land leben - ein dringend gebrauchtes Instrument." Mit dem BGE könne jeder Mensch selbstbestimmt Veränderungen, Reformen, Transformation gestalten.
Zweifel am Grundeinkommen
Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens klingt für David Mum "zunächst überzeugend". Trotzdem gebe es begründete Zweifel. Die Frage, ob es Erwerbsarbeit geben wird, werde nicht von Technologie und Digitalisierung entschieden, sondern hänge u. a. von der Gestaltung durch die Menschen ab. Denn, obwohl technischer Fortschritt viele Tätigkeiten ersetzt habe, sei Erwerbsbeteiligung heute höher als jemals zuvor. "Arbeitszeitverkürzungen und Verlagerung der Arbeit stehen uns auch künftig zur Verfügung." Zudem könne das BGE keine gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit garantieren. Der beste Ansatz dazu seien kürzere Normalarbeitszeit und eine Reduktion der Einkommensunterschiede unterschiedlicher Tätigkeiten.
Ein Grundeinkommen könne gesellschaftlich Erwerbsarbeit nicht obsolet machen. Viele gesellschaftlich notwendige Tätigkeiten seien nur durch Erwerbsarbeit sicherstellbar, darunter Gesundheitswesen, Feuerwehr, Rettungswesen, die Infrastruktur, Energieversorgung, Verkehr, Handel, Bildung. Nur durch relative Attraktivierung könne erreicht werden, dass genug Menschen in wichtigen Bereichen arbeiten.
"Das Grundeinkommen hat Kosten, die es nahezu unmöglich machen, andere wichtige Vorhaben zu finanzieren." Es koste etwa 100 Mrd. Euro und damit fast so viel wie der gesamte Sozialstaat. Die Summe sei auch fast so hoch wie die gesamte Nettolohnsumme, die den Arbeitnehmenden nach Steuern und Abgaben bleibt. "Diese Summe zusätzlich zum bestehenden Sozialstaat zu stemmen, ist illusorisch", betonte Mum. Trotz der größten Steuererhöhung, die es je gab, wäre nicht mehr Geld da für eine Aufwertung der Pflege, des Gesundheitssystems und Investitionen zur Verhinderung der Klimakatastrophe. Das seien aber die Bereiche, in denen es künftig weit mehr öffentliche Investitionen brauche. (Infos: www.volksbegehren-grundeinkommen.at)
Quelle: kathpress