Glettler über Ukrainehilfe: "Alles in die Waagschale werfen"
Der Aufruf des Innsbrucker Bischofs Hermann Glettler, möglichst viele Quartiere für Flüchtlinge aus der Ukraine bereitzustellen, "hat gefruchtet". Das berichtete die "Tiroler Tageszeitung" (10.4.) anlässlich der Öffnung eines Ordenshauses als Ankunftszentrum für 65 Schutzsuchende. Bereits während der Flüchtlingskrise 2015 hatten die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul in Innsbruck das ehemalige Internat als Flüchtlingsunterkunft den Tiroler Sozialen Diensten (TSD) zur Verfügung gestellt. Jetzt ist es ihr im September aufgelassenes Bildungs- und Besinnungshaus Marillac in Innsbruck, das als Übergang dient, bis die Vertriebenen in ein Folgequartier kommen.
Laut Glettler gilt es, sich auf die Aufnahme von etwa 20.000 Geflüchteten in Tirol vorbereiten. Die Diözese Innsbruck werde jedenfalls alle Möglichkeiten für zusätzliche Unterkünfte ausschöpfen. "Angesichts des Ausmaßes der Zerstörung durch diesen Krieg müssen wir alles in die Waagschale werfen, um den Vertriebenen etwas Geborgenheit und zumindest eine Zeit lang Sicherheit und Heimat zu bieten", zitierte die Zeitung den Bischof. Er sei sich sicher, "dass wir alle noch einen langen Atem brauchen".
Die TSD betreuen in Tirol derzeit 1.100 Kriegsvertriebene, weitere 100 seien in Privatquartieren untergebracht, sie werden erfasst und medizinisch versorgt. TSD, Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz, Pfarren und viele private Hilfsorganisationen arbeiten laut "Tiroler Tageszeitung" konstruktiv zusammen: vom Erstkontakt bei der Ankunft, der Zuweisung zu den Quartieren und der Unterstützung mit Lebensmittelgutscheinen bis hin zur Ermöglichung von Kindergarten- und Schulbesuch. "Nach einigen Startschwierigkeiten ergänzen sich die Hilfsmaßnahmen jetzt sehr gut", stellte Bischof Glettler fest. Zugleich müsse der Blick bereits nach vorne gerichtet werden.
Auf andere Flüchtlinge nicht vergessen
Glettler, für den seine Eindrücke von einem Besuch im griechischen Flüchtlingslager Moria noch sehr präsent sind, sagte: "Mit der heutigen Aufnahmebereitschaft wären 100 Familien aus Flüchtlingslagern in Griechenland leicht zu schaffen gewesen." Er bat darum, nicht in "Flüchtlinge erster und zweiter Klasse" einzuteilen. "Für alle, die vor Terror und Krieg geflohen sind, fühlt sich der Verlust der Heimat gleich hart an." Schule und Arbeit bezeichnete Glettler als zentrale Bausteine für Integration. "Arbeit wird den Asylwerbern aber verwehrt, dadurch kommt es zu einer Dynamik der Entfremdung und dem belastenden Gefühl, in einer ungewissen Warteposition zu sein."
Freilich besteht laut dem Bischof die Gefahr, dass die Abfolge von Krisen die Menschen mürbe macht. "Wir müssen uns fragen, was wir längerfristig schaffen können." Dazu benötige es eine gute Unterstützung der Ehrenamtlichen, Plattformen zum Austausch und zur Kooperation auf Gemeindeebene. "Und natürlich auch Momente, in denen das Leben wieder gefeiert wird. Auch Zeiten für Stille, Gebet und Gespräche", so Glettler. Das sei ganz wichtig, "um nicht in Überforderungen oder Enttäuschungen zu schlittern."
Auf die Frage, wie man in Zeiten wie diesen noch optimistisch sein könne, antwortet Glettler mit einem Hinweis auf Ostern. "In den biblischen Texten zeigt der Auferstandene seine Wundmale. Nichts wird verdrängt oder schöngeredet, aber ein Neubeginn ist möglich." Ostern sei das Fest des Widerstands gegen jede Form der Verzweiflung. "Deshalb wird der Fatalismus nicht das letzte Wort haben", ist sich der Bischof sicher.
Oberin: "Tut uns als Gemeinschaft gut"
Generaloberin Pauline Thorer erklärte zur Bereitstellung des Hauses Marillac der Barmherzigen Schwestern, diese sei in der aktuellen humanitären Krise "naheliegend" gewesen. "Zugleich tut es uns als Gemeinschaft gut, dass wir in der Not helfen und das Haus als Flüchtlingsquartier überlassen können." Zugute kämen jetzt auch die Erfahrungen aus dem Jahr 2015. "Damals sorgte die Ankündigung, dass wir Flüchtlinge aufnehmen, für Proteste", erinnerte sich Thorer. Daraufhin habe sich aus der evangelischen und der katholischen Pfarre ein Freundeskreis zusammengeschlossen, um die Flüchtlinge zu begleiten. Für die Ordensfrau der Schlüssel für ein gutes Zusammenleben und Integration. Dieser Freundeskreis sei auch heute wieder sehr wertvoll.
Quelle: Kathpress