Scheuer: Differenzierte Bilanz zur Rolle der Kirche in Pandemie
Eine differenzierte Bilanz zur Rolle der Kirche während der Pandemie hat Bischof Manfred Scheuer gezogen. "Dass sich unser liturgisches Leben so radikal eingeschränkt hat, haben uns viele nicht verziehen", sagte der Linzer Bischof den "Oberösterreichischen Nachrichten" (Freitag-Ausgabe). Er bleibe aber dabei: "Sich in einer Pandemie zu schützen, bedeutet noch immer, sich vor der Krankheit zu schützen und nicht vor den Maßnahmen."
Vom Rückgang der Gottesdienstbesucher in den vergangenen Pandemie-Monaten habe sich die Kirche bislang nicht erholt, räumte Scheuer ein. "Ich kann nicht einfach sagen: Jetzt sind wir wieder viele." Sonntagsroutinen der Menschen hätten sich geändert und es sei unklar, ob und wie rasch sich das zurückbildet. Andererseits hätten sich während der Lockdowns neue Formate eingespielt, verwies der Bischof auf regelmäßige TV-Gottesdienste und Internet-Streams aus Kirchen. Auch den ORF-Hörfunkgottesdienst feiern jeden Sonntag rund 700.000 Menschen mit, erinnerte Scheuer: "Das ist nicht nichts."
Während sich die Kirche etwa aus Sicht so mancher Impfgegner in der Pandemie zu deutlich positionierte, gab es von anderen Kritik, dass die Kirche in der Pandemie zu wenig im öffentlichen Diskurs präsent sei. Letzteres rückte der Linzer Bischof im OÖN-Gespräch zurecht: "Es haben nicht alle hingehört, wenn wir etwas zu sagen gehabt haben", betonte Scheuer zur Rolle der Kirche in der Pandemie.
Er plädiere generell dafür, beide Seiten zu betrachten. "Die Pandemie ist nur mit Wissenschaft zu bewältigen. Aber zu Beginn war die Wissenschaft Kult", zitierte die Zeitung den Bischof. Auf Nachfrage äußerte sich Scheuer auch zum Thema "Esoterik". Diese sei "ein riesengroßer Markt" geworden und habe "Gefühle zum Geschäft gemacht", so der Bischof. Kirche habe vielleicht bei ihren Reformen die Sehnsüchte der Menschen nach Natur und Brauch zu wenig mitgenommen, zeigte er sich nachdenklich.
Missbrauch "eine offene Wunde"
In der Frage der kirchlichen Missbrauchsfälle, die Deutschland aktuell massiv beschäftigen, betonte Bischof Scheuer laut OÖN die Unterschiede in der Herangehensweise. Österreich sei weltweit das erste Land gewesen, in dem solche Fälle öffentlich geworden sind. "Seither ist einiges geschehen. Ich hoffe, dass wir daraus lernen. Ich kann bedauern, ich kann mich schämen, ich kann zuhören, aber keine Lebensgeschichten rückgängig machen." Das bleibe daher "eine offene Wunde".
"Da werden auch noch andere Rechnungen beglichen", sagte Scheuer zur Kritik am emeritierten Papst Benedikt XVI. im Zusammenhang mit dem Münchner Missbrauchsgutachten. Benedikt sei "kein bescheidener Theologe", so Scheuer: "Sein Urteil über die deutsche Theologie haben viele auch als verletzend empfunden."
Quelle: kathpress