Schönborn über Wiener Synoden-Umfrage: Gemeinsame Suche wichtig
Eine breite Beteiligung verzeichnet die Erzdiözese Wien bei ihren Erhebungen für die Vorbereitung der im Oktober 2023 stattfindenden Weltbischofssynode zum Thema Synodalität. Über 3.200 Personen haben einen Fragebogen zum Thema ausgefüllt, darunter 800 im Rahmen von Rückmeldungen ganzer Gruppen wie etwa Pfarren, kirchlichen Gremien oder Schulklassen. Am Dienstagabend wurden die zentralen Ergebnisse sowie die nächsten Schritte präsentiert. Kardinal Christoph Schönborn beteiligte sich an der Online-Veranstaltung und unterstrich, er halte das "gemeinsame Weitersuchen, wie die Kirche heute Gott spürbar machen und den Menschen Trost vermitteln kann", für entscheidend. Dabei sei es wichtig, "aufeinander zu hören und voneinander zu lernen", so der Wiener Erzbischof.
Die Rückmeldungen seien sehr "mannigfaltig" gewesen, betonte der Diözesanverantwortliche für die Synode, Pastoralamtsleiter Markus Beranek: Neben den Fragebögen seien auch Briefe, Schriften, Versammlungsprotokolle, Präsentationen und sogar Collagen, Zeichnungen, Videos und Podcasts zurückgekommen. So hatten sich 96 Schulklassen sowie 311 einzelne Schülerinnen und Schüler zu Wort gemeldet, sowie 212 Religionslehrerinnen und -lehrer und 121 Lehrkräfte katholischer Privatschulen im Rahmen eines Fragebogens des Schulamtes. Aus den Pfarren beteiligten sich 500 Personen bei Einsendungen aus 27 Pfarrgruppen sowie durch 250 Fragebögen von Einzelpersonen, 300 weitere durch die Beiträge von 24 kirchlichen Gremien. Besonders viele - 2.194 - Rückmeldungen erbrachte schließlich das Kernstück der Vorerhebungen, nämlich der Online-Fragebogen des Pastoralamtes der Erzdiözese, den 1.894 Einzelpersonen sowie 340 Gruppen ausfüllten.
Unter den demografisch auswertbaren Stimmen waren Frauen mit einer Anzahl von 1.339 überproportional vertreten, zudem antworteten 1.190 Männer, 11 Personen mit "divers" als Angabe und 690 ohne genauere Definition. Beteiligt waren alle Altersgruppen ab 10 Jahren, wobei die 50-65-Jährigen die zahlenmäßig stärkste Gruppe bildeten. Die meisten der Teilnehmenden waren ehren- und 202 hauptamtlich engagiert, 241 nicht aktiv in der Kirche und 61 bezeichneten sich als "distanziert".
Wunsch nach mehr Mitbestimmung
Die Ergebnisse dieser Erhebungen und Einsendungen wurden, entsprechend der Vorgehensweise auch in den anderen Diözesen, in einem elfseitigen Bericht zusammengefasst, der unter www.erzdioezese-wien.at/synode abrufbar ist. Erstellt wurde der Text von einem vierköpfigen Team von Studierenden, die die Vielzahl von eingelangten Anregungen, Ideen und Anliegen, aber auch Kritikpunkte und Wünsche ausgewertet und in fünf Themenbereiche zusammengefasst hatten. Edina Kiss, Dominik Höchtl, Jean-Louis Forrer und Daniel Koch, stellten bei dem Online-Event die Ergebnisse vor, wobei sie als Form der Vermittlung eine "Präsentation mit Lesungscharakter" gewählt hatten und zugesandte Statements vorlasen, die sie als repräsentativ erachteten.
Wichtigstes Querschnittsthema war bei den Rückmeldungen der Bereich "Partizipation, Hierarchie und Demokratie". Generell zeige sich ein hohes Maß an Partizipation, wo diese bereits möglich sei, und eine große Bereitschaft dafür, wo dies noch nicht der Fall sei, erklärte Koch. Sichtbar sei dies besonders an der hohen Zahl der ehrenamtlich Tätigen. Häufig würden in den Rückmeldungen Wünsche nach "mehr Partizipation bei Entscheidungen, Ernennungen von Amtsträgern und stärkere Einbindung von Religionslehrkräften" geäußert. Kirchenmitglieder wollten "gehört, wahr- und ernstgenommen werden" und ein Verständnis, "dass Kritik nicht zerstören soll, sondern Ausdruck von Sehnsucht ist".
Frauendiakonat "zentrales Anliegen"
Oftmals geäußert wurden Forderungen nach einer Stärkung der Rolle der Frauen in der Kirche sowie auch der Öffnung von Ämtern und Diensten für ebendiese. Frauen sollten aktiv und sichtbar in Liturgie, Verkündigung und Predigt einbezogen werden, Frauendiakonat und -weihe seien "zentrale Anliegen", erklärte Koch. Vieler Frauen hätten bei ihren Einsendungen auch darüber nachgedacht, "ob und wie die kirchlichen Strukturen ihre persönlichen Gottesbilder und Gottesbeziehungen beeinflussen". Gemeinsam mit den Rufen nach Gleichstellung und Gleichberechtigung werde oft von einer "weltfremden und altmodischen Kirche" gesprochen.
Bei den gesellschaftlichen Herausforderungen gibt es zwar viele Positiv-Wahrnehmungen von Kirche, darunter etwa das Engagement im Rahmen der Caritas, die Flüchtlingshilfe oder die Teilnahme am politischen Diskurs bei Themen wie Sterbehilfe oder Schutz ungeborenen Lebens. Überschattet werde dieser Einsatz laut den Rückmeldungen jedoch von Skandalen und deren von vielen nicht als zufriedenstellend erlebten Aufarbeitung. Eine Minderheit der Befragten sei der Ansicht, Kirche solle sich auf das Geistliche konzentrieren, erklärten das Auswertungsteam.
Modernisieren versus Bewahren
In vielen Rückmeldungen sei eine Spannung zwischen Tradition und Gegenwart spürbar, erklärte das Auswertungsteam. "Regeln, Gesetze und Worte, die spalten, trennen und verletzen, sollen eingetauscht werden gegen eine modernere, inklusive und inkludierende Kirche", forderten die einen, und ebenso, Kirche sollte der Zeit "mehr vorangehen und nicht nachhinken", in ihrer Sprache "verständlicher und nicht strafend" werden, und für "jeden, der will" offen sein. Von anderen Antwortenden werde jedoch auch Beständigkeit gewünscht, und zwischen diesen Polen von wieder anderen in der Mitte "eine Modernisierung, die nicht jedem Trend folgt", berichtete Koch.
Ein letzter Bereich widmete sich schließlich der Gemeinschaft. Kirche könne "menschliche Nähe", Begegnung und Austausch, gemeinsames Feiern und Beten, Ruhe und einen "Ort des Evangeliums" bieten, zeigten die Rückmeldungen, auch sei sie für viele eine "Tankstelle für das Leben". Dennoch gebe es bei einer Gemeinschaft mit dem "Innerhalb" zwangsläufig immer auch ein "Außerhalb", gaben Kiss und Koch zu bedenken. Viele Beiträge hätten daher auch erlebte Ausgrenzung thematisiert: Von Homosexuellen, Frauen oder Nichtglaubenden etwa. Die Vertreter des Auswertungsteams, die den Teilnehmenden der Befragung ihre Stimme liehen, erklärten, sie seien von der Heftigkeit der Kritik und den negativen Emotionen überrascht gewesen. "Da ist schon ein Problem, vor dem man nicht stehen bleiben darf", so Höchtl.
Schönborn: Ergebnisse "schmerzlich"
Auch Kardinal Schönborn zeigte sich "sehr nachdenklich" angesichts der Ergebnisse, die für ihn "nicht neu, aber schmerzlich" seien. Viele Menschen würden sich derzeit von der Kirche abwenden, worauf der "synodale Prozess" eine Antwort geben wolle. Es handle sich dabei um eine "gemeinsame Suche danach, welche die Wege Gott der Kirche heute zeigen will". Kirche sei "kein Selbstzweck, sondern leuchtet dort am strahlendsten, wo sie auf die Menschen statt auf sich selbst schaut", betonte der Erzbischof. Bestätigt sehe er dies in der hohen Anerkennung in den Rückmeldungen für Tätigkeiten der "Caritas im weitesten Sinn". Diese machten die Kirche für viele Menschen sehr glaubwürdig.
Eine Änderung könne der synodale Prozess der Weltkirche auch für mehr Partizipation erbringen, so Schönborns Hoffnung. Auch wenn es in jeder Gemeinschaft "so etwas wie eine Letztverantwortung" geben müsse, sei dies nicht als Alleinverantwortung zu verstehen. "Es geht immer um ein Miteinander und um Teamfähigkeit", betonte der Kardinal. Wenn Pfarrer sich als "Chef" sähen und ohne Rückfragen - "also ohne Synodalität" - Entscheidungen treffen, so beschreibe dieser Zustand das, was Papst Franziskus wiederholt als "Klerikalismus" anprangere. Auch die Bischöfe dürften sich nicht verhalten, "als wären wir die einzigen, die etwas zu sagen haben".
Nächste Schritte und Ebenen
Nach Abschluss der Erhebungsphase wird die Auswertungsgruppe als nächsten Schritt am Freitag die Ergebnisse im Bischofsrat besprechen, kündigte Pastoralamtsleiter Markus Beranek an. Der Schlussbericht wird an die Österreichebene weitergegeben, auf der im Juni bei einer "vorsynodalen Beratung" im Rahmen der Bischofskonferenz-Vollversammlung in Mariazell eine Synthese erstellt wird, die wiederum an das Synoden-Generalsekretariat in Rom für die weitere kontinentale und weltweite Vorbereitungsphase ergeht.
Man wolle jedoch in der Erzdiözese Wien auch über die am 15. August endende diözesane Phase hinaus am synodalen Prozess "dranbleiben", betonte Andrea Geiger, Leiterin der Stabstelle APG: Da Kardinal Schönborn im Oktober 2023 persönlich an der Weltbischofssynode in Rom teilnimmt, sei es bis dahin noch möglich, ihn "mit Ideen und guten Geschichten zu belagern". Unter anderem ist im September auch eine eintägige Diözesanversammlung zum Thema geplant.
Quelle: kathpress