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Trauer um Kardinalsmutter Eleonore Schönborn
Eleonore Schönborn, die Mutter von Kardinal Christoph Schönborn, ist am Freitagvormittag im 102. Lebensjahr verstorben. Sie sei im Vorarlberger Montafon "im Kreis der Familie friedlich entschlafen, gestärkt durch die heiligen Sakramente", teilte der Wiener Erzbischof gegenüber Kathpress mit. Er selbst hatte die letzten Stunden seiner Mutter an deren Seite verbracht, die am 14. April 102 Jahre alt geworden wäre. Noch am Donnerstag habe sie die Messe spürbar geistig mitfeiern können. Die Begräbnisfeierlichkeiten finden voraussichtlich am kommenden Freitag, 4. März, um 10 Uhr, in ihrer Heimatgemeinde Schruns, statt.
"Es ist selten, dass man 77 Jahre alt wird und immer noch die Mutter hatte. Sie war eine starke Frau, eine faszinierende Persönlichkeit", sagte der Kardinal.
Nicht umsonst wurde sie von so vielen Menschen geschätzt und auch ehrlich geliebt. Sie war bereit für den letzten Gang und hat sich schon danach gesehnt, zu Gott heimzugehen.
Bewegte Lebensgeschichte
Am 100. Geburtstag Eleonore Schönborns hatte eine große Familienfeier - mit den Kindern Philipp (78), Christoph (77), Barbara (75) und Michael (68), den Enkeln und 15 Urenkeln - wegen der Covid-Pandemie verschoben werden müssen. Zuletzt war ihre Gesundheit bereits stark beeinträchtigt: Die Bewegungsfähigkeit war stark eingeschränkt, sie war nahezu vollständig erblindet.
Bis ins hohe Alter war die Verstorbene hochaktiv gewesen: Die leidenschaftlich kartenspielende Jasserin saß auch nach ihrem 90er noch selbst hinter dem Steuer, sie erlernte entschlossen den Umgang mit E-Mail und Internet. Selbst vom Rollstuhl aus referierte Schönborn noch beim von ihr einst mitbegründeten Krankenpflegeverein Außermontafon über das Thema "Einsamkeit im Alter".
Einen "hellwachen Geist" attestieren der Kardinalsmutter alle, die sie kennen. Und große Gelassenheit, die sie bei einem ausführlichen "Krone"-Interview vor zwei Jahren unter Beweis stellte: Der Erblindung verdanke sie, dass ihre Gebete "ehrlicher" geworden seien, dass sie nun endlich "in Ruhe über vieles nachdenken" und ihr Leben ordnen könne. Der Ausspruch "Wer an Gott glaubt, ist nie allein" des sieben Jahre und zwei Tage jüngeren Benedikt XIV. sei ihr oft eine große Stütze gewesen, teilte Schönborn mit; sie habe dieses Zitat oft gebraucht - wohl auch, um nachträglich die dunklen Zeiten der eigenen Vergangenheit zu verstehen.
Gutsherrin mit jähem Ende
Ihre eigene Kindheit in Mähren beschrieb Eleonore Schönborn als "wundervoll". Eleonore Freiin von Doblhoff, so ihr Geburtsname, wurde 1920 als jüngstes Kind einer u.a. in der Zuckerproduktion tätigen Adelsfamilie geboren und besuchte ein Internat für höhere Töchter. Ihr Vater starb früh nach Multipler Sklerose. Sie selbst lernte rund um den 22. Geburtstag auf einer Cocktailparty den Maler Hugo-Damian Schönborn kennen, der schon beim dritten Treffen um ihre Hand anhielt. Sein Faible für moderne Kunst, Philosophie und Literatur faszinierte sie und ließ sie alle Vorbehalte der Verwandten überhören. Am 10. Mai 1942, mitten im Weltkrieg, wurde geheiratet.
Das Glück war jedoch nur von kurzer Dauer. Hugo-Damian, der wie viele Adelige eine NS-Offizierskarriere ausschlug und einfacher Gefreiter blieb, wurde an die Front nach Stalingrad einberufen, überlebte Stalingrad, desertierte später an der Westfront nach der Landung der Alliierten und lief zur britischen Armee über. Der Krieg trug ihm die Tuberkulose ein, an der er lebenslang laborierte. Eleonore, damals auf die Burg Skalka bei Leitmeritz übersiedelt, brachte inmitten der Wirren dieser Zeit im Jänner 1945 Christoph Schönborn zur Welt - neun Monate nach einem Fronturlaub ihres Gatten.
Kurz nach Kriegsende jener Moment, der für die damals 25-jährige Guts- und Schlossherrin alles veränderte: Der Dorfgendarm stand damals an der Türschwelle und teilte mit, die Familie müsse binnen einer Stunde das Land verlassen; die Benes-Dekrete in der neu entstandenen Tschechoslowakei sorgten für die Vertreibung aller Angehörigen der seit Jahrhunderten hier ansässigen deutschen und ungarischen Minderheit. Eleonore, mit zwei Kindern im Schlepptau, durfte nur das mitnehmen, was sie tragen konnte. Heimat, Heim, die beschützende Großfamilie und auch ihr Lebensplan - alles ist mit einem Schlag zerstört.
Flucht, Scheidung, Neubeginn
Es folgte eine Odyssee - zunächst zu Verwandten nach Breiteneich bei Horn in Niederösterreich, dann zur älteren Schwester Eleonores in Graz, wo sie auch ihren Mann wieder traf, schließlich ab 1950 nach Schruns im Vorarlberger Montafon, wo sie Arbeit fand. Auch wenn während dieser Wanderzeit zwei weitere Kinder geboren wurden, sei es die "dunkelste Etappe" ihres Lebens gewesen, sagte Eleonore später und bezog sich dabei auf ihre Enttäuschung über die glücklose Ehe. Das Paar ließ sich 1958 einvernehmlich scheiden. Bei ihren Kindern hinterließ die Trennung tiefe Spuren - Erfahrungen, die ihrem zweiten Sohn viel Einfühlungsvermögen verleihen sollten, als es bei der Familiensynode in Rom sechs Jahrzehnte später um Scheidungsfamilien ging.
Jetzt erst recht auf sich gestellt, verdiente Eleonore Schönborn den familiären Lebensunterhalt bei einer Textilfirma in Bludenz, wo sie 30 Jahre lang blieb und wegen ihrer Sprachkenntnisse rasch Chefsekretärin und später Vorarlbergs erste Prokuristin und Pressesprecherin wurde. Sie baute das Haus ihrer Familie, brachte sich in Schruns im Pfarrgemeinderat und im Krankenpflegeverein ein. Erst nach 25 Jahren - ihr Sohn Christoph war inzwischen 1970 zum Priester geweiht und dann 1975 zum Professor an der Schweizer Universität Freiburg ernannt worden - fühlte sie sich in der neuen Heimat integriert und nicht mehr als "Zugereiste", sagte sie später.
Ihr politisches Interesse, mit dem sie das Zeitgeschehen intensiv verfolgte, legte Eleonore Schönborn nie ab. Sie wurde erste Schrunser Gemeindevertreterin, initiierte die Errichtung von Museen im Montafon und wurde dafür 1997 sogar mit dem Großen Verdienstzeichen des Landes geehrt. Sie war hellhörig, als das Asylthema Österreich später erneut betraf: Plattformen, die sich gegen die Abschiebung von in Österreich integrierten Flüchtlingsfamilien einsetzten, fanden in ihr eine vehemente Unterstützerin. "Niemand geht freiwillig von zuhause weg", und: "auch ich war einmal Flüchtling", begründete sie dies glaubhaft aufgrund ihrer eigenen Vergangenheit.
Mutter des Kardinals
In internationale Schlagzeilen schaffte es die Kardinalsmutter kurz vor ihrem 93er: Ihr Sohn auf dem Stuhl des Wiener Erzbischofs werde damals nach dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI. als heißer Tipp für dessen Nachfolge gehandelt. Die ganze Familie hätte Angst davor, sollte dies wirklich eintreten, sagte sie, auch erachte sie Kardinal Christoph Schönborn als "viel zu gütig" für den Job und das Papstamt als zu große Belastung für ihn. Außerdem würde sie ihn dann wohl kaum mehr zu Gesicht bekommen, wie bis dahin zumindest noch bei ihren jährlichen Wien-Aufenthalten. Ihr Fazit war klar: "Das ist nichts für meinen Buben."
Christoph sei "immer ein sehr guter Sohn gewesen" und ihr stets sehr nahe gestanden, sagte die Mutter über den dann doch in Wien Verbliebenen. Der Erzbischof verwies in Predigten und Zeitungskolumnen oft auf sie. Eleonore Schönborn erinnere ihn beispielsweise stets daran zu lächeln - "dass die Mundwinkel oben bleiben, auch wenn einem gar nicht danach zumute ist".
Quelle: kathpress