Aschermittwoch für Bischöfe im Zeichen von Krieg und Frieden
Die Predigten österreichischer Bischöfe am Aschermittwoch standen ganz im Zeichen von Krieg und Frieden und unter dem Eindruck der entfesselten Gewalt in der Ukraine. Gottes Geist möge die Einsicht schenken, dass "dieses fürchterliche, ja man muss wohl sagen, mörderische Tun zu einem Ende kommt", sagte etwa der Salzburger Erzbischof und Vorsitzende der Bischofskonferenz, Franz Lackner, am Mittwochabend im Salzburger Dom. Auch Kardinal Christoph Schönborn zeigte sich im Stephansdom erschüttert darüber, dass in Europa, das "durch die Jahrhunderte so viele Kriege gekannt hat", nun wieder Schauplatz von Krieg wird. Ähnlich betroffen äußerten sich auch die Bischöfe Manfred Scheuer (Linz), Hermann Glettler (Innsbruck) und Ägidius Zsifkovics (Eisenstadt).
Erzbischof Lackner sprach am Aschermittwoch von einem "schrecklichen Krieg, der viele Wunden schlagen und über Jahrzehnte hindurch Versöhnung bis ins Letzte nicht möglich machen wird". Er berichtete von der Bitte des Salzburger Landeshauptmanns bei einem Treffen am selben Tag, dass die Christen und Christinnen, solidarisch mithelfen und "Herzen und Hände öffnen für die Flüchtlinge, die kommen werden". Die Pfarrgemeinden seien aufgefordert, nach Plätzen Ausschau zu halten, wo Kriegsopfer "Ruhe finden können, wo ihre Wunden geheilt werden und wo sie echte christliche Nächstenliebe erfahren", so Lackner.
Die Fastenzeit sei aber auch eine Gelegenheit zur Selbstbesinnung in einer Zeit, da "sogar der Weltfrieden in Gefahr" sei. Dieser Friede sei auch in Österreich schon brüchig geworden, bezog sich der Erzbischof auf das während der Pandemie viel gehörte "Wort von der Spaltung". Menschen fühlten sich verlassen, nicht vertreten, auch nicht von der Kirche, wie die Austrittszahlen zeigten, die in Salzburg zuletzt "so hoch wie glaube ich noch nie" gewesen seien.
Lackner unterstrich die Notwendigkeit, sich anstehenden Herausforderungen "aus einer Verbundenheit mit Gott" zu stellen und während der Fastenzeit "in dieser erneuerten Gesinnung ... hineinzuwirken in unsere Welt". Fasten bezeichnete der Erzbischof als "so etwas wie die Nächstenliebe und die Gottesliebe zusammen".
Schönborn äußert Auferstehungshoffnung
Auch Kardinal Schönborn drückte am Beginn der diesjährigen Fastenzeit die "großen Sorgen um den Frieden" aus, "Sorgen um ein freies, unabhängiges Land, das eine durch nichts zu rechtfertigende Aggression erlebt, durch die es wieder viele Tote geben wird, viele Verletzte, sehr viele Flüchtlinge". Die aktuelle Lage habe drastisch vor Augen geführt: "Dass wir seit 75 Jahren im Frieden leben, ist nicht selbstverständlich." In seiner Aschermittwochpredigt bedauerte der Wiener Erzbischof: "Wir können das schmerzliche Drama der Ukraine, die Tragödie, möchte man sagen, nicht lösen." Was jeder und jede aber persönlich beitragen könne, sei die Bitte darum, sich mit Gott versöhnen zu lassen. Denn der Krieg im Großen beginne mit dem "Unfrieden im Kleinen, in unseren Herzen, in unseren Beziehungen und in unserem Verhältnis zu Gott", wie Schönborn sagte.
Ausdrücklich begrüßte der Kardinal im Stephansdom den für alle in Österreich beheimateten Katholiken der ostkirchlichen Riten zuständigen Generalvikar Yuriy Kolasa, der selber aus der Ukraine stammt. Und er erzählte vom Friedensgebet kurz zuvor in der ukrainischen Barbarakirche in Wien und dem anschließenden Besuch der dortigen improvisierte Hilfsstelle. "Ich war beeindruckt, wie viele junge Menschen da stundenlang intensiv arbeiten, um die Gaben, die Almosen, die Hilfsgüter zu sammeln und gleich weiter zu transportieren", so Schönborn. Er würdigte diesen selbstlosen Einsatz als Realisierung dessen, was Jesus in der Bibel als vorbildlich darstelle: "Dein Vater sieht in das Verborgene. Und er lädt uns ein, auf die verborgenen Gesten des Guten zu achten."
Der Kardinal beendete seine Predigt mit der Hoffnung auf die österliche Freude des Sieges Christi über den Tod und über die Not. Er wünsche den notleidenden Menschen in der Ukraine, "aber auch denen, die diesen Krieg als Soldaten führen müssen, unfreiwillig, kaum einer macht das mit Begeisterung: Alle dürfen wir hoffen, dass es Ostern wird, dass es Auferstehung gibt und dass diese Auferstehung auch schon spürbar wird auf Erden".
Scheuer wirbt für "Spiritualität des Friedens"
"Hilft Beten?" Diese Frage stellte der Linzer Bischof Manfred Scheuer am Aschermittwoch im Mariendom vor dem Hintergrund zahlreicher Gebete um Frieden in der Ukraine. Für sein eindeutiges Ja darauf zitierte er die evangelische Theologin, Dichterin und Friedensaktivistin Dorothee Sölle (1929-2003): "Natürlich hilft beten und sich eins wissen mit der Macht, die dem Grashalm durch den Asphalt hilft. Natürlich hilft wünschen, träumen, darüber reden, eine Vision haben und sie mitteilen im Handeln."
Im Gebet vollziehe sich die Aussöhnung mit begangenen Fehlern und Schuld, es "befreit vom selbstverliebten Kreisen um das eigene Ich", ergänzte Scheuer. Gebet lebe aus der unverbrüchlichen Hoffnung, dass bei allem Scheitern nicht das letzte Wort gesprochen ist. "Solange der Mensch betet, gibt er sich nicht auf."
Der Linzer Bischof warb zum Beginn der Fastenzeit für eine "Spiritualität des Friedens". Dabei gehe es zunächst um eine "Abrüstung des Denkens": "Da sollen eigene Kränkungen, Verfolgungsängste und Hassgefühle aufgearbeitet, Feindbilder abgebaut und Vorurteile hinterfragt werden." Eine Spiritualität des Friedens müsse an die Wurzeln von Konflikten und Kriegen, von Terror und Barbarei gehen. Dort sei oft die Anmaßung absoluter Macht über Leben und Tod gestanden, die Verachtung des "anderen", behinderten, ausgegrenzten, vermeintlich wertlosen Menschen wie in der Nazizeit, erinnerte Scheuer. Diese Verachtung habe sich aller Kräfte, auch die der Wissenschaften, der Medizin, der Ökonomie und sogar der Religion bedient.
Ein Dienst am Frieden könne laut Scheuer somit die Kritik an allen Götzen der Herrschsucht, des Übermenschen, des Kapitals, des Nationalismus, des Rassismus, des Militarismus oder des gekränkten Stolzes, denen Millionen von Menschen geopfert worden seien. "Gerade die Verabsolutierung von bestimmten endlichen und begrenzten Werten führt nicht selten zu tödlichen Konflikten", warnte der Bischof.
Zsifkovics: Asche zeigt Vergänglichkeit
"Ich denke heute ganz besonders an die Ukraine", sagte der Eisenstädter Bischof Ägidius Zsifkovics im Martinsdom. Wenn zur Stunde durch die dortigen Kämpfe alles in Schutt und Asche gelegt werde, sei dies auch hierzulande eine Erinnerung an die Vergänglichkeit und an menschliche Brutalität. Zum Kreuz, das am Aschermittwoch auf die Stirn gezeichnet wird, erklärte Zsifkovics, auch hier sei die Asche "Zeichen für unsere Vergänglichkeit und eine Einladung, bewusster als Menschen und Christen zu leben". Besser und ehrlicher als "Sand in die Augen" sei es, Asche aufs Haupt zu streuen.
Der Bischof schloss seine Predigt mit dem Wunsch an alle, mit Mut und Ausdauer durch die 40 Tage der Fastenzeit zu gehen, "trotz Pandemie und Krieg in der Ukraine, trotz aller Herausforderungen und Widerwärtigkeiten des Lebens, weil wir als Christen um Ostern wissen und daraus Kraft, Freude und Hoffnung schöpfen und diese an andere weitergeben. So werden wir selber, so wird die Welt durch uns ein Stück weit besser."
Glettler: Jesus ruft Erschöpfte zu sich
Bischof Hermann Glettler erläuterte in der Neuen Universitätskirche am Innrain die dort mit Aschermittwoch als temporäres Altarbild angebrachte Fotoinstallation "tired?" (dt.: müde?) von Carmen Brucic. Die Haltung des darauf abgebildeten georgisch-ukrainischen Aktivisten stehe gleichzeitig für Erschöpfung und Widerstand. "Konfrontiert mit der Fratze des Krieges mitten in Europa gibt es zahllose Analysen, energische Demos und Appelle - doch vieles scheint letztlich ins Leere zu gehen", wies Glettler hin. Dies ermüde ebenso wie die Tatsache, "dass einzelne Machtbesessene ungeheuerliche Waffenarsenale in den Händen haben und scheinbar alle Friedensbemühungen ad absurdum führen können".
Dem hielt der Bischof die im Tagesevangelium verlesene Jesus-Botschaft entgegen: "Kommt alle zu mir, die ihr ermüdet seid - erschöpft und beladen. "Die Person Jesus selbst mache den Unterschied im Bemühen, Ruhe für die Seele zu finden. "Er bietet kein Produkt und keine Technik an, keine moralische Belehrung und auch keine frommen Sprüche. Jesus geht nicht auf sichere Distanz", sondern sage ganz im Gegenteil: "Kommt alle zu mir!", wies Glettler hin. Dieser Ruf beziehe sich auf Ausgelaugte, Frustrierte, Empörte und Gekränkte, auf Gesunde und Kranke, Erfolgreiche und Ausgegrenzte.
Marketz: Kirchen "Botschafter der Versöhnung"
In der Aschermittwoch-Liturgie im Klagenfurter Dom kam es zu einem ökumenischen Beten um Frieden in der Ukraine, an dem Bischof Josef Marketz, Superintendent Manfred Sauer und der rumänisch-orthodoxe Pfarrer Viorel Visarion Ipati teilnahmen. "Wir wollen als christliche Kirchen ein gegenläufiges Zeichen zu setzen zu dem, was wir in der Ukraine erleben", sagte Marketz. Als "Botschafter der Versöhnung" würden die Kirchen alle einladen zum Gebet und zum Teilen mit den Notleidenden, "die ein Krieg innerhalb von kürzester Zeit hervorbringt und das auch diesmal geschafft hat".
Der Kärntner Bischof bat Gott um eine Wandlung des Herzens und einem neuen Denken bei den Verursachern des Krieges - "durch diejenige Kraft, die solches vermag, das ist die Liebe". Geltungsdrang, Machtstreben oder das Greifen nach Gütern, die einem nicht gehören, seien nur einige Beispiele für die vielen Versuchungen, mit denen alle konfrontiert seien. "Aktuell können wir auf der ganz großen Weltbühne mitverfolgen, wohin solche Versuchungen führen, wieviel Zerstörung sie bewirken, weit über den eigenen Lebensbereich hinaus", beklagte Marketz.
Die Aschermittwoch-Liturgie bildete zugleich den Auftakt der Reihe "Kunst im Dom" mit Installationen zum Thema "Wo bist Du?" von Harald Schreiber. Diese erste Frage Gottes an den Menschen richtet sich nach den Worten von Superintendent Sauer auch an Gott selber. Er sei überzeugt, "dass diese Frage vielen verzweifelten und ängstlichen Menschen in den U-Bahnschächten und Kellern der bombardierten Städte in der Ukraine unter den Nägeln brennt".
Krautwaschl: Viel Anlass für "Kehrt um!"
"Kehrt um!" Dieser Zuruf Jesu am Beginn der österlichen Bußzeit ist nach den Worten des Grazer Bischofs Wilhelm Krautwaschl heuer besonders aktuell. Er verwies am Aschermittwoch in Seggau auf die Aggression, die "derzeit zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine im wahrsten Sinn des Wortes 'aus-geschossen'" werde, aber auch auf die Corona-Krise: So manche Auseinandersetzungen der vergangenen Monate führen laut Krautwaschl zur Erkenntnis: Viel von dem Liebesgebot Jesu sei da mitunter nicht wahrzunehmen.
Umkehr vermisst der Grazer Bischof auch beim Engagement zur Bewahrung der Schöpfung. Die einen erachteten dieses Kümmern als "nebensächlich" für den Glauben, andere wiederum würden den Eindruck erwecken, "dass Gott eigentlich schon Nebensache sei". Auch beim Schutz an dessen Beginn und Ende sowie bei "zahlreichen Sünden, die durch Menschen und damit Verantwortungsträger in der Kirche verübt werden", komme der Impuls zum biblischen Ruf: "Kehrt um zu mir von ganzem Herzen!"
Dass dies möglich ist, werde gerade in diesen Kriegstagen neu vor Augen geführt, so Krautwaschl: "Wie viel sich doch tut in der Hilfeleistung für die Not leidenden Menschen in der Ukraine: wie viel gebetet wird, wie viel Hand angelegt und überlegt wird, wie viele sich zusammentun, um zu helfen."
Quelle: kathpress