Polak: "In der Demokratie sitzt man nicht erste Reihe fußfrei"
"In der Demokratie sitzt man nicht erste Reihe fußfrei, sondern man bringt sich in den Diskurs ein." Das betont die Wiener Pastoraltheologin Prof. Regina Polak in einer neuen Folge des Religionspodcasts "Wer glaubt, wird selig". "Erste Reife fußfrei ist ein ausgezeichneter Platz im Kino oder im Theater, aber sicher nicht die richtige Einstellung für mündige Bürgerinnen und Bürger", so die Theologin. Sie wollte im Podcast nicht von einer "Spaltung" der Gesellschaft sprechen. Das suggeriere zwei sich in Feindschaft gegenüberliegende Gegner. So sehe ihr gesellschaftlicher Befund nicht aus, sagte Polak. Sie wolle lieber von "Brüchen" oder "scharfen Konfliktzonen" sprechen, die sich zu Polarisierungen ausweiten könnten. - Allerdings eine immer noch außerordentlich herausfordernde Entwicklung.
Radikale Positionen oder Gruppierungen seien in Österreich sicher noch keine Mehrheitsphänomene. "Das sind immer noch Minderheiten", so Polak: "Das große Problem sehe ich vielmehr darin, dass die große Mehrheit viel zu sehr schweigt."
Demokratie bedeute immer auch Konflikt und Streit, betonte die Theologin: "Möglicherweise sind wir gerade dabei, das zu begreifen und zu lernen." Nicht die Konflikte an sich seien das Problem, sondern die Art und Weise, wie zunehmend mit Konflikten umgegangen wird: auf aggressive und autoritäre Weise, anstatt sich auch mit gegensätzlichen Standpunkten auseinanderzusetzen und um das bessere Argument zu ringen.
Polak nahm auch die Kirche in die Pflicht. Sie sehe etwa katholische Medien in der Verantwortung, eine konstruktive Rolle im gesellschaftlichen Diskurs zu übernehmen und deeskalierend und versachlichend zu wirken. Pfarrgemeinden wiederum könnten in ihrem Bereich Begegnungs- und Gesprächsräume eröffnen, so die Pastoraltheologin.
Das strukturelle Versagen der Kirche
In einer weiteren Podcast-Folge hat der Wiener Pastoraltheologe Prof. Paul Zulehner einmal mehr Strukturreform in der Katholischen Kirche eingemahnt, um künftig Missbrauch vorzubeugen. Das Hauptproblem für Missbrauch in der Kirche sei sexuell-erotische Unreife und "einige dieser sexuell unreifen Männer klopfen an die Tore des Priesterseminars." An dieser Stelle beginne das strukturelle Versagen der Kirche. Zulehner forderte ein psychologisches Screening aller Priesteramtskandidaten. Auch seien die in den Priesterseminaren vorherrschenden Männergesellschaften für die sexuelle Reife alles andere als förderlich. Zulehner sprach sich daher die verstärkte Einbindung von Frauen in die Priesterausbildung aus. Neu geweihte Priester sollten auch nicht sofort allein ihren neuen Aufgaben nachgehen, es brauche auch für Neupriester weiter gemeinschaftliche Begleitung.
Ein weiteres Problem ist laut Zulehner ein überhöhtes Priesterbild. Die archaische Überhöhung des Priesters in einen "heiligen Bereich" begünstige bei Personen mit Selbstzweifeln und geringer Selbsteinschätzung die Ausübung von Macht gegen Schwächere. In Kombination mit sexueller Unreife sei das eine "toxische Gemengelage", so der Theologe.
Allein mit der Aufhebung des Zölibates könne man das Missbrauchsproblem hingegen nicht gelöst, zeigte sich Prof. Zulehner überzeugt, der auf Missbrauchstäter in der evangelischen Kirche und im familiären Bereich verwies.
Die Kirche habe viel zu lange den Fehler begangene, Pädophilie für eine heilbare Krankheit zu halten, so Zulehner weiter. Zudem habe man das Wohl der Institution über jenes der Opfer gestellt. Damit sei die Kirche nicht allein gewesen, was aber nichts entschuldige. "Wenn man in die Geschichte zurückschaut, dann haben Institutionen nie das Kindeswohl an erster Stelle gehabt, sondern immer den Schutz der Institution. Die Heime in Wien und viele andere Einrichtungen haben haargenau dasselbe gemacht", so der Theologe.
Der von der ökumenischen Radioagentur Studio Omega produzierte Religionspodcast "Wer glaubt, wird selig", ist auf der Website der katholischen Kirche in Österreich (www.katholisch.at), auf www.studio-omega.at, auf https://studio-omega-der-podcast.simplecast.com; sowie auf iTunes, allen Smartphone-Apps für Podcasts und auf Spotify abrufbar.
Quelle: kathpress