
Neues Buch beleuchtet Verhältnis von Heiligem und Nacktheit
"Je rigider die Sexualmoral einer Gesellschaft, desto nackter werden die Heiligen in der katholischen Bilderwelt, umso mehr blitzt der Busen der büßenden Maria Magdalena unter ihren langen Haaren hervor." Das ist eine der verblüffenden Erkenntnisse, die der Theologe und Kunsthistoriker Markus Hofer aus seinem Streifzug durch die Kulturgeschichte zieht, bei dem er sein Augenmerk auf "Das Heilige und das Nackte" richtete und dazu jetzt bei Tyrolia ein so betiteltes, reich bebildertes Buch vorlegt. "Sex sells - offensichtlich auch unter den Heiligen", merkt der Verlag dazu lapidar an.
In seinem - durchaus auch humorvollen - Gang durch die Kulturgeschichte erläutert Hofer, langjähriger Leiter des Männerbüros der Diözese Feldkirch, die vielen Facetten des "immerwährenden lustvollen Spannungsverhältnisses zwischen diesen beiden, den Menschen so bestimmenden Bedürfnissen", heißt es weiter. Der Versuch, Sexualität und heilige Orte bzw. Räume des religiösen Erlebens strikt voneinander zu trennen, "scheitert unweigerlich", so der Autor. Sexualität erweise sich als eine starke Kraft "und sie sucht sich ihren Weg, manchmal auch ganz unerwartet".
Projektionsfläche für Phantasien
Hofers Streifzug reicht von der Venus von Willendorf aus der Altsteinzeit über die idealisierte Nacktheit der Griechen und dem "gar nicht so finsteren" Mittelalter bis in die Neuzeit, die sich als "alles andere als liberal" erweise. Zunehmendes Moralisieren rund um das Thema Sexualität mache die Sache erst recht interessant. Die von der Tradition als Prostituierte und Sünderin gebrandmarkte Maria von Magdala wurde laut Hofer "zum Prototyp der Projektionsfläche für Männerphantasien"; für das Titelbild seines Buches wählte er nicht umsonst ein Tizian-Gemälde der Auferstehungszeugin, in dem deren Heiligkeit angesichts der weiblichen Blöße "dann doch zum Schein verkommt".
Als Pendant für Frauen habe der von Pfeilen durchbohrte, oft nur mit Lendenschurz dargestellte heilige Sebastian gedient. Jedoch: "Das erotische Muster der Frauen dürfte um einiges komplexer sein", schreibt der an der Fachstelle Glaubensästhetik in Feldkirch tätige Autor. "Da geht es nicht vorrangig um einen knackigen Po, sondern um Beziehungen und Geschichten, um Status und gesellschaftliche Symbole".
Heute stehe das Geschäft mit der Sexualität und die Selbstdarstellung im Vordergrund und nicht mehr die Sehnsucht nach Schönheit, so der kritische Gegenwartsbefund Hofers. Und er hielt fest: "Das raffinierte Spiel von Zeigen und Verbergen macht eigentlich erst die Erotik aus, die menschlich kultivierte Form dessen, was früher einfach Fortpflanzung war..."
Markus Hofers Buch "Das Heilige und das Nackte. Eine Kulturgeschichte" (Tyrolia 2022) umfasst 192 Seiten mit 70 farbigen Abbildungen und kostet 28 Euro. (Der Autor präsentiert sein Buch u.a. am 29. März im Bregenzer "vorarlberg museum", Beginn: 19 Uhr)
Quelle: kathpress