Theologen plädieren für genaueres Hinsehen bei Tätern
Im Blick auf den Opferschutz ist die Katholische Kirche in Österreich "Vorreiter" und hat auch in Fragen der Prävention "ihre Hausaufgaben gemacht"; im Blick auf den Umgang mit den Tätern und die Aufarbeitung und Benennung konkreter Verantwortung jedoch steht auch Österreich noch ein langer Weg bevor: Das haben die Theologinnen und Theologen Prof. Regina Polak (Universität Wien), Prof. Sabine Konrad (Universität Graz) und Prof. Martin Lintner (PTH Brixen) im Rahmen einer neuen Folge des Theologie-Podcasts "Diesseits von Eden" betont (https://diesseits.theopodcast.at). So löblich die Arbeit der Klasnic-Kommission sei: Es brauche ein genaueres Hinsehen bei den Tätern, eventuell auch einer externen Studie, wie sie zuletzt in der Erzdiözese München für Aufsehen gesorgt hatte.
Die Grazer Kirchenrechtlerin Sabine Konrad lobte die Klasnic-Kommission und die Rahmenordnung der Katholischen Kirche in Österreich: Das System des Opferschutzes sei "sehr ausgebaut", mit der Etablierung diözesaner Kommissionen, der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft unter Waltraud Klasnic und der zuletzt im vergangenen Herbst erneut überarbeiteten Rahmenordnung "Die Wahrheit wird euch frei machen" habe man in Österreich "die Hausaufgaben gemacht". Ein externes Gutachten wie jenes in München sei dagegen zunächst eine nicht rechtsverbindliche Meinungsäußerung bzw. diene der Situationsbeschreibung. Aber es könne doch dazu beitragen, "die Augen zu öffnen" und neue Perspektiven einzubringen. Daher wäre ein solches Gutachten, das Verantwortung auf Seiten der Täter benennt, auch in Österreich durchaus zu empfehlen.
Auch die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak kann einer solchen Weitung der Perspektive etwas abgewinnen: Das Thema Missbrauch sei schließlich ein Thema für die gesamte Kirche und zudem eine "eminent theologische Frage", insofern Täter stets vor dem Hintergrund bestimmter theologischer Überzeugungen - Gottesbilder, Priesterbilder - und teils "pathologischer Spiritualitäten" handelten. Ein genauerer Blick auf die Täter, auf Schuld und Verantwortung, gehöre insgesamt "nicht zu den Lieblingsthemen der gesamten Gesellschaft", zeigte sich Polak überzeugt. Es spreche ja auch viel dafür, den ersten Blick auf die Opfer zu richten - "aber ich vermisse da etwas - und da geht es jetzt nicht darum, Täter zu dämonisieren", sondern darum, Schuld beim Namen zu nennen und die Übernahme von Verantwortung einzufordern.
Wertschätzend äußerte sich auch der Südtiroler Moraltheologe der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen, Martin Lintner, gegenüber dem österreichischen Weg. Für Italien, das sich weiterhin schwertue mit der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Kontext, sei Österreich ein Vorreiter und Vorbild. Zugleich würden ihm Betroffenen in Gesprächen immer wieder berichten, dass die Kirche offenbar nicht imstande sei, "glaubwürdig den Eindruck zu vermitteln, dass sie tatsächlich bemüht ist, alles zu tun, um einerseits Prävention zu leisten, aber wirklich auch das Unrecht, das durch Kirche zugefügt worden ist, aufzuarbeiten". Er habe jedenfalls "persönlich geglaubt, dass wir weiter sind in der Sache", so Lintner.
Die Podcast-Folge kann unter https://diesseits.theopodcast.at/missbrauch-kirche-theologie nachgehört werden. Der Podcast der theologischen Fakultäten in Österreich und Südtirol, "Diesseits von Eden. Gespräche über Gott und die Welt", ist unter https://diesseits.theopodcast.at abrufbar sowie über alle gängigen Podcast-Kanäle kostenlos abonnierbar (https://diesseits-von-eden.simplecast.com/; https://open.spotify.com/show/2UmXKDYRtqi3TMY6kgrAZ7?; https://podcasts.apple.com/at/podcast/diesseits-von-eden-gespr%C3%A4che-%C3%BCber-gott-die-welt/id1552193745).
Quelle: kathpress